Ab 2013 können wir uns alle wie Astronauten fühlen. Im Laufe des Jahres nämlich will das kanadische Startup Urthecast zwei Hightech-Webkameras an der Internationalen Raumstation ISS montieren – die dann Videobilder der Erde aus Satellitenperspektive ins Internet senden. Einem aktiven Vulkan auf Indonesien in den Schlund schauen oder dem Nachbarn in den Garten – bald alles kein Problem mehr.
Denn glaubt man den Ankündigungen des Startups, dann wird das neue Angebot so etwas wie ein Google Earth in Bewegtbildern: Auf einem Webportal können Nutzer neueste Videoaufnahmen von großen Teilen der Erde auf einer Karte anwählen und dann anschauen. Sogar Hineinzoomen soll möglich sein, so dass Objekte bis zu einem Meter Durchmesser sichtbar werden.
Zwar landen die Videos mit zwei bis drei Stunden Verzögerung im Netz, weil die Aufnahmen immer erst zu einer von zehn Bodenstationen gefunkt werden müssen. Doch weltweit wichtige Ereignisse wie Sportevents oder Naturkatastrophen sollen als Video-Aufzeichnung schnell auffindbar sein und sich in sozialen Netzwerken teilen lassen. Und wer mal eben nahezu live über Paris fliegen möchte, kann das bald tun.
Die Geschichte der Mars-Missionen
Dezember 1996 - Das US-Raumschiff „Pathfinder“ startet mit dem Marsrover „Sojourner“ zu unserem Nachbarplaneten. Nach mehreren Fehlversuchen landet mit „Sojourner“ erstmals 1997 ein ferngesteuertes Fahrzeug erfolgreich auf unserem Nachbarplaneten und sendet Daten zur Erde.
Juni 2003 - Der Mars-Landeroboter „Spirit“ der Nasa hebt vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral ab. Im Juli wird nach mehrfachen Startverschiebungen auch sein Zwilling „Opportunity“ losgeschickt.
Januar 2004 - Nach einer mehr als 480 Millionen Kilometer langen Reise setzt „Spirit“ sicher auf dem Mars auf. Das kleine Roboterfahrzeug soll nach Spuren von Leben suchen. Am 1. April findet „Spirit“ Hinweise auf früher existierendes Wasser. Drei Wochen nach „Spirit“ landet auch „Opportunity“ auf der anderen Seite des Planeten.
Mai 2009 - „Spirit“ bleibt im Marssand stecken. Alle Versuche der Nasa, ihn zu befreien, scheitern. Im Mai 2011- rund siebeneinhalb Jahre nach seiner Landung auf dem Mars - nimmt die Nasa Abschied von „Spirit“. Wie die Behörde mitteilt, wird sie ihre Versuche einstellen, Kontakt zu dem Roboterfahrzeug aufzunehmen. Die letzte Kommunikation gab es 14 Monate zuvor.
November 2011 - Der neue Rover „Curiosity“ wird auf die Reise zum Mars geschickt. Er soll sein Ziel am 6. August 2012 erreichen. Der Roboter soll dann nach organischen Materialien suchen und herausfinden, wie lebensfreundlich oder auch -feindlich der Planet einst war und ist.
Januar 2012 - „Opportunity“ ist bereits sensationelle acht Jahre auf dem Mars im Einsatz. Erwartet worden waren nur 90 Tage.
Februar 2012 - Nasa-Chef Charles Bolden gibt bekannt, dass die US-Weltraumbehörde aus Spargründen aus zwei gemeinsam mit der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa geplanten Marsmissionen aussteigt. Dazu gehört eine für 2018 geplante Landung eines Rovers auf dem Planeten, der Gesteine und Boden zur späteren Beförderung auf die Erde sammeln soll.
