Nach dem Mond kommt der Mars. Bislang verfolgte die Menschheit lediglich mit, wie Mars-Rover Curiosity Bilder, Zahlen und Fakten vom Roten Planten schickte. Doch die Pläne, Menschen selbst zum Mars zu schicken, werden konkreter.
Während die NASA seit Jahrzehnten forscht, aber noch immer kein Datum nennt, und auch millionenschwere Unternehmer wie Elon Musk an eigenen Missionen tüfteln, prescht eine private Stiftung aus den Niederlanden voran. Mars One will schon in wenigen Jahren zum Mars fliegen und den Planeten sogar besiedeln. Für den Flug ins Ungewisse haben sich angeblich mehr als 200.000 Menschen beworben - obwohl die Rückkehr ausgeschlossen ist.
Das Mars-One-Projekt ist umstritten. Wie es sich finanzieren soll, ob das technische Wissen dafür überhaupt ausreicht und was die potenziellen Marssiedler erwarten wird, ist heiß diskutiert. Der WiWo-Faktencheck prüft, ob die niederländische Vision von Menschen auf dem Mars realistisch oder bloß eine Träumerei ist.
Die Kosten
Der Start des privaten Projekts wurde zunächst mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne bei Indiegogo finanziert und so weltweit bekannt.
Erfolgreich sammelte Mars One von 8151 Unterstützern mehr als 313.000 Dollar ein. Ob es Sponsoren gibt und welche es sind, darüber sagt die Stiftung öffentlich wenig. Zum „Mars Business Club“, der unterstützende Firmen nennt, zählen jedenfalls vor allem kleine Unternehmen aus der Medienwelt – darunter Sonic Voyage (eine niederländische Filmproduktion) oder byte (ein niederländischer Webhosting-Provider). Die großen Global Player, die wirklich finanziellen Rückhalt liefern könnten, fehlen – oder werden zumindest nicht genannt.
Weitere Einnahmequelle sind Spenden und der Mars-One-Fanshop. Außerdem soll ein Fernsehprojekt zur Goldgrube werden. Kameras sollen nämlich die gesamte Mission medial begleitet. Während die Mars-One-Macher von einer wissenschaftlichen Reportagereihe sprechen, nennen Kritiker die Idee gerne „Mars-Big-Brother“ – vor allem weil zunächst eine Tochter des Big-Brother-Erfinders Endemol für das TV-Projekt an Bord war.
So plant die Mars-One-Stiftung
In diesem Jahr soll das Training für die ersten Astronauten beginnen. Dafür soll die Marssiedlung auf der Erde zu Trainingszwecken nachgebaut werden.
Die Versorgungsmission beginnt: SpaceX soll Ausrüstungsgegenstände wie zum Beispiel Solarzellen zum Mars transportieren. Auch der erste Kommunikationssatellit soll in die Umlaufbahn des Mars‘ geschickt werden.
Zwei Mars-Rover sollen auf dem Mars eintreffen. Mithilfe des ersten Rovers soll der richtige Ort für die Mars-One-Siedlung erkundet werden. Der Zweite soll die Landekapseln transportieren. Ein weiterer Satellit soll den Mars umrunden, um eine dauerhafte und stabile Kommunikation zwischen Erde und Mars zu gewährleisten.
Die ersten sechs Dragon-Module - die zukünftigen Habitate - sollen ihren Weg zum Mars machen.
Von den sechs Dragon-Module, zu denen Lebenserhaltungssysteme, Wohnkapseln, eine Lagerkapsel und ein weiterer Mars-Rover gehören, sollen vom Transport-Rover zur Siedlungsstelle gebracht und dort in Betrieb genommen werden, um die Wohnsiedlung bewohnbar zu machen.
Es soll so weit sein: Mit der SpaceX-Rakete sollen die ersten vier Kolonisten auf den Mars geschossen werden und zu den ersten Siedlern auf dem Mars werden.
Die nächsten Module werden zum Mars geschickt. Außerdem soll nach einem Jahr Reise die erste Kolonistengruppe auf dem Mars ankommen, die dann auch die Siedlung in Betrieb nehmen und die Siedlung für die nächste Gruppe Marssiedler aufbauen.
Sechs Milliarden Dollar soll es laut Mars One kosten, die ersten vier Astronauten auf den Mars zu fliegen – inklusive vorausgegangener Ausgaben für die Vorbereitungen und Materialsendungen zum Roten Planeten.
