Die 720 Millionen Dollar teure New-Horizons-Mission zu Pluto ist viel mehr als nur die Reise zu einem Zwergplaneten. Es ist für Forscher eine riesige Entdeckungsreise und für die Raumfahrt eine historische Unternehmung. New Horizons hat gleich mehrere Rekorde gebrochen. Kein Raumschiff ist bislang so schnell und keines länger und weiter gereist als die Nasa-Sonde: mit einer Geschwindigkeit von bis zu 50.400 Kilometern pro Stunde, mehr als neun Jahren und einer Distanz von 4,8 Milliarden Kilometern.
Doch damit nicht genug. Denn die Ergebnisse des Vorbeiflugs der Nasa-Sonde New Horizons, die nun nach und nach die Nasa erreichen und der Öffentlichkeit häppchenweise präsentiert werden, sind beeindruckend, faszinierend und haben schon in den ersten zwei Wochen nach dem Stichtag auch die Forscher mehrmals überrascht.
Fakten zu Pluto
Der Zwergplanet Pluto ist nach dem römischen Gott der Unterwelt benannt. Die Idee dazu hatte aber nicht etwa ein Wissenschaftler, sondern ein damals elf Jahre altes Mädchen - die 2009 gestorbene Venetia Phair. Ihr Großvater habe ihr 1930 aus der Zeitung vorgelesen, dass ein neuer Planet entdeckt worden sei, erzählte die Engländerin 2006 der US-Raumfahrtbehörde Nasa. „Nach einer kurzen Pause habe ich dann aus irgendeinem Grund gesagt: „Warum nennen sie ihn nicht Pluto?“ Ich hatte von den griechischen und römischen Legenden in Kinderbüchern gelesen und kannte das Sonnensystem und die Namen der anderen Planeten. Also dachte ich, diesen Namen gibt es noch nicht.“ Phairs Großvater, ein Bibliothekar, erzählte einem befreundeten Astronom von der Idee. Der wiederum gab sie an die Entdecker im Lowell-Observatorium im US-Bundesstaat Arizona weiter - und die nahmen den Vorschlag an. „Ich war begeistert“, erinnert sich die spätere Lehrerin Phair. „Das war sehr aufregend damals für ein kleines Mädchen.“
Fast 80 Jahre lang war Pluto ganz offiziell der kleinste Planet des Sonnensystems. Der nach dem griechischen Gott der Unterwelt benannte Winzling, der mit einem Durchmesser von etwa 2300 Kilometern kleiner als der Erdenmond (3500 Kilometer) ist, war der neunte und äußerste Planet - von seiner Entdeckung 1930 bis 2006. Dann degradierte ihn die Internationale Astronomische Union (IAU) offiziell zum Zwergplaneten, nachdem in seiner Region einige ähnlich große Objekte entdeckt worden waren.
Der etwa minus 230 Grad Celsius kalte Pluto ist eine Art Eiszwerg, wie sie zu Zigtausenden bei der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben sind und seitdem den Kuipergürtel am Rand unseres Systems bilden. Für einen Sonnenumlauf benötigt der zu knapp einem Drittel aus gefrorenem Wasser bestehende Zwergplanet 248 Erdenjahre. Im Eiskern des Pluto vermuten Forscher einen Ozean. Bislang sind fünf Monde des Winzlings bekannt: Charon, Styx, Nix, Kerberos und Hydra.
Der Kuipergürtel ist eine Region in unserem Sonnensystem außerhalb der Umlaufbahn des Neptuns. Benannt wurde sie nach dem niederländischen Astronomen Gerard Kuiper (1905-1973), der ihre Existenz schon vor mehr als 60 Jahren vermutete. Wissenschaftler nehmen an, dass dort möglicherweise Hunderttausende Eisbrocken schweben, die bei der Entstehung der Planeten übrig geblieben und dann dorthin geschleudert worden sind. Die meisten Gebilde im Kuipergürtel sind mit bis zu 50 Kilometern Durchmesser eher klein. Es gibt aber auch einige größere - wie die Zwergplaneten Pluto und Eris.
Jetzt hat die Nasa-Sonde offenbar Nebel und gletscherartige Strukturen auf dem Zwergplaneten Pluto entdeckt. Ein neues Foto zeige sogar zwei dichte Nebelschichten, teilten Nasa-Wissenschaftler bei einer Pressekonferenz in Washington mit. „Mir stand der Mund offen, als ich dieses Foto gesehen habe“, sagte Missionsleiter Alan Stern. Die eine Nebelschicht liege rund 80 Kilometer über dem Zwergplaneten, die andere rund 50 Kilometer.
Eisteilchen bilden Nebel
In 130 Kilometern Höhe gebe es vereinzelt sogar auch noch Nebelfelder. Dabei hatten Wissenschaftler eigentlich gedacht, dass es in mehr als 30 Kilometern Höhe über dem Pluto schon zu warm für Nebel sein müsste. „Die entdeckten Nebel auf dem Bild sind ein Schlüsselelement für die Entstehung von komplexen Kohlenwasserstoffen, die Plutos Oberfläche ihren rötlichen Farbton geben“, sagte Michael Summers von der George Mason University in Fairfax. Kohlenwasserstoffe sind eine Grundlage für Leben.
Nach Modellrechnungen könnten sich die Nebel formen, wenn das relativ einfach aufgebaute Gas Methan durch Sonnenlicht aufgespalten werde und damit die Entstehung der größeren kohlenstoffhaltigen Moleküle Ethen und Acetylen fördere. Diese habe New Horizons ebenfalls in der Plutoatmosphäre nachgewiesen. Wenn sie in kältere Schichten der Atmosphäre fallen, können sie laut Nasa zu Eisteilchen frieren und so den Nebel bilden. „Wir brauchen ein paar neue Ideen, um herauszufinden, was da los ist“, sagte Nasa-Forscher Michael Summers.
Zudem entdeckten die Nasa-Forscher in der hellen herzartigen Struktur auf Pluto noch Hinweise auf ehemals fließende Eisschichten. Möglicherweise seien sie immer noch in Bewegung. Zugleich seien dort auch große Mengen an Stickstoff-, Kohlenmonoxid- und Methaneis entdeckt worden. Bei den tiefen Temperaturen von etwa minus 230 Grad Celsius könnten diese fließen, ähnlich wie Gletscher, sagte Bill McKinnon von der Washington University in St. Louis.
Nach mehr als neun Jahren und fünf Milliarden Kilometern war New Horizons Mitte Juli als erster irdischer Flugkörper am Pluto vorbeigeflogen. Während dieser Vorbeiflugphase – dem Flyby – wurden von insgesamt sieben wissenschaftlichen Experimenten Fotos gemacht und Werte gemessen. Sie alle sollten etwa Oberflächentemperaturen, Atmosphäre oder die Masse von Pluto und seinem größten Mond Charon berechnen. „Das Grundwissen, das man über einen planetaren Körper haben möchte – angefangen mit Kennzahlen wie Masse, Radius, Dichte, Oberflächenbeschaffenheit, Temperatur, Atmosphäre oder Magnetfeld, das wollen wir erfahren“, erklärte Tilman Spohn, Leiter des Instituts für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Einige der erwartbaren Daten sind nun auf der Erde angekommen und zudem weitere, die offenbar mehr Fragen als Antworten liefern. Bis alle beim Vorbeiflug aufgenommenen Daten und Fotos allerdings zur Erde geschickt sind, wird es noch 16 Monate dauern. Bis dahin können noch einige Überraschungen kommen.