August 2012 - Im Kontrollzentrum in Kalifornien brachen Jubel und Applaus aus, als das unbemannte Erkundungsfahrzeug am 6. August um 7.32 Uhr (MESZ) im Gale-Krater nahe des Mars-Äquators aufsetzte. „Curiosity“ hat die Größe eines kleinen Autos und wiegt fast eine Tonne – viel mehr als „Spirit“ oder „Opportunity“. Daher gestaltete sich auch die Landung äußerst schwierig. Um die Wucht des Aufpralls abzufangen, wurde die Sonde von einer Art schwebendem, Raketen betriebenem Rucksack abgeseilt, die Halteseile bei der Landung gekappt und der Rucksack in einiger Entfernung zum Absturz gebracht.
Uns erwartet ein spannendes Raumfahrtjahr
Live-Videos aus dem All – das wird nicht die einzige spannende Neuerung aus der Raumfahrt sein, die das kommende Jahr bringt. Auf dem Fahrplan der staatlichen Raumfahrtagenturen und zahlreicher privater Raumfahrtunternehmen stehen dutzende neue Missionen und Testflüge: Sonden, die zum Mars aufbrechen, ein Rover auf dem Mond, Ballons, die Touristen an den Rand des Alls bringen und der Test der größten Rakete der Welt. Es wird ein außergewöhnlich spannendes Raumfahrtjahr.
Die zwölf Männer auf dem Mond
Insgesamt sind sechs bemannte amerikanische Apollo-Expeditionen auf dem Erdtrabanten gelandet: 20. Juli 1969: Apollo 11 setzt im „Meer der Ruhe“ (Mare Tranquilitatis) auf. Am 21. Juli 1969 um 3.56 Uhr (MEZ) landeten Neil Armstrong und Edwin Aldrin auf dem Mond.
19. November 1969: Nur vier Monate später landet Apollo 12 im Oceanus Procellarum. Charles Conrad und Alan Bean betreten die Mondoberfläche.
Die Apollo-13-Mission scheiterte im April 1970. Nach einer schweren Explosion an Bord kehrt die Mannschaft nach einer Mondschleife sofort zur Erde zurück.
5. Februar 1971: Apollo 14 setzt am Landeplatz Fra Mauro auf. Alan Shepard und Edgar Mitchell steigen aus, Shepard spielt Golf auf dem Mond.
30. Juli 1971: An Bord von Apollo 15 landet zum ersten Mal ein Mondauto auf dem Erdtrabanten. David Scott und James Irvin erkunden damit die Umgebung der Landestelle in den Hadley-Apenninen und sammeln fast 80 Kilogramm Gesteinsproben.
21. April 1972: Auf der Descartes-Hochebene setzt Apollo 16 auf. John Young und Charles Duke untersuchen erstmals eine lunare Hochebene und fahren knapp 27 Kilometer mit dem Mondauto.
11. Dezember 1972: Als bislang letztes bemanntes Raumschiff landet Apollo 17 auf dem Mond. Eugene Cernan und Harrison Schmitt erkunden mit dem Mondauto die Taurus-Littrow-Region. Die Kamera des Mondautos filmt den Rückstart von Apollo 17 zur Erde.
Am 15. Februar heißt es aber erst einmal tief Durchatmen, denn die Erde erhält besonderen Besuch aus dem All: Der Asteroid 2012 DA14 wird im Abstand von nur rund 24.000 Kilometern an unserem Planeten vorbeifliegen. Das ist bereits innerhalb des so genannten geostationären Orbits in 35.800 Kilometern Höhe, wo zum Beispiel die Fernsehsatelliten ihre Kreise ziehen. Mit einem Durchmesser von 44 Metern könnte der Brocken beim Aufschlag auf der Erde eine Explosionskraft von 2,4 Megatonnen TNT-Sprengstoff entfalten – rund 150 Mal so viel wie die Atombombe in Hiroshima. Doch Nasa-Wissenschaftler beruhigen: Die Einschlagwahrscheinlich liegt bei null.
Darum schaut die europäische Raumfahrt 2013 ganz entspannt in die Sterne: Mit der Raumsonde Gaia, die vermutlich im September starten wird, will die Europäische Raumfahrtagentur Esa eine dreidimensionale Karte unserer Galaxie zeichnen. Eine Milliarde Sterne sollen die Instrumente der Sonde erfassen – immerhin ein Prozent der gesamten Sternenzahl in unserem Sternensystem. Es wird nichts weniger als der umfangreichste Zensus der Milchstraße. Zusätzlich kartiert Gaia hunderttausende Planetensysteme, Sterne und Quasare außerhalb unserer Galaxie. Die Daten sollen Aufschluss geben über die Entstehung unserer Galaxie und den Aufbau des Universums.