Viele Experten glauben, dass Mars One mit dieser Schätzung vollkommen daneben liegt. Um die Kosten für Raketen, Siedlungsbau und Versorgungstechnik aufzubringen, sei ein Vierfaches nötig. „Wenn man das hochrechnet, dann liegen die Kosten weit über den sechs Milliarden für die Infrastruktur und man liegt auch weit hinter dem Zeitplan“, sagt Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Die NASA etwa geht davon aus, dass ein solches Projekt bis zur Landung der ersten Marssiedler mehr als das Zehnfache des von Mars One angesetzten Betrags kosten dürfte. Eine Studie der Weltraumbehörde von 2009 beziffert die Kosten für eine bemannte Marsmission auf 100 Milliarden Dollar.
Mars-One-Geschäftsführer Bas Landsdorp begründet die Differenz mit einem entscheidenden Detail der Mission: Die NASA berechne eine Rückreise mit ein. „Wenn eine Rückkehr zur Erde geplant ist, müssen viel größere Raketen gebaut und mehr Technik entwickelt werden – etwa ein System um vom Mars aus zu starten.“ Der Verzicht auf den Rückflug mache die Mars-One-Mission einfacher und günstiger. „Das macht unsere Pläne überhaupt erst möglich“, so Landsdorp. „Sowohl in Bezug auf das Risiko, das Finanzielle, aber auch in Hinsicht auf die Technologie.“
Das sehen viele Experten anders. Darunter auch Jaumann: „Wenn Sie unbemannt eine anständige Landemission zum Mars bringen wollen, dann kostet das heute drei Milliarden und ich glaube nicht, dass man Menschen gerade einmal für das Doppelte dort hinbringen kann.“
Selbst wenn Mars One der Kosten-Coup gelingt: Auch die veranschlagte Summe ist trotz Crowdfunding, Spenden, Sponsoren und PR-Lawinen noch immer nicht zusammen gekommen. Das hat bereits massive Auswirkungen auf den Zeitplan.
Ursprünglich sollte die erste Crew 2025 auf dem Mars landen. Weil die aktuelle Finanzierungsrunde allerdings nicht so schnell erfolgreich war, wie gehofft, wurde dieser Termin bereits verschoben – auf 2027. Einen Finanzierungsabschluss gab es noch immer nicht, räumt Mars One ein. Aber bis zum Sommer soll die Finanzierung gesichert sein, sagt Mars-One-Chef Landsdorp.
Die Fernsehsendung
Finanziell und medial wichtig: Mars One soll das Fernsehspektakel schlechthin werden - zum Beispiel mit einer Dokumentationsreihe über die Auswahl der ersten vier Astronauten. Erst im Herbst 2014 sprang jedoch die Produktionsfirma Darlow Smithson als Partner ab. Man sei sich bei finalen Vertragsdetails nicht einig geworden, heißt es von Seiten der Mars-One-Stiftung.
Zweifler munkeln in den Medien, Endemol sei die Geschichte zu heiß geworden – entweder weil die Kritik an der „Big-Brother-Raumfahrtmission“ zu groß war oder den Niederländern klar wurde, dass das Projekt niemals realisiert wird. Aktuell sollen Gespräche mit anderen potenziellen Interessenten laufen – auch im „Mars One Business Club“ finden sich mehrere Medienhäuser. Sie sind aber nicht einmal ansatzweise so groß und einflussreich wie Endemol.
Mars One macht derweil weiter kräftig Werbung für seine Idee und will die Negativpresse abschütteln: „Ich mag den Ausdruck ‚Reality-TV‘ nicht“, sagte Landsdorp im US-Fernsehen. „Er verbindet uns mit Serien wie Big Brother. Ich würde es eher mit den Olympischen Spielen vergleichen. Wir suchen die besten auf der Welt, die etwas machen sollen, was kaum jemand anderes könnte und wir teilen es mit der ganzen Welt.“
Mars One spricht von einem neuen Partner, mit dem man seit November zusammenarbeite. Ein Vertrag ist aber noch nicht unterschrieben. Wer das Fernsehspektakel medial aufbereiten würde, wenn die Mars-One-Mission startete, steht also noch in den Sternen.
Die Mars-Siedler
Jeder könnte im Grunde Astronaut werden – mit dieser Botschaft pries Mars One die Mission an. Die Bewerber meldeten sich über das Internet, füllten einen Fragebogen aus und drehten ein Bewerbungsvideo. Zudem mussten sie Englisch sprechen, intelligent, kreativ und psychologisch stabil sowie älter als 18 Jahre und „gesund“ sein.
