Menschenähnliche Computerwesen Wie die Grenzen zwischen Menschen und Robotern verschwimmen

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Der Mensch legt fest, was Roboter können

Menschen bauen Roboter, und dann?

Egal wie hoch sich die Roboter technisch noch aufschwingen werden: Am Anfang ihrer Entwicklung steht bisher immer der Mensch. Er legt in einem Computerprogramm fest, was die Roboter können sollen. Mehr und mehr jedoch versuchen Forscher, ihre Zöglinge unabhängig werden zu lassen.

So ein Roboterkind ist Myon. Der Humanoide misst 1,25 Meter. Gewicht: etwa 16 Kilo. Auf seiner Schulter sitzt ein schwarz-weißer Kopf mit einem Kamera-Auge. Professor Manfred Hild und sein Team an der Beuth Hochschule haben ihn so konstruiert, dass er seine Umwelt beobachtet, geht und aus Erfahrungen lernt. „Bewegungen, die Myon allein macht, fallen ihm einfacher. Wenn ein Mensch ihn führt, muss er sich auf mehr einstellen, das wird schwieriger“, sagt Hild (48).

Werden Roboter mal schlauer sein als Menschen?

US-Autoren wie Nick Bostrom („Superintelligenz“) und Ray Kurzweil („Das Geheimnis des menschlichen Denkens“) spekulieren, wann Maschinen auf ganzer Linie schlauer als Menschen sein könnten. Und nicht nur in Spezialgebieten. Schon jetzt hilft die IBM-Software „Watson“ Ärzten durch rasante Datenanalyse bei Diagnosen und „AlphaGo“ von Google konnte den weltbesten Go-Spieler besiegen.

Der deutsche Roboter-Experte Dillmann bleibt vorsichtig: „Der Traum, mit künstlicher Intelligenz letztlich den Menschen und sein Gehirn vollständig nachbilden beziehungsweise übertreffen zu können, daran glaube ich nicht“, sagt er. „Wenn man Prozesse betrachtet, die mit Kreativität zu tun haben, nehmen wir Künstler oder Architekten, die freie Entwürfe machen, dann wird das relativ kritisch.“ Außerdem gehöre zum Denken auch das soziale Miteinander der Menschen. Das sei Maschinen fremd. Es sei kaum nachbildbar - und wenn, dann nur in groben Zügen als Karikatur.

Wie weit werden sich Roboter und Menschen annähern?

Trotzdem läuft die Annäherung zwischen Mensch und Maschine weiter. Ericas Vater Ishiguro sieht den Menschen als Wesen, das im Laufe der Geschichte immer klüger und effizienter wurde - also auf gewisse Weise roboterähnlicher. Er gilt auch in Japan mit seinen Visionen als eher exotisch. Ishiguro möchte eigentlich schon heute keinen Unterschied mehr zwischen Leben und Maschine machen. „Als Menschen vergrößern wir ständig unsere Möglichkeiten und unsere Definition vom Menschsein“, sagt Ishiguro.

Jewgeni Tschereschnew (37) sieht sich selbst als Vorreiter solcher Mischwesen - und als Mahner. Sein Technik-Baustein ist ein kleiner Chip, von außen unsichtbar. Er ließ sich - ähnlich wie eine Reihe von anderen Leuten - das Teil 2015 unter die Haut der Hand pflanzen. Den Chip mit persönlichen Daten kann er wie einen Schlüssel nutzen und Bürotüren öffnen. Der Russe mit den blonden, langen Haaren arbeitet bei der Internet-Sicherheitsfirma Kaspersky Lab. Er will mit seinem Versuch zeigen, wie leicht solche Datenspeicher von anderen gelesen und geändert werden können.

„Was wir heute als Künstliche Intelligenz bezeichnen, verdient diesen Namen eigentlich noch nicht“, sagt er. „Aber in 30 bis 70 Jahren wird es das wahrscheinlich geben. Wir müssen schon vorher eine Gesellschaft bauen, die in der Lage ist, die Kontrolle zu behalten.“

Der Berliner Professor Hild sieht die Gefahren nicht so sehr in den Robotern allein. Sondern darin, dass Konzerne, Staaten und Regierungen sich der Computer-Techniken zu eigenen, auch aggressiven Zwecken bedienen, egal ob mit Robotern, Cyborgs und allen Formen dazwischen. Doch noch bleibt nach seiner Prognose Zeit für die Vorbereitung auf den großen Auftritt der Maschinen-Menschen: „Ich glaube, dass wir in den nächsten 200 Jahren immer werden sagen können, ob da ein Roboter oder ein echter Mensch vor uns steht.“

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