Erforschung des Magnetfelds
In die ganz andere Richtung – auf die Erde nämlich – blickt die Esa-Mission Swarm. Drei identische Satelliten wollen die Europäer im April in verschiedene Erdumlaufbahnen aussetzen, von wo aus ihre Instrumente die Stärke, Orientierung und die Veränderung des irdischen Magnetfelds messen sollen, das uns wie ein unsichtbares Schutzschild vor der lebensgefährlichen Strahlung der Sonne abschirmt, dem so genannten Sonnenwind. Die Daten der Mission sollen Aufschluss darüber geben, wie das irdische Magnetfeld entsteht und warum es sich verändert.
Die US-Weltraumbehörde Nasa wiederum erwartet spannende Neuigkeiten vom Mars, wo der Rover Curiosity sich langsam dem Berg Aeolis Mons in der Mitte des Gale-Kraters nähert. Bisher hat das Gefährt erst wenig mehr als 600 Meter zurückgelegt – der Großteil seiner voraussichtlich 5 bis 20 Kilometer langen Reise steht dem Marsauto also noch bevor. Die spannende Frage: Findet Curiosity Hinweise auf Leben auf dem Mars?
Eine ungewöhnlich Auszeit muss die Marsmission Mitte April nehmen: Dann steht der Mars für kurze Zeit von der Erde aus gesehen genau hinter der Sonne und die Funkverbindung ist gestört.
Bald darauf bekommt der Nasa-Rover Gesellschaft: Im November startet die indische Weltraum-Forschungsorganisation ISRO eine 500 Kilogramm schwere Sonde namens Mangalyaan, die den Mars im September 2014 erreichen und dort in eine Umlaufbahn einschwenken soll. Mit sieben verschiedenen Messinstrumenten, darunter einem Methansensor, wird der irdische Späher den Mars und seine Atmosphäre analysieren und vermessen.
Asiens Aufbruch ins All
Es soll der Auftakt eines asiatischen Aufbruchs in Alls sein. Allein Indien plant im nächsten Jahr zehn Missionen, vor allem Kommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten. China wiederum will nicht nur 20 Satelliten in den Erdorbit katapultieren, sondern in der zweiten Jahreshälfte sogar einen Rover auf den Mond schicken: Mit der Mission Chang’e-3 soll erstmals seit 1976 wieder ein Raumschiff sanft auf der Oberfläche des Erdtrabanten landen.
In einer Ausbuchtung der Tiefebene Mare Imbrium mit dem romantischen Namen Regenbogenbucht soll ein Roboterfahrzeug Bodenproben nehmen, sie vor Ort analysieren und Live-Videobilder zur Erde senden. Wenn alles gut läuft, fährt das Mini-Fahrzeug mit einer Nutzlast von 20 Kilogramm drei Monate lang durch den lunaren Basalt. Es ist der Start einer chinesischen Mondoffensive: Irgendwann nach 2025 will China sogar Astronauten auf den Erdtrabanten bringen.
Besonders markant beim Ausblick auf das kommende Jahr: Der Boom der privaten Raumfahrt. Immer mehr Privatunternehmen drängen mit Großprojekten ins All – allen voran SpaceX, das kalifornische Raumfahrtstartup von Paypal- und Tesla-Gründer Elon Musk. Derzeit sind die Amerikaner das einzige private Unternehmen, das ein Raumschiff ins All fliegen und sicher wieder auf der Erde landen kann. Den ersten kommerziellen Flug bewältige SpaceX im Mai mit seiner Dragon-Kapsel, die 520 Kilogramm Fracht zur Raumstation ISS brachte.