Was das bedeutet, ist umstritten. Verschiedene Medien berichten in Berufung auf Teilnehmer, zum Nachweis der Gesundheit reiche ein Nachweis des Hausarztes. Mars One dagegen sagt, dass die Untersuchungen den Medizinchecks der NASA-Astronauten ähnelten. Dies würde bedeuten, dass die Kandidaten tatsächlich auf Herz und Nieren geprüft werden – um jedweden Hinweis auf ein Herzleiden, Krebsrisiko oder Asthma zu erkennen. Inwiefern Vorerkrankung einen Ausschluss-Grund ist, ist nicht bekannt.
202.586 Menschen weltweit folgten laut Mars One dem Aufruf. Davon wurden 100 Kandidaten im Februar 2015 vorgestellt – 50 Frauen und 50 Männer. Die Auserwählten kommen aus der ganzen Welt: 39 vom amerikanischen Kontinent, 31 aus Europa, 16 aus Asien, sieben aus Afrika und sieben aus Ozeanien. Aus Deutschland sind noch zwei Kandidaten im Rennen.
Warum so viele mit Mars One fliegen wollen, lässt sich erst einmal leicht beantworten: Sie träumen von einer Reise ins All und würden vieles dafür tun. Aber zuhause alles aufgeben? Und mit „zuhause“ ist in diesem Fall der Planet Erde gemeint. Denn das Ticket zum Mars gibt es nur One-Way – eine Rückreise ist nicht geplant. Wer also zum Mars fliegt, wird dort sterben.
Unter den letzten hundert sind Studenten genauso wie Familienväter mit kleinen Kindern und sie alle würden ihr Leben auf der Erde aufgeben, um es gegen eine ungewisse Zukunft auf dem Mars zu tauschen. Kritiker hinterfragen, ob diese Menschen auch wirklich fähig sind eine solche Mission auszuführen. Rein körperlich, intellektuell und psychisch. Schließlich gehört mehr dazu gehört als Glück und ein bisschen Verstand, um ins All fliegen zu können – von Weltraumtouristen mal abgesehen. Wer als „echter Astronaut“ etwa zur Internationalen Raumstation fliegt, ist speziell dafür ausgebildet, hat als Wissenschaftler eine gewisse Karriere gemacht, lange trainiert und wartet Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte darauf endlich die Starterlaubnis zu bekommen. Bei den Mars-One-Siedlern gehören berufliche Qualifikationen aber zunächst nicht zu den Auswahlkriterien.
Die Technik
Die zentrale Frage im Realitätscheck der Mars-One-Mission ist die der technischen Machbarkeit: Ist die Raumfahrt in der Lage Menschen lebend auf den Mars zu bringen und dort anzusiedeln? Und: Kann diese private Stiftung aus Holland das finanzieren und auch technisch möglich machen?
Die Fakten lassen sich nachlesen: Zunächst einmal ist Mars One selbst kein Luft-und Raumfahrt-Unternehmen und wird so auch keine Hardware selber bauen. Deshalb soll sämtliches Fachwissen und auch die Techniken eingekauft werden. Geflogen werden soll etwa mit einer SpaceX-Rakete Falcon Heavy. Sie ist eine größere Variante der bereits raumfahrterprobten Falcon 9 und auch laut deutschen Raumfahrexperten theoretisch in der Lage Menschen zum Mars zu transportieren.
Zudem haben zwei große Firmen der Raumfahrtindustrie bekanntermaßen Konzeptstudien für die Mars-One-Mission erarbeitet: Der US-Luft- und Raumfahrtriese Lockheed Martin und die britische Airbus-Tochter SSTL. Bei Lockheed Martin hat Mars One eine Studie für eine Landeplattform für den Mars in Auftrag gegeben.
Grundsätzlich der richtige Schritt, denn der US-Konzern baute auch für die NASA die Phoenix-Landeplattform, die 2008 erfolgreich auf dem Mars aufsetzte. Die Briten von SSTL sind spezialisiert auf kleine Satellitenplattformen. Aus ihrer Werkstatt stammt die Comsat-Plattform, die etwa von der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos genutzt wird.
Allerdings waren beide Unternehmen bislang im Dezember 2013 eben nur mit den Konzeptstudien beauftragt worden. Die Ergebnisse lieferten sie bereits ab. Folgeaufträge scheint Mars One bislang nicht erteilt zu haben. Laut dem auf Raumfahrt spezialisierten US-Nachrichtenmagazin „SpaceNews“ liegen die zwei Robotikentwicklungen auf Eis. Sowohl Lockheed Martin als auch SSTL verwiesen demnach in Statements vom Februar 2015 darauf, dass man auf Rückmeldung warte.
