Nützliche Bakterien Der Darm hat Charme

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Stuhltransplantate per Post

Langfristig muss aber eine klare Regelung her, sagt die Ärztin, um das Verfahren zu standardisieren und möglicherweise zu einem Fertigprodukt zu kommen.

Daran arbeitet zum Beispiel auch das Forscherteam um Emma Allen-Vercoe an der kanadischen University of Guelph in Ontario. RePOOPulate hat Allen-Vercoe das Projekt der Darm-Wiederbesiedlung genannt. Und sie will ganz weg von der Stuhlspende. Stattdessen strebt sie an, einen ausgewählten gesunden Bakterien-Cocktail im Labor zu züchten und ihn möglicherweise in eine Medikamentenkapsel zu verpacken. Die kann der Patient dann einfach schlucken.

Noch ist das Zukunftsmusik. In den USA hat Mark Smith immerhin schon eine Art Versandhandel namens OpenBiome aufgebaut. Für 250 Dollar können Ärzte dort geprüfte Stuhltransplantate beziehen. Der Mikrobiom-Forscher Smith gründete die gemeinnützige Organisation, nachdem er bei einem Freund miterlebt hatte, wie der nach qualvollen Jahren mit einer chronischen Chlostridien-Infektion endlich durch ein Stuhltransplantat geheilt wurde.

Der Haken ist nur: Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat gerade vorgeschlagen, dass Ärzte die Therapie in Zukunft nur noch im Rahmen von genehmigten Studien durchführen dürfen. Dann wäre es für Patienten sehr schwierig, einen Arzt zu finden, der die Therapie einsetzen darf. Daher hat Smith jüngst im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ Alarm geschlagen. Er forderte die Gesundheitsbehörden auf, Patienten den legalen Zugang zu Stuhltransplantaten zu ermöglichen.

Besser keine Selbstversuche

Denn die Tatsache, dass medizinische Laien in ihrer Not zur Selbsthilfe greifen, hält er für sehr riskant. Zwar ist das Prozedere mit YouTube-Videoanleitung vermutlich ganz gut zu beherrschen. Doch diese Transplantate durchlaufen keinerlei Sicherheitscheck. Noch skurriler: Smiths OpenBiome-Stuhl-Bank bekam sogar Anfragen, ob und wie auch der Kot von Haustieren aufzubereiten sei.

Auch in Deutschland ist die Versorgungslage mit heilsamen Darmbakterien noch sehr dünn. Die Therapie komme aber auch nicht für jeden CDI-Patienten infrage, sagt die Kölner Ärztin Vehreschild. Sie setzt erst nach mehreren Rückfällen auf die Neubesiedlung mit fremdem Stuhl.

"Bei Anwendungsfeldern außerhalb der CDI können wir noch nicht sagen, ob die Therapie etwas bringt", bremst sie übertriebene Erwartungen. Aber sie will es gerne erforschen. Vor allem bei anderen Darmerkrankungen – vom Reizdarm bis zu Autoimmunstörungen – sieht sie große Chancen. Für andere Einsatzfelder wie Parkinson, Autismus oder sogar Depressionen wagt Vehreschild noch keine Prognosen. "Wir wissen bisher noch gar nicht, was wir da alles übertragen und welche langfristigen Effekte das hat." Ihr Credo lautet deshalb: "Wir müssen unsere winzigen Mitbewohner noch viel besser erforschen."

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