Musikgeschäft Berlin, die Hauptstadt der Hitmacher

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Musikalisches Multi-Talent

Mit dem Programm Traktor der Berliner können Diskjockeys Musikdateien mixen, automatisch das Tempo eines Songs an den nächsten anpassen und beide taktsynchron überblenden. Das Programm und die dazugehörigen Mischpulte sichern den Berlinern etwa ein Drittel der jährlichen Einnahmen von 80 Millionen Euro. Das Programm Komplete wiederum produziert virtuelle Gitarren, Klaviere oder Schlagzeuge in Serie, mit ihm lassen sich Zehntausende Klänge am Rechner erzeugen, vom Synthesizer bis zur klassischen Geige.

A cappella auf Knopfdruck

Und das ist erst der Anfang der Musik-Offensive aus der Hauptstadt. Längst tüfteln die Entwickler in den Hinterhöfen von Kreuzberg und Prenzlauer Berg an ganz neuen Instrumenten, Dateiformaten und Gadgets. Die sollen verändern, wie wir Musik machen, hören und fühlen.

So hat Native Instruments gerade mit Stems ein neues Musikformat vorgestellt, das DJs ganz neue Klangwelten eröffnen soll. Statt einen fertig produzierten Song als eine Stereodatei auszuliefern, besteht der neue Standard aus vier Tonspuren. Auf einer liegt der Gesang, auf den anderen Schlagzeug, Bässe und Melodielinien. Auf Knopfdruck können DJs so ein Gesangsstück in eine Instrumentalversion verwandeln oder in ein A-cappella-Lied.

Mehr als 100 Labels bieten bereits Titel im Stems-Format an, meist im Bereich elektronische Musik. Andere Genre sollen folgen. Für die Branche ist das Projekt lukrativ, denn ein Song kostet mit 2,72 Euro weit mehr als herkömmliche MP3-Dateien.

Bässe spüren

Ableton und Native Instruments sind mit Software groß geworden. Inzwischen bauen sie auch Hardware: Mischpulte, Soundkarten oder Keyboards. Über den Rechner gebeugt zu komponieren fördere nicht gerade die Kreativität, sagt Ableton-Chef Behles. So brachte er vor zwei Jahren mit Push erstmals Hardware heraus, eine schwarze Kiste mit 64 berührungsempfindlichen Pads. Das sei eine Art „Überinstrument“, mit dem ein Musiker via Software Schlagzeug oder Klavier spielen können. Durch die Einführung von Push konnte Ableton seinen Umsatz von 14 auf mehr als 30 Millionen Euro steigern.

„Ein Laptop ist als Instrument nun einmal miserabel“, sagt auch Daniel Büttner, der sieben Jahre bei Ableton gearbeitet und jetzt das Start-up Rescued Ideas gegründet hat. Bei klassischen Instrumenten spüre der Musiker die Schwingungen der Musik selbst, erzählt der frühere Kontrabassist. Das will er auch im Digitalen erfahrbar machen.

Das Ergebnis seiner Überlegungen steckt in einem kleinen, mit Star-Wars-Figuren verzierten Metallköfferchen. Darin befindet sich ein rotes Armband, das über zwei Kabel mit einer streichholzschachtelgroßen Plastikdose verbunden ist. Es wandelt tiefe Frequenzen in Vibrationen um und macht Bässe so fühlbar, wie es Besucher von Konzerten oder Clubs kennen. Aus der Idee, das Instrument der Zukunft zu entwickeln, ist so erst einmal ein Gadget namens Basslet für Musikfans geworden, das Musiker auch als Metronom nutzen können.

Smartwatch mit Rhythmus

„Anfangs war ich skeptisch, aber der Effekt ist wirklich beeindruckend“, sagt Dave Haynes, Manager beim Investor Seedcamp. Auch der reichste Mann Asiens, Li Ka-shing, ist von Büttner überzeugt: Sein Hongkonger Wagniskapitalfonds Horizon Ventures, der schon in Spotify und Facebook investierte, beteiligte sich an dem Start-up.

Büttner will sein Armband im Frühjahr 2016 auf den Markt bringen. Doch gibt es neben Fitnessbändern und smarten Uhren noch Platz am Arm? Büttner, der selbst zwei Lederbändchen trägt, glaubt: „Künftige Versionen lassen sich auch als Armband in Smartwatches integrieren.“

Wird das Bassarmband zum Erfolg, könnte Büttners Start-up auch für Apple mit dessen smarter Uhr interessant werden – als Partner oder gar Übernahmekandidat. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich der Konzern aus Cupertino für deutsche Musiktechnik begeistert. Dessen Musiksoftware Logic stammt von der Hamburger Firma Emagic, die Apple 2002 schluckte.

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