„Daran sehen Sie schon: Mars One geht das Geld aus oder hat selbst kalte Füße bekommen was die Realisierbarkeit betrifft“, sagt Astronaut und Raumfahrtingenieur Ulrich Walter, der an Technische Universität München den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik innehat.
Ein weiterer Knackpunkt: Mars One soll die Ergebnisse der Konzeptstudien im vergangenen Jahr erhalten haben – behielt diese aber unter Verschluss. „Ich möchte wetten, da steht nicht nur Gutes drin“, so Walter.
Allerdings ist mittlerweile fast egal, was die Mars-One-Machern den Studien über die Machbarkeit entnommen haben. Je mehr Zeit vergeht, desto unrealistischer wird der Zeitplan ohnehin. „Die NASA arbeitet seit Jahrzehnten daran, hat viel Erfahrung und Fachleute, die an nichts anderem arbeiten - und dann kommt eine private Stiftung, die zwar gutes Marketing macht, aber von der Technik im Grunde keine Ahnung hat und die will so ein Projekt kurzfristig realisieren“, sagt Walter. „Da glauben sie doch selber nicht dran!“
Diese Technik baut SpaceX
Dragon ist das SpaceX-Raumschiff, mit dem die Falcon-9-Rakete startet. Dravon V1 heißt das erste Modell der Dragon-Kapsel, das nur für den Tranpsort von Fracht geeignet ist. Die Dragon V2 hingegen soll demnächst auch Menschen befördern können. So sollen bis zu sieben Personen zur Internationalen Raumstation (ISS) befördert werden. Erstmals startete die Dragon-Kapsel im Dezember 2010. Sie hat ein Volumen von 10 Kubikmetern und eine Nutzlast von mehr 3.000 Kilogramm.
Die Falcon 9 ist eine Trägerrakete, die SpaceX für eine Nutzlast im Orbit von rund 10 und 50 Tonnen entwickelt hat und auch einsetzt. Im Rahmen des Versorgungsprogramms der Internationalen Raumstation ISS wird die Rakete in Verbindung mit dem Dragon-Raumschiff genutzt. Außerdem wird sie kommerziell genutzt. Der erste Start war im Juni 2010.
Die Falcon Heavy ist die neue Riesenrakete von SpaceX die 2015 das erste Mal starten soll. Damit wäre sie dann die stärkste Rakete der Welt. Sie soll mehr als 53 Tonnen in den Orbit befördern können. Sie ist auf der bereits vielfach erfolgreichen Falcon-9-Rakte aufgebaut. 27 Motoren treiben sie an. Zum Vergleich: Wenn sie zündet, ist das vergleichbar mit einer Kraft von rund 15 Flugzeugen des Modells 747. Es gibt nur eine Rakete, die mehr Leistung brachte: die Saturn V Mondrakete, die zuletzt 1973 flog. Die Falcon Heavy ist speziell dafür entwickelt worden, um Menschen ins Weltall zu bringen - ein denkbares Ziel wäre eine bemannte Mond- oder Marsmission.
SpaceX hat aktuell ein konkretes Ziel: Rakten so wieder zu landen, dass sie wiederverwendet werden können, um so die Kosten der Raumfahrt zu senken. Der Faktor wäre enorm: SpaceX könnte sie so um den Faktor 10 senken, heißt es. Dazu wurden der Grasshopper und die Falcon 9 Reusable Development Vehicles (F9R Dev) entwickelt. Es sind experimentelle Raketen für sogenannte suborbitale Flüge - sprich unterhalb des Orbits. Mit ihnen wird derzeit getestet, wie eine Rakete nach dem Start wieder kontrolliert und sicher auf der Erde gelandet werden kann. Erfolgreich waren die Test darin, dass die Rakete aus dem All zurück in die Atmosphäre und auf eine relativ kleine Landeplattform zugesteuert werden kann. Beim Versuch, die Rakete auf einer im Ozean schwimmenden, unbemannten Plattform landen zu lassen, scheiterten die Tests aber bislang. Im April 2015 war es beispielsweise nicht gelungen, die Geschwindigkeit der Rakete so stark zu reduzieren, dass sie auf den Landefüßen zum Stehen kommen konnte. Sie kippte um und zerschellte.
