Olympische Spiele in Sotschi Wie Doping mit Xenon funktioniert

Die Olympischen Spiele in Sotschi sind kaum vorbei, da wird ein neuer Dopingverdacht laut: Nach dem Wachstumsstoff Full Size MGF soll in Russland auch mit Xenon gedopt worden sein. Das Edelgas werde seit Jahren benutzt.

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Russische Sportler sollen nach Informationen des WDR in Sotschi und bei zurückliegenden Olympischen Spielen ihre Leistungsfähigkeit mit einer bisher unbekannten Methode gesteigert haben. Quelle: dpa/dpaweb

Die Gastgeber stellten in Sotschi das erfolgreichste Olympia-Team, sie wurden für ihre 33 Medaillen gefeiert: Doch ging bei den russischen Olympioniken alles mit rechten Dingen zu? Russische Sportler sollen nach Informationen des WDR in Sotschi und bei zurückliegenden Olympischen Spielen ihre Leistungsfähigkeit mit einer bisher unbekannten Methode gesteigert haben. Wie das WDR-Magazin „sport inside“ am Montagabend berichtet, handelt es sich dabei um die Inhalation von Xenon.

Dieses Edelgas bewirkt laut international anerkannter Studien die Ausschüttung des Hormons Erythropoetin (EPO) im Körper. Die Zufuhr von EPO in den menschlichen Organismus ist im Sport verboten. Ebenso werden der nicht-therapeutische Einsatz pharmakologisch wirksamer Substanzen sowie die künstliche Erhöhung der Aufnahme, des Transports oder der Abgabe von Sauerstoff von der Verbotsliste des Codes der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) erfasst.

Über das Edelgas Xenon als im Sport eingesetztes Mittel zur Steigerung der Leistung hatten die Dopingfahnder bisher keine Kenntnis, es könne auch mit bisherigen Testmethoden nicht nachgewiesen werden, da es als Gas keine in Routinekontrollverfahren messbaren Spuren hinterlasse, bestätigte Dopinganalytiker Mario Thevis vom WADA-akkreditierten Kontrolllabor in Köln. Namentlich ist Xenon bisher nicht in der WADA-Verbotsliste geführt. Der ehemalige WADA-Präsident Richard Pound (Kanada) bezeichnet die Inhalation von Xenon als eindeutiges Doping: "So etwas wurde ausschließlich zur Leistungssteigerung entwickelt - für mich ist das Doping."

Erst vor drei Wochen hatte der WDR auf ein neues Dopingmittel hingewiesen, das ebenfalls unsichtbar für die Dopingkontrolleure sei, weil es körpereigenen Wachstumsfaktoren zu ähnlich sei.

Wachstumshormone als Dopingmittel

Die Verabreichung von Xenon dürfte im russischen Team über Jahre breitflächig erfolgt sein. Die Ministerien für Sport und Verteidigung empfehlen in Dokumenten den Einsatz "mit dem Ziel die Leistungsfähigkeit der Sportler zu steigern"- auch weil das Gas "von der WADA nicht beobachtet" würde. In Unterlagen der für die Entwicklung der Methode zuständigen Forschungseinrichtung "Atom-Med-Zentrum" heißt es, dass die Methode auch "für Sotschi" angewendet werden soll und dass, bei den Olympischen Spielen in Athen (2004) und Turin (2006) über 70 Prozent der russischen Medaillengewinner mit Xenon behandelt worden seien. Die Forschungseinrichtung arbeitet nach eigenen Angaben mit zahlreichen Sportarten zusammen, darunter Biathlon, Skilanglauf, Eisschnelllauf sowie Fußball.

Xenon steigert EPO-Produktion

Dopinganalytiker Mario Thevis sagte dem WDR zur von europäischen Wissenschaftlern in Tierversuchen erforschten Wirkungsweise von Xenon: "Innerhalb eines Tages, innerhalb von 24 Stunden war die EPO-Produktion um den Faktor 1.6, auf 160 Prozent, gesteigert worden. Das ist eine eine deutliche Erhöhung. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es im Menschen die gleiche Wirkung ausübt." Neben dem Verdacht der Manipulation mit höheren Epo-Ausschüttungen im Körper geht aus den russischen Dokumenten auch ein weiterer mutmaßlicher Verstoß gegen die Welt-Anti-Doping-Regeln hervor.

In einem staatlichen Dokument heißt es: "Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Inhalationen des Xenon-Sauerstoff Gasgemisches bei mehrmaliger, kontinuierlicher Einnahme zur Steigerung der Konzentration von Testosteron im Blut führt." Testosteron zählt zu den klassischen Dopingmitteln. Die Ausschüttung des männlichen Sexualhormons mit einem Arzneimittel im Organismus zu stimulieren, ist Sportlern nach den Regeln nicht erlaubt.

Der Leiter des russischen "Atom-Med-Zentrums" verneinte gegenüber dem WDR die Wirkung von Xenon auf die Ausschüttung von EPO und generell, dass die Methode Doping sei: "Doping ist es doch dann wenn Spuren von biochemischen Reaktionen bleiben. Wenn das nicht so ist - wie kann es dann ein Dopingmittel sein?" Das Nationale Olympische Komitee Russlands wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Vorwurf äußern.

WADA-Präsident Craig Reedie (Schottland) äußerte sich zu den WDR-Recherchen besorgt und versprach schnellstmögliches Handeln: "Unsere Kommission, die die Verbotsliste überwacht, wird sich der Sache schnell annehmen. Bereits bei ihrer nächsten Sitzung nach Olympia wird das Thema Gas-Inhalation behandelt." Ähnlich äußerte sich der ehemalige WADA-Präsident Richard Pound: "Lassen Sie uns zweifelsfrei feststellen, dass es sich hierbei um Doping handelt und dass es in einem möglichen Verfahren unmöglich wird zu sagen, die Regeln seien nicht klar."

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