Problemflügel am A380 Flugzeugbau am Limit

Wegen der Haarrisse verpasst Airbus dem A380 neue Flügel. Das Konstruktionsproblem zeigt einmal mehr, wie sehr die Flugzeugbauer technisch an ihre Grenzen stoßen.

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Der Airbus A380 ist das größte Passagierflugzeug der Welt. Doch Haarrisse in den Tragflächen zeigen einmal mehr, wie sehr die Flugzeugbauer technisch am Limit arbeiten. Quelle: dpa

Um die Probleme mit feinen Haarrissen in den Flügeln des A380 endgültig zu lösen, will Airbus die Produktion ändern. Die Umstellung der Flügelproduktion soll zum Jahresende erfolgen, berichtet die „Financial Times Deutschland“.

Für Airbus ist das Problem schon jetzt teuer: Mehr als 100 Millionen Euro kosteten die Reparaturen bereits, darüber hinaus drohen Schadensersatzforderungen von den Fluggesellschaften für die Umsatzausfälle. Auch die Auslieferung könnte sich verzögern, zuletzt forderte Qatar Airways eine Verschiebung, bis es eine dauerhafte Lösung gäbe. Auch andere Fluglinien dürften auf die neue Variante drängen, doch die ersten Modelle mit den neuen Tragflächen sollen erst zur Jahreswende 2013/2014 fertig werden.

Kaum zu beziffern ist zudem der Imageschaden, denn auch wenn EADS und Flugsicherheitsbehörden mehrfach bekräftigten, die Haarrisse würden die Sicherheit nicht in Frage stellen, bleiben bei den Kunden Zweifel.

Flugzeugbauer in der Kostenfalle

Das Konstruktionsproblem beim größten Passagierflugzeug der Welt zeigt zudem einmal mehr, wie sehr die Flugzeugbauer technisch am Limit arbeiten. Denn da die Kosten für Flugbenzin und Umweltauflagen immer weiter steigen, verlangen die Fluggesellschaften nach immer sparsameren und zugleich größeren Fliegern.

Die jüngsten Sparmaßnahmen bei der Lufthansa und die Pleiten verschiedener Airlines zeigen, wie schwierig das Geschäft geworden ist. Denn einerseits konnten Lufthansa & Co. ihre Passagierzahlen in den letzten Jahren jährlich im Schnitt um fünf Prozent steigern. Weil aber andererseits der Spritverbrauch nur um gut ein Prozent pro Jahr sank, nehmen in Summe die von Fluggesellschaften verursachten Emissionen zu. Und damit auch die Kosten.

Wo Airbus im Vergleich mit Boeing schwächelt
Airbus A380 auf einem Flughafen in Sharm El Sheikh: Der Mutterkonzern EADS blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Die jüngsten Umsatzzahlen und die vollen Auftragsbücher von EADS sind beeindruckend. Aber auch diese positive Entwicklung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der größte europäische Luft- und Raumfahrtkonzern ein Problem hat, das weit über den Streit um die deutsch-französischen Eigentümerstrukturen und den Wechsel an der Konzernspitze hinausgeht: den Mangel an Profitabilität. Quelle: Reuters
Zwar konnte die EADS im Jahr 2011 den US-Rivalen Boeing mit gut 1 500 Neubestellungen deutlich hinter sich lassen. Doch auch mehr als ein Jahrzehnt nach seiner Gründung ist EADS noch nicht auf Augenhöhe mit den US-Rivalen. Quelle: Reuters
Ein Eurofighter des europäischen Rüstungskonzerns: EADS macht zwar viel Umsatz, verdient damit bisher aber kaum Geld. Nach neun Monaten 2011 lagen die Umsätze bei 32,7 Milliarden Euro, 3,6 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die operative Marge lag nach neun Monaten 2011 aber nur bei knapp drei Prozent. Mehr erwarten Analysten laut Datenanbieter Bloomberg auch für das Gesamtjahr nicht. Quelle: Reuters
Konkurrenzprodukt Boeing 777: Der amerikanische Hersteller kam von Januar bis September 2011 auf Umsätze von 49,2 Milliarden Dollar (36,2 Milliarden Euro) – nicht wesentlich mehr als EADS. Die operative Marge war aber deutlich höher. Sie lag bei 8,6 Prozent. Quelle: dapd
Der Grund für das schlechte Abschneiden von EADS: Der Konzern ist in starkem Maße abhängig von seiner größten Tochter Airbus. Diese steuert mit dem zivilen Flugzeuggeschäft – nur ein verschwindend geringer Anteil produziert Militärflugzeuge – zwei Drittel zum Konzernumsatz bei. Quelle: dpa
Weil Verzögerungen beim Riesenflieger A380 sowie beim Militärtransporter A400M und die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 immer wieder auf die Kosten drücken, lag die operative Marge nach neun Monaten 2011 aber nur bei 1,4 Prozent. Quelle: dpa
Kampfflugzeug F-15 von Boeing: Bei dem US-Hersteller machen Passagier- und Frachtflugzeuge dagegen nur die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Die operative Marge lag im September aber bei deutlich höheren 9,9 Prozent. Quelle: dpa

Eine der wichtigsten Stellschrauben, um Spritverbrauch und damit Kosten zu reduzieren, ist das Gewicht. Und so ist auch beim Flügelproblem eine der entscheidenden Fragen, wie sich die Konstruktion auf das Gesamtgewicht auswirkt.