Denn eigentlich wissen die Raumfahrtexperten, wie die Menschen mit der derzeitigen Technik zum Mars, dort überleben könnten und auch wieder zurückkämen. Praktisch ist das Unterfangen aber noch zu heikel. „Unter den momentan gültigen Standards in der Weltraumfahrt ist das so nicht möglich“, glaubt Jaumann. „Theoretisch wird Mars One sagen, die Technologie ist da. Ich sage, die Verlässlichkeit der Technik, die Reparatur-Möglichkeiten sind so gering, dass sie nicht einmal einen Monat überleben - und wir beide haben recht“, sagt auch Walter. „Was theoretisch machbar ist, kann in der Praxis tödlich sein.“
Das Mars-Leben
Länger als 437 Tage war noch nie ein Mensch im Weltall und schon diese Zeit hat Auswirkungen auf den Körper: die Muskeln bauen ab und müssen deshalb regelmäßig und intensiv trainiert werden. Die Herzwände werden dünner, das Immunsystem fährt runter. Nach der Rückkehr zur Erde, gleicht der Körper den Abbau wieder aus - aber wenn man dort bleibt?
Aktuell überprüfen Wissenschaftler mit dem eineiigen Zwillingspaar Mark und Scott Kelly, was sich genau durch die Zeit im Weltall verändert: Während Mark Kelly auf der Erde bleibt, verbringt Scott Kelly ein Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS. Nach seiner Rückkehr soll geprüft werden, ob und inwiefern sich die Zwillinge unterschiedlich entwickelt haben.
„Zum ersten Mal kann so auch untersucht werden, ob sich durch den langen Aufenthalt im All auch die Gene eines Menschen ändern“, sagt Rupert Gerzer vom DLR. Das könnte dann auch ein Hinweis darauf sein, was den Reisenden bevorsteht, die schon sechs bis zehn Monate bis zum Mars bräuchten – und dann dort bleiben sollen.
Die nächste Hürde: Wo leben? Autarke Habitate will Mars One in der toten Marswüste absetzen. Quasi Container, die von der Rakete abgekoppelt werden. Zunächst sollen dafür sechs der sogenannten Dragon-Module, zu denen Lebenserhaltungssysteme, Wohnkapseln und eine Lagerkapsel gehören, von Mars-Rovern an eine geeignete Stelle transportiert werden. Auf kleinstem Raum soll dann das gesamte Leben stattfinden, denn außerhalb der Habitate ist Überleben unmöglich.
Dabei ist das Klima noch das geringste Problem: Forscher schätzen die Temperaturen auf dem Mars auf durchschnittlich -55 bis +27 Grad Celsius – der Erde also gar nicht so unähnlich.
Allerdings gibt es auf dem Mars keinen Sauerstoff. Hier soll eine innovative Technologie genutzt werden: ein künstliches Blatt. Die Idee: Aus echten Pflanzen werden sogenannte Chloroplasten – die Zellen zuständig für die Photosynthese – genommen und mit Seidenprotein kombiniert. Dadurch entstehe ein Prozess, der mit der Photosynthese vergleichbar ist. Mithilfe dieses „Blattes“, Wasser und Licht soll also auch auf dem Mars Sauerstoff produziert werden können.
Fakten zum Mars
6794 Kilometer
0,0107 (Erde =1)
3,93 Gramm pro Kubikzentimeter
687 Tage
Bisher sind zwei Monde bekannt.
Der Ansatz klingt gar nicht so schlecht. Aber: Doktoranden des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben die gesamten Versorgungspläne für die Marssiedlung durchgerechnet und auf ihre Machbarkeit überprüft. Im Herbst 2014 stellten sie ihr Ergebnis vor. Demnach würde der erste Marssiedler nach rund 68 Tagen sterben, weil die lebensnotwendige Versorgung nicht gewährleistet wäre beziehungsweise Probleme bereite.
Schwierigkeiten gibt es gleich mehrere: Durch die Pflanzen zur Sauerstoffproduktion steigt der Druck in den Habitaten. Das wäre gefährlich für die Missionsmitglieder. Zudem erhöhe sich durch den Pflanzenanbau (für Sauerstoff und Nahrung) die Feuergefahr, wenn nicht manuell Stickstoff ergänzt werde – der müsste dafür aber von der Erde angeliefert werden.
