Wenn morgens der Wecker klingelt, springt so mancher Zeitgenosse sofort auf, geht joggen, zur Arbeit und ist sofort fit. Andere laufen erst mittags oder abends zu Hochform auf und sind dafür morgens zu nichts zu gebrauchen. Zwischen zehn und 20 Prozent der Menschen rechnen sich zu den Frühaufstehern oder Nachteulen. Bisher war ungeklärt, ob physiologische Merkmale daran schuld sind, dass manche Menschen solche ausgeprägten Lebensrhythmen haben. Oder ob die einen schlicht zu spät ins Bett gehen.
Falsche Volksweisheiten rund um den Schlaf
Falsch. Menschen haben unterschiedliche Schlafbedürfnisse. Als optimal gelten im Schnitt sieben Stunden. Aber letztlich muss jeder sein Optimum finden. Bestes Indiz: Wer sich tagsüber fit fühlt, hat nachts genug geschlafen.
Falsch. Die Qualität des Schlafs hat damit nichts zu tun. Unserem Körper ist es egal, wann wir einschlafen. Viel wichtiger ist, genügend Stunden tief und fest zu schlummern. Doch klar ist: Je später wir ins Bett gehen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dieses Pensum zu erreichen.
Falsch. Kurzfristig geht das vielleicht, langfristig sind unregelmäßige Schlafzeiten eher schädlich. Unser Körper liebt Beständigkeit, sie ist essenziell für guten Schlaf. Arbeiten Sie lieber an Ihren Gewohnheiten unter der Woche, anstatt am Wochenende Schlaf nachzuholen. Oder fühlen Sie sich fit, wenn Sie zwölf Stunden durchgeschlafen haben?
Falsch. 45 Prozent der Deutschen gehen zwar davon aus, der Mond habe Einfluss auf ihren Schlaf. Ein Zusammenhang zwischen Mondphase und Schlafdauer ließ sich bisher aber nicht nachweisen. Erklären lässt sich dieser Volksglaube eher mit dem Phänomen selektiver Wahrnehmung: Wer nachts wach liegt und am Himmel den Vollmond entdeckt, prägt sich solche Momente stärker ein.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich konnten nun erstmals nachweisen, dass bei sehr nachtaktiven Menschen, den sogenannten "extrem späten Chronotypen", die Signalübertragung in den Nervenfasern in bestimmten Hirnarealen verändert ist. Zu diesem Ergebnis gelangen Forscher um Jessica Rosenberg vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin.
Sie hatten mit einer speziellen Technik im Kernspintomografen bei frühen, normalen und späten Chronotypen die Signalübertragungen in der weißen Hirnsubstanz gemessen. "Es zeigte sich, dass bei den seltenen, sehr nachtaktiven Menschen, die erst im Morgengrauen einschlafen können, die Signalübertragung im Gehirn verändert ist", erläutert Rosenberg. Diese Hirnareale sind unter anderem bei kognitiven Leistungen wie etwa beim Lernen, Sprechen oder Erinnern aktiv. "Ob die Resultate Ursache oder Folge der ausgeprägten Nachtaktivität sind, müssen allerdings nachfolgende Studien zeigen."
Nachteulen haben häufiger Schlafstörungen
Andere Studien zeigen außerdem, dass ausgeprägte Nachteulen häufiger unter Schlafstörungen oder Depressionen leiden als die beiden anderen Chronotypen. Ob dieser Befund mit den aktuellen Jülicher Forschungsergebnissen zusammenhängt, muss noch untersucht werden. "Jeder Mensch hat eine eigene innere biologische Uhr, die festlegt, zu welcher Zeit das Leistungsvermögen am höchsten ist beziehungsweise wann der Wunsch zu schlafen entsteht", erläutert Projektleiterin Rosenberg.
Kollidieren diese individuellen Bedürfnisse beispielsweise mit den Arbeitszeiten, reagiert der Körper darauf gestresst: "Das dauernde Schlafdefizit eines späten Chronotypen lässt sich mit einem chronischen Jetlag vergleichen", so die Wissenschaftlerin. Diese Belastung erkläre möglicherweise auch, warum sehr nachtaktive Menschen zu mehr Alkohol und Zigaretten als Frühaufsteher oder Menschen mit einem normalen Tag- und Nachtrhythmus tendierten.
Experten empfehlen Menschen, deren Schlafrhythmus nicht zu ihren Arbeitszeiten passt, an freien Tagen das zwangsläufig entstehende Schlafdefizit durch langes Ausschlafen zu kompensieren. In Extremfällen kann auch eine professionelle Lichttherapie unterstützen, mit deren Hilfe die individuellen Phasen künstlich verschoben werden.