Die vor Monaten entdeckten Risse im Inneren der Tragflächen treten an einem speziellen Bauteil auf. Dabei handelt es sich um eine Art Klammer im Inneren der Flügel, die die „Außenhaut“ mit den „Rippen“ verbindet, in jedem Flugzeit sind etwa 4000 dieser Halteklammern eingebaut.

Künftig soll dafür eine andere Metalllegierung verwendet werden. Doch die Fluggesellschaften hatten gefürchtet, die Konstruktionsänderung könnte zu einem Mehrgewicht von etwa 90 Kilogramm führen. „Die Lösung wird das Gewicht des Flugzeugs nicht erhöhen“, beruhigt nun ein A380-Experte in der „FTD“.

Airbus muss auch Nieten tauschen

Eine Änderung, die aber auch nicht ins Gesamtgewicht fallen dürfte, muss Airbus auch an anderer Stelle vornehmen: Die Flugsicherheitsbehörde EASA hatte im Februar vorgeschrieben, sechs Aluminiumnieten an der Flugzeugspitze durch festere Titanverbindungen zu ersetzen.

Wie sehr die Ingenieure an die Grenzen des technisch Machbaren gehen, zeigt sich auch an anderen Stellen, insbesondere an den Triebwerken – die nach einer Explosion und einem Beinahe-Absturz in Indonesien im Vorjahr das Sorgenkind des A380 waren.

Komplexe Probleme beim Triebwerksbau

Meilensteine der Triebwerksentwicklung
Legendäre Dornier-Modellfiguren im Museum, darunter die Dornier Do X (Mitte)
Lockheed Super Constellation
Boeing 707
Boeing 747
Concorde der British Airways
Boeing 777
Airbus A350

„Um den Verbrauch zu senken, drücken wir die Gesetze der Physik immer näher ans Limit“, sagt Rolls-Royce-Chef Sir John Rose. Mit bis zu 20 Millionen Euro pro Stück sind die Triebwerke dabei nicht nur der teuerste, sondern auch der technisch anspruchsvollste Teil eines Flugzeugs. Vor allem die Temperaturregelung ist eine extreme Herausforderung, denn in den Turbinen herrscht eine Art kontrolliertes Dauerinferno: Im Extremfall drehen sich dort Zahnräder bei 40 Atmosphären Überdruck 1500 Stundenkilometer schnell. Dabei entwickeln die Turbinen eine Kraft von umgerechnet 50.000 PS und Temperaturen von 1600 Grad. Würden die Metallteile nicht ständig gekühlt, sie würden schmelzen wie Eiswürfel in heißem Kaffee.

Turbinenexplosion zeigt technische Risiken

Doch nicht nur bei der Temperatur kommt die Technik an ihre Grenzen. Bereits im Sommer explodierte eine Rolls-Royce-Turbine im Testbetrieb. Aus Sicht von Experten bekam ein Teil zu wenig Öl und wurde so heiß, dass es sich verzog und dann explodierte. Auch die immer größeren Blätter des Fan genannten vorderen Schaufelkranzes kommen an ihre Grenzen, weil sie an den äußeren Punkten Überschallgeschwindigkeit erreichen.

Zwar haben die Ingenieure viel erreicht. Heutige Modelle wie der Airbus A380 machen im Vergleich zu einer Boeing 707 aus den Fünfzigerjahren nur noch ein Sechstel des Lärms und brauchen statt knapp zehn keine drei Liter Kerosin, um einen Passagier 100 Kilometer weit zu fliegen. Gleichzeitig halten die meisten Antriebe mehr als 20 Jahre.
Nun aber ist die Branche an einem Punkt, an dem es immer schwerer wird, die Technik zu verbessern: „Früher gab es Verbesserungen beim Verbrauch von einer Generation zur anderen von 30 Prozent, jetzt sind zweistellige Verbesserungen schwerer zu erreichen“, sagt Analyst Dimitroff.

Doch die Luftfahrtbranche steht vor dem größten Umbruch seit Jahren: Einerseits steigt der Preis des Flugbenzins. Zugleich drohen Airlines immer strengere Umweltauflagen. So stecken die Flugzeugbauer in einer Zwickmühle aus Kostenvorgaben, hohen Sicherheitsanforderungen, Innovationszwang und geringerem technischen Optimierungsspielraum.

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