Liefert man Stickstoff und Nahrung, um die Probleme zu umgehen, müssten alleine 15 Raketen zum Mars starten, um die Kolonie zehn Jahre zu erhalten. Zudem müssten 62 Prozent der ursprünglich transportierten Masse aus Ersatzteilen bestehen. Bei den aktuellen Planungen Mars Ones vollkommen unmöglich.
Tödliche Strahlung
Neben der künstlichen Versorgung der Menschen gibt es aber noch zwei weitere Faktoren, die das Leben auf dem Mars erheblich verkomplizieren, denn der Mars-Rover Curiosity hat Forschern vom Mars Informationen geschickt, die Siedler warnen sollten: die kosmische Strahlung und die Sonnenwinde sind tödlich.
Da der Mars anders als die Erde keine dichte Atmosphäre hat, und auch nicht von einem Magnetfeld umgeben wird, ist die für Menschen schädliche kosmische Strahlung viel höher. Das Krebsrisiko stiege für die Marssiedler enorm an. Messungen von Curiosity zwischen 2012 und 2013 ergaben, dass schon nach ein paar Monaten die Strahlen-Dosis für Astronauten auf dem Mars die Grenze von 1000 Millisievert überschreiten würde – für europäische Raumfahrer ist das momentan der absolute Grenzwert. Haben sie den erreicht, dürfen sie nicht mehr fliegen, weil diese Belastung für das ganze Leben reiche. Auf dem Mars wären dann gerade einmal ein paar Monate vergangen.
„Man muss sich fragen, ob es eigentlich moralisch ist, die Menschen dort hinauf schicken ohne ihnen eine Rückfahrt zu ermöglichen“, sagt Jaumann. Auch Gerzer bezeichnet die Mission für moralisch fragwürdig: „Also ich halte das für extrem unethisch so etwas jetzt zu planen, so dass ich mich wundern würde, wenn ein Land so etwas starten lässt.“
Mars-One-Chef Lansdorp hat die MIT-Berechnungen gegenüber der US-Zeitung „The Atlantic“ zurückgewiesen. Weil die Wissenschaftler nicht detailreich genug über Zahlen und Fakten informiert gewesen seien, da Mars One sie aus Zeitgründen nicht unterstützen konnte, wären sie zu falschen Ergebnissen gekommen. Details dazu, was an den MIT-Ergebnissen genau falsch sei, nannte Lansdorp allerdings nicht.
Die Seifenblase
Die Mars-One-Idee ist aufgrund der Ungereimtheiten und zu optimistischen Planungen bei vielen schon als Betrug verschrien, der Weltraum-Fantasten Geld aus der Tasche ziehen soll. „Ich würde sagen, das ist eine absolut perfekter PR-Idee und ich kann mich sicherlich täuschen, aber ich denke, Mars One wird nicht über das Auswahlverfahren herauskommen“, schätzt Jaumann. Was am Ende wirklich konkret geplant und auch umgesetzt wird und was nur schöne Illusion ist, wird sich im Laufe der nächsten Jahre zeigen. Denn die Technik ist eben einfach noch nicht so ausgereift, wie sich die Mars-One-Stiftung ihre Mission ausmalt. Hinfliegen können sie mit den Raketen von SpaceX problemlos - daran haben auch die deutschen Raumfahrtexperten keine Zweifel, aber um Menschen dort tatsächlich anzusiedeln, sind die Entwicklungsstandards noch nicht ausreichend entwickelt.
Eine Siedlung auf dem Mars wird es aber wohl auch mit Mars One so schnell nicht geben. Da helfen auch die geschliffenen Worte des Mars-One-CEOs Landsdorp nicht: „Die Leute möchten, dass dies klappt und es ist meine Überzeugung, dass es ok ist, wenn es länger dauert. Solange wir zeigen, dass es in die richtige Richtung vorangeht, dass wir die richtigen Unternehmen beauftragen und die Verträge abschließen können, dann kann die Welt auch akzeptieren, wenn wir die Menschheit mit etwas Verspätung zum Mars bringen.“
Die Menschheit wird eines Tages tatsächlich auf dem Mars landen – da sind sich die Raumfahrtexperten einig. Bis dahin müssen aber Hürden überwunden werden, die ein noch so ambitioniertes Team wie Mars One es ist nicht meistern kann.
„Ich gehe davon aus, dass zunächst eine Mondstation gebaut wird, bevor es eine Marsstation geben wird“, so Gerzer. Er hält 2040 oder 2050 für eine realistische Schätzung für eine bemannte Marsmission – allerdings wahrscheinlich durchgeführt von der NASA. Und mit Rückflug.