
Mit großer Mehrheit hat das Europäische Parlament in seiner aktuellen Plenarsitzung die Tabakprodukte-Richtlinie angenommen. Dabei ging es auch um die umstrittenen elektronischen Zigaretten, die zwar keinen Rauch entwickeln, aber Nikotin und Aromastoffe verdampfen, so dass die Dämpfe eingeatmet werden können.
Seit Jahren tobt Herstellern, Verbrauchern und nationalen Gesundheitsbehörden ein heftiger Streit darüber, wie diese E-Zigaretten rechtlich einzustufen sind: Sind es reine Genussmittel, die frei verkäuflich ohne Altersbeschränkung wie Schokolade und Bonbons auch an Minderjährige verkauft werden dürfen? Oder ist das "Dampfen" dem echten – und krebserregenden – Rauchen von zuvor verbrannten Tabakblättern gleichzustellen? Oder sollte die neue Art des Nikotingenusses wie ein Arzneimittel reguliert und E-Zigaretten nur in Apotheken verkauft werden. Schließlich ist Nikotin ein stark wirksames Nervengift.
Nun haben die Europaabgeordneten sich darauf geeinigt, dass die E-Zigaretten zukünftig zwar stärker reguliert, aber nicht als Arzneimittel eingestuft und damit apothekenpflichtig sein sollen.
Eine strenge Regulierung wird gebraucht
Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese ist mit dem Abstimmungsergebnis sehr zufrieden. Denn er glaubt: "Ein Umstieg auf die E-Zigarette kann gesundheitliche Schäden reduzieren, denn diese enthält zwar Nikotin, aber nach allem, was wir heute wissen, sind die Schäden, die durch andere Produkte des Tabakrauchens entstehen, durch E-Zigaretten nicht zu erwarten."
Da aber die E-Zigarette laut CDU-Gesundheitsexperten Liese aber auch kein normaler Gebrauchsgegenstand wie ein Radiergummi oder eine Tischdecke sei, brauche es eine strenge Regulierung. Denn es sei sehr besorgniserregend, dass "Hersteller sich teilweise gezielt an Jugendliche richten". Ziel der Gesetzgebung soll es sein, Menschen gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen zu lassen, ganz gleich ob klassisch Schmauchend oder elektronisch Dampfend.
Die wichtigsten Fakten zur E-Zigarette
Bei jedem Zug verdampft ein Brennelement ein sogenanntes Liquid. Dieses kann Nikotin in verschiedenen Konzentrationen enthalten - es gibt sie aber auch nikotinfrei. Außerdem können alle erdenklichen Aromen zugesetzt sein. Um die Illusion perfekt wirken zulassen, glüht bei manchen Modellen eine Leuchtdiode an der Spitze auf.
Wissenschaftliche Beweise gibt es nicht. Sicher ist, dass Nikotin schnell süchtig macht. Die Elektro-Kippen sind wenig erforscht, Auswirkungen möglicher Schadstoffen unbekannt, sagen Kritiker. Auch ist unklar, was dem Konzentrat beigemischt ist. Das wissen nur die Hersteller. Nachfragen bleiben mit Verweis aufs Betriebsgeheimnis unbeantwortet. Die US-Kontrollbehörde FDA fand im Jahr 2009 giftige Substanzen in Proben - darunter krebserregende Nitrosamine. Gegen eine hohe Qualität der E-Zigaretten spreche auch der variierende Nikotingehalt in den Kapseln. Auch in als nikotinfrei deklarierten Patronen konnte mitunter Nikotin gefunden werden.
