
Der Autozulieferer Bosch präsentiert diese Woche auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt eine neuartige Batterietechnologie, die nach Angaben von Bosch die Reichweite von Elektro-Autos verdoppelt und die Kosten senkt. Elektrofahrzeuge wie der BMW i3 oder der Nissan Leaf, die heute mit einer Batterieladung im Schnitt etwa 150 Kilometer Reichweite schaffen, sollen dann mehr als 300 Kilometer weit fahren. Gleichzeitig ist der Batteriepack um rund 75 Prozent kleiner und um die Hälfte leichter.
Ein Batteriepack, der heute im Elektrokleinwagen VW e-up etwa 18,8 Kilowattstunden leistet, wiegt stolze 230 Kilogramm. Mit den neuen Bosch-Akkus wären es nur noch rund 115 Kilo, die zudem nur ein Viertel des Bauraumes in Anspruch nehmen – eine enorme Erleichterung für die nach wie vor ziemlich schweren Elektroautos.
Neue Technologie hat enorme Vorteile
Bosch hat für diesen Durchbruch das Start-up-Unternehmen Seeo aus dem kalifornischen Hayward zu einem nicht näher genannten Preis übernommen.
Das 35-Mitarbeiter-Unternehmen hat eine neuartige Festkörperzelle für Lithium-Batterien entwickelt und mit mehreren Patenten abgesichert. „Die Festkörperzelle könnte eine entscheidende Durchbruchstechnologie sein“, sagt Volkmar Denner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Der Grund für die freudigen Töne: Batterien bestehen aus vielen einzelnen Zellen. In der Zellchemie spielt das Material der Plus- und Minuspole (Anode und Kathode) eine entscheidende Rolle. Bei der aktuellen Lithium-Ionen-Batterie ist die Energiedichte und damit die Leistungsfähigkeit dadurch begrenzt, dass die Anode zu großen Teilen aus Graphit besteht.
Lithium ist, wie mancher aus dem Chemieunterricht noch weiß, ein sehr reaktionsfreudiges Element: Schmeißt man ein Stück in Wasser, verbrennt es unter heftiger Wärmeentwicklung. Um diese Reaktion zu verhindern, ist das Lithium in der Lithium-Ionen-Zelle mit eher reaktionsträgem Graphit geschützt. Das wiederum senkt aber die Energieausbeute der Zelle.
Die neue Festkörperzelle hat in ihrem Inneren eine Anode aus massivem Lithium und ein nanostrukturiertes Verbundmaterial aus Festkörper-Polymeren. In der neuartigen Festkörperzelle fehlt die Flüssigkeit und auch das schützende Graphit. Die reine Lithium-Anode wäre ein großer Innovationssprung im Aufbau der Batteriezelle.
Akkus könnten günstiger werden
Diese Kombination hat im Vergleich zur herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie enorme Vorteile:
Doppelter Energiegehalt
Die Zelle kann nicht brennen und ist damit sicherer als Lithium-Ionen-Akkus
Sie ist 75 Prozent kleiner und damit deutlich leichter
Die Haltbarkeit ist mindestens so gut wie die jetziger Lithium-Ionen-Akkus
Weil die neue Batterie sich zudem weitgehend mit der bekannten Technik in herkömmlichen Lithium-Ionen-Produktionsstätten herstellen lassen soll, halten sich die Kosten in Grenzen. Bosch geht sogar davon aus, dass der Batteriepack von morgen, der mindestens 300 Kilometer Reichweite haben wird, kostengünstiger ist als der, der heute in Elektroautos mit etwa 150 Kilometer Reichweite verbaut ist.
Bosch hat jetzt durch den Kauf des Start-ups erste Musterzellen, die das Potenzial besitzen, den hohen Anforderungen der Automobilindustrie an Haltbarkeit und Sicherheit gewachsen zu sein.