Ökomythen Die schlimmsten grünen Irrtümer

Ist Biosprit gut und Massentierhaltung schlecht? Eine genaue Bilanz entlarvt manch gut gemeinte Tat als Irrtum.

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Biomythen Quelle: Illustration: Nicholas Blechman

Es klingt nach einer simplen Gleichung: Wer auf einem Biohof einkauft, handelt verantwortungsvoll, unterstützt die Wirtschaft der Region, kauft unbehandeltes Gemüse und schützt irgendwie auch das Klima. Soweit der Glaube.

Doch die Realität ist komplizierter: Wer den weit entfernten Hofladen mit dem Auto ansteuert, schadet dem Klima mehr als derjenige, der zum Supermarkt um die Ecke läuft. Der Apfel aus der Region wiederum hat nur dann eine bessere Energiebilanz als das Pendant aus Neuseeland, wenn er nicht im Strom schluckenden Kühlhaus gelagert wurde. Und das Bioduschgel verliert seinen Umweltvorteil, sobald der Nutzer ausgiebig heiß duscht, weil er dabei Unmengen an Energie verbraucht.

Vor ähnlich komplexen und verwirrenden Zusammenhängen stehen die Unternehmen. Schlimmer noch: Ob eine angeblich nachhaltige Strategie tatsächlich ökologisch ist, bleibt mangels Datenbasis und Überprüfbarkeit oft Spekulation. „Die Entwicklung aussagekräftiger Indikatoren und Messgrößen steht erst am Anfang“, sagt Dirk Vallbracht, Geschäftsführer der DNV Zertifizierungs und Umweltgutachter GmbH.

Das Essener Unternehmen ist eine Tochter der Det Norske Veritas, dem norwegischen Gegenstück zum deutschen TÜV. Vallbracht und seine Kollegen helfen Unternehmen, ein systematisches Nachhaltigkeits-Managementsystem aufzubauen. Denn ohne verbindliche, für alle gültigen Regeln sind Umwelt-Bilanzen kaum vergleichbar. Ein Unternehmen, das bei der Berechnung seiner CO2-Emissionen auch die Nutzung eines Produkts und seine Entsorgung berücksichtigt, steht schlechter da als der Konkurrent, der nur die Herstellung erfasst und auf den Rest verzichtet.

Zugleich ist ein kleiner CO2-Fußab-druck noch lange kein Beweis für verantwortungsvolles Umwelthandeln, wie Vallbracht am Beispiel der Lachszucht erläutert: Zwar legt die Sorge um die leergefischten Meere nahe, die Lachse nicht ausschließlich mit Fischmehl zu füttern. Werden die Fische jedoch mit Soja ernährt, verschlechtert sich die Klimabilanz, weil bei Anbau, Ernte und Transport der Pflanzen massenhaft Kohlendioxid freigesetzt wird. „Erst die Kombination aller relevanten Nachhaltigkeitsfaktoren ergibt ein vollständiges Bild“, sagt Vallbracht.

Da genaue Nachhaltigkeitsbilanzen und klare Regeln jedoch bisher weitgehend fehlen, sind Mythen und Irrtümern Tür und Tor geöffnet.

Der gefährlichste Irrglaube sei, sagt Richard Häusler, Chef der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Berliner Beratungsagentur Stratum, dass gute Absichten Wirtschaftskompetenz ersetzen könnten. Nachhaltigkeit muss sich rechnen. Häusler: „Wer ein Unternehmen ruiniert und Arbeitsplätze vernichtet, hat kaum sozial verantwortlich gehandelt.“

Gerade beim Bestreben, die Welt zu retten, gilt das ökonomische Grundgesetz: Setze die verfügbaren Mittel so ein, dass sie den größten Nutzen stiften. Soll heißen: Verschwende das Geld nicht mit sinnlosen Aktionen. Gut gemeint, ist nicht schon gut gemacht.

Für den dänischen Wissenschaftler Björn Lomborg lässt sich Hunger mit einer bestimmten Summe Geld weit wirkungsvoller eindämmen, als würde dieser Betrag in die Bekämpfung des Klimawandels gesteckt. Jeder dort investierte Euro verhindert nach seiner Berechnung nur 20 Cent an Schaden. Würde der gleiche Euro jedoch ausgegeben, um unterernährte Menschen mit Zink, Vitaminen und Eisen zu versorgen, entstünde ein Nutzen von 22 Euro: Es würden Leben gerettet und Gesundheitsausgaben eingespart.

Mehr Schaden als Nutzen

Ähnlich groß ist die Diskrepanz in der Frage, welche grüne Energiequelle den CO2-Ausstoß am effizientesten bremst. Die Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) kommt zu einem klaren Resultat: Bei der Fotovoltaik fallen durchschnittliche Vermeidungskosten von 846 Euro je Tonne CO2 an, bei Windanlagen sind es lediglich 124 Euro.

Wohin Forscher auch schauen, entpuppen sich vermeintliche Gewissheiten als regelrechte Ökomythen: Biorinder, die auf gerodeten Urwaldflächen in Brasilien grasen, schaden der Umwelt weit mehr als Tiere, die im deutschen Stall gemästet werden. Der Grund: Der Regenwald ist ein wichtiger CO2-Speicher.

Strom und Sprit aus Biomasse, so zeigen Studien, führen unter Umständen zu noch mehr Raubbau als die Ausbeutung des Erdöls. Für die jährlich 550.000 Tonnen Palmöl, die Deutschland heute schon für Biosprit-Projekte einkauft, roden Subunternehmer in Ländern wie Indonesien kilometergroße Flächen Regenwald: Die meterdicken Bäume müssen schnell wachsenden Palmölplantagen weichen.

Es ist nicht alles grün, was Öko heißt. Das gilt vor allem für Bioplastik. Er wird von der Plastiktüte aus Erdöl in puncto Umweltverträglichkeit um Längen übertroffen, so eine US-Studie der Universität in Pittsburgh. Das Resümee: „Die Verarbeitung des Bioplastiks und der Anbau der Pflanzen verschlingen ebenfalls viel Energie und benötigen Unmengen an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.“

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