Die gesundheitlichen Folgen für E-Dampfer und passive "Mit-Atmer" sind in der Wissenschaft äußerst umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte zuletzt im Februar 2012 betont, dass Gefahren für Dritte „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen“ seien. Es gebe so viele verschiedene Flüssigkeiten, die sogenannten Liquids, dass fraglich sei, was ein Nutzer im konkreten Fall tatsächlich inhaliere.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum spricht von einem erheblichen Forschungsbedarf und fordert geeignete wissenschaftliche Studien.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte im Juli 2014, Rauchverbote auch auf E-Zigaretten zu übertragen - mit einer Einschränkung: Diese Empfehlung gelte nur, solange nicht belegt sei, dass der Dampf für Umstehende ungefährlich ist.
Behörden, Forscher und Politiker warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren – sowohl für die E-Dampfer, als auch für die Passiv-Dampfer. Sie wollen die Rauchverbotszonen auch zu dampffreien Zonen machen. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am 4. November 2014, dass Wirte ihren Gästen weiter den Konsum von elektrischen Zigaretten erlauben dürfen - zumindest in Nordrhein-Westfalen. Das strenge Nichtraucherschutzgesetz in NRW gelte nicht für die Verdampfer. Weil bei E-Zigaretten kein Tabak verbrannt werde, handele es sich nicht um Rauchen, argumentierten die Richter. Zudem seien die Gefahren für Dritte nicht mit denen des schädlichen Zigarettenqualms vergleichbar (Az.: 4 A 775/14).
Das Oberverwaltungsgericht Münster befasste sich im September 2013 mit dem Verkauf von E-Zigaretten. Die Richter entschieden damals in einem Grundsatzurteil, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten weiterhin außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen. Die Produkte seien keine Arzneimittel. Der freie Handel und Verkauf von Produkten rund um E-Zigaretten ist damit nicht strafbar. Das NRW-Gesundheitsministerium hat dagegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
E-Zigaretten erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Laut dem Portal Statista wurden im Jahr 2010 fünf Millionen Euro auf dem E-Zigarettenmarkt umgesetzt - 2013 waren es schon 100 Millionen Euro. Für 2014 werden 150 bis 200 Millionen Euro erwartet.
Nach der jetzt verabschiedeten Richtlinie müssen die Hersteller den zuständigen Behörden zukünftig eine Liste aller Inhaltsstoffe und aller resultierender Emissionen mitteilen. Der E-Zigarette muss ein Hinweis beiliegen, dass es Nichtrauchern nicht empfohlen wird, das Produkt zu nutzen. Außerdem soll es spezielle Warnhinweise für spezifische Gruppen, wie schwangere oder stillende Frauen, geben. Auf der Verpackung sollen Warnhinweise angebracht werden, in denen klar gestellt wird, dass das Produkt Nikotin enthält und das Nikotin abhängig macht. Der Verkauf von E-Zigaretten soll nicht für Personen unter 18 Jahren gestattet sein und die E-Zigarette darf nicht unter dem bekannten Markennamen von Zigaretten wie Camel oder Marlboro angeboten werden. Für die Werbung von E-Zigaretten gelten die gleichen Beschränkungen wie für Tabak.
E-Zigarette ist kein reines Genussmittel
Noch ist die Richtlinie aber nicht rechtskräftig, sie muss in den nächsten Wochen noch mit der Europäischen Kommission abgestimmt werden.
Das vor wenigen Wochen ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Münster dürfte allerdings in jedem Fall in Kürze hinfällig sein. Die Richter des OVG hatten E-Zigaretten als reines Genussmittel eingestuft. "Es gibt keine Dosierungsanleitung, die Aromen sollen Spaß machen", begründete der Vorsitzende Richter Ulrich Lau damals die Entscheidung.
Doch diese lockere Einstufung wird nach Einschätzung von EU-Parlamentarier Liese keinesfalls am Ende der für Frühjahr 2014 erwarteten Abstimmungen zwischen Parlament und Kommission stehen. Denn der ursprüngliche Vorschlag Kommission sah vor, die elektronischen Zigaretten als Arzneimittel einzustufen. Die Mitgliedsstaaten unterstützen diese Position. "Im Zweifelsfall wird die Regelung schärfer, nicht legerer", so Liese.