Im kommenden Jahr wollen die Amerikaner zwei weitere Versorgungsflüge zur ISS starten. Spannender aber wird der Test der neuen Trägerrakete Falcon Heavy. Diese Fortentwicklung der Rakete Falcon 9, die Space X derzeit zum Flug ins All benutzt, soll 53 Tonnen Last in den Erdorbit transportieren können – fast doppelt so viel, wie die inzwischen eingemotteten Space-Shuttles in den Erdorbit schleppten. Damit wäre die 70 Meter hohe Falcon Heavy die stärkste Rakete der Welt. 2013 soll sie vom US-Luftwaffenstützpunkt Vandenberg aus zu ihrem Jungfernflug aufbrechen.
Weltraum-Tourismus
Auch Weltraumtouristen können schon mal die Koffer packen – wenn sie genug Geld haben. Denn das spanische Startup Zero 2 Infinity will demnächst Ballonflüge in die Stratosphäre anbieten. Das ganze Vorhaben ähnelt dem jüngsten Rekordflug von Felix Baumgartner, soll aber bei weitem nicht so lebensgefährlich sein: In einer runden, vier Meter breiten Kapsel, die an einem riesigen Heliumballon baumelt, steigen vier Passagiere, begleitet von zwei Piloten, mehrere Stunden lang immer weiter in die Höhe, bis sie 36 Kilometer über der Erde schweben – fast genauso hoch wie Felix Baumgartner bei seinem Rekordsprung mit dem Fallschirm.
Offiziell beginnt der Weltraum zwar erst bei 100 Kilometern, doch die Aussicht dürfte auch aus dem Ballon schon einzigartig sein: Durch ein riesiges Fenster schauen die Passagiere auf die Erde hinab, sehen das dünne blaue Band der Atmosphäre und den gebogenen Horizont. Zwei Stunden lang fahren die Touristen mit dem Ballon durch die Stratosphäre und überblicken ein Gebiet, das 1400 Kilometer weit ist – das entspricht der Distanz von Paris nach Rom.
Dann beginnt der Abstieg – und der ist nicht minder spektakulär als der Aufstieg: Die gesamte Kapsel koppelt sich vom Ballon ab und fällt frei hinab. Bis zu 25 Sekunden lang schweben die Passagiere schwerelos durch die Kapsel. Dann öffnet sich ein riesiger Fallschirm, und die Stratosphären-Fähre segelt langsam hinab. Nach einer halbe Stunde erreicht sie den Erdboden, Airbags unter der Kapsel dämpfen die Landung ab.
Einmal Richtung Weltall, bitte
Im November stieg ein Prototyp schon auf 32 Kilometer Höhe. Ende 2013 will Zero 2 Infinity den ersten Menschen in die Stratosphäre steigen lassen. Dann wird sich zeigen, wie komfortabel der überirdische Ballonflug sein wird. Im Jahr 2014 sollen die ersten Touristen mitfliegen. Flugpreis pro Person: 110.000 Euro, Reservierungen werden bereits angenommen.
Auch Virgin Galactic, das private Raumfahrtstartup des Unternehmers Richard Branson, will die ersten Touristen im Jahr 2014 hoch hinaus bringen, und zwar sogar auf 120 Kilometer Höhe. Sein Raumgleiter SpaceShipTwo wird dazu in 2013 weitere Tests durchführen. Mehr als 500 Interessenten haben einen Platz reserviert. Geplanter Ticketpreis: Mehr als 100.000 Dollar.
Wer preiswerter in die Schwerelosigkeit will, sollte nach Bordeaux in Frankreich reisen: Das Nationale Zentrum für Weltraumstudien CNES bietet dort im kommenden Jahr drei Mal jeweils 40 Interessierten die Gelegenheit, mit einem A300 an einem Parabelflug teilzunehmen. Dabei steigt der Flieger zuerst steil in die Luft, um dann ebenso steil hinab zu fliegen – wobei die Passagiere schwerelos sind wie Astronauten im All. Für 5.980 Euro pro Kopf können die Teilnehmer 15 Parabelflüge hintereinander absolvieren und insgesamt 5 Minuten in der Schwerelosigkeit verbringen.
Es war wirklich nie leichter, sich als Astronaut zu fühlen, als im Jahr 2013. Sofern der Magen das mitmacht.