Mensch vs. Maschine "Die Technologisierung schreitet zu schnell voran"

Es ist eine jahrhundertealte Angst der Menschheit: dass Maschinen uns ersetzbar machen. Ein Vortrag auf der Re:publica erklärt, wie wir damit umgehen lernen und neue Technologien immer wieder neu hinterfragen können.

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Bei einem Vortrag auf der Re:publica erklärt erklärt der Unternehmensstratege und Experte für digitale Kommunikation, Johannes Kleske, wie wir mit der Angst vor neuen Technologien umgehen lernen und immer wieder neu hinterfragen können. Quelle: dpa

Anfang des 19. Jahrhunderts in Südengland: Die Textilbranche führt Webmaschinen ein und ersetzt die Facharbeiter durch ungelernte Kräfte. Die Bedienung der Geräte kann nun von Laien durchgeführt werden. Die Webmaschine ist nur ein Beispiel für die Mechanisierung im Zuge der industriellen Revolution. Einige Arbeiter protestierten dagegen, sie wurden Maschinenstürmer genannt.

Heute ist die Angst vor der Ersetzbarkeit die gleiche, nur ist es nicht die Industrialisierung, vor der wir Angst haben, sondern wir fürchten uns vor der Technologisierung. Haushaltsroboter machen Reinigungskräfte überflüssig. Algorithmen den Börsenmakler. Drohnen den Soldaten. Roboter den Babysitter. Und Google testet intelligente Autos, die Taxifahrer ersetzen könnten.

Ist die Entwicklung neuer Technologien eine Bedrohung für uns? Der Unternehmensstratege und Experte für digitale Kommunikation, Johannes Kleske, rät auf der Re:publica: "Observe - Orient - Decide - Act" - beobachten, orientieren, entscheiden, handeln. Eine Strategie aus dem Militärbereich, die ständig wiederholt wird. Ein Loop.

Der Mensch als Sklave der Maschinen

Seine Beobachtung: Die Technologisierung schreite mittlerweile zu schnell voran. "Arbeitsplätze fallen weg, aber der Mensch schafft es nicht schnell genug, entgegenzusteuern und neue Arbeitsbereiche zu besetzen."

Wie gehen wir damit um? Die Maschinenstürmer aus dem 19. Jahrhundert nennt Kleske als Extrembeispiel für die Ablehnung des Fortschritts. Der Protest habe zwar wenig gebracht, aber der Denkanstoß, den die Textilarbeiter gegeben hätten, sei wichtig gewesen: "Wollen wir uns bedingungslos diesem Fortschritt hingeben?"

Solche Fragen versuchen Science-Fiction-Autoren zu beantworten. In ihren Romanen beschreiben sie oft ein Szenario, das Dystopie genannt wird. Maschinen werden immer ausgeklügelter, übernehmen die Arbeit der Menschen und schließlich den Menschen selbst. Der ist am Ende nur noch ein Sklave der Maschinen - ihre Arme und Beine. Das macht Angst. Die Reaktion darauf: Ablehnung.

Der Borg Complex

Die Stars unter den Maschinenwesen
Der Sensible Quelle: Massachusetts Institute of Technology (MIT)
Mondspinne Quelle: dpa
Helfer fürs Heim Quelle: AP
Eiserne Hand Quelle: DLR
Genossin Frida
Nächste Stufe Quelle: Honda
Flinker Putzer Quelle: dapd

Das Gegenteil der Ablehnung ist die bedingungslose Annahme der Technologien. Kleske bezeichnet das als Borg Complex. Den haben Menschen, die davon überzeugt sind, dass immer neue Technologien kommen werden und der Fortschritt unaufhaltsam sei. Die Utopie dafür sind die Digital Athens - Menschen, die wie in der griechischen Antike nicht selbst arbeiten müssen und Zeit für Unterhaltung, Politik und Vergnügen haben.

"Das ist genau so ein gefährliches Extrem", sagt Kleske. Denn diese Menschen gingen davon aus, keine Möglichkeiten zu haben, der Technologie etwas entgegenzusetzen. Sein Rat: "Ich glaube, dass wir versuchen sollten, eine gesunde Mischung aus beiden Beispielen hinzubekommen."

Kleske spricht von einem kritischen Geek. "Der kritische Geek will verstehen, was die Technologie für Konsequenzen hat, er will ihre Komplexität erfahren und dann entscheiden, ob es sich lohnt, sich bedingungslos hinzugeben."

Print vs. Online

Die Zeit zum Hinterfragen haben wir. Kleske zufolge hat es eine Neuerung nie geschafft, sich von heute auf morgen durchzusetzen. Stets hätten die Akteure, die von der Neuerung betroffen waren, die Möglichkeit gehabt, sich ihrer Stärken zu besinnen.

Als Beispiel nennt Kleske das Zeitungssterben. Das Web mache Zeitungen überflüssig. Die Verlage hätten jedoch diese Entwicklung hinterfragt. Am Ende hätten sie entdeckt, dass ihre Stärken im Schreiben von Analysen und Hintergrundberichte liegen. "Unsere Chance ist, uns darauf zu konzentrieren, worin wir wirklich gut sind." Technologie als Möglichkeit zur Selbstreflexion also.

Dieser Artikel ist zuerst auf golem.de erschienen.

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