Raumfahrt Goldgräber im Weltall

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Das Solarkraftwerk im All

Ein Roboter baut ein Solarkraftwerk 36.000 Kilometer über der Erde

Kommerziell interessant sind vor allem kohlenstoffhaltige Himmelskörper, kurz C-Asteroiden. Sie bestehen oft zu 20 Prozent aus Wasser. Und sie sind sehr porös, lassen sich also recht leicht auseinanderbrechen. Allein der Sieben-Meter-Asteroid 2008 HU4 enthält vermutlich 100 Tonnen der wertvollen Substanz. Ein 50-Meter-Brocken lieferte sogar mehr Treibstoff, als das komplette Space-Shuttle-Programm der USA verfeuert hat, rechnet Planetary Resources vor.

Dieses Reservoir will das Startup nun anzapfen: Die Amerikaner planen die erste Tankstelle im Weltraum. Raumschiffe sollen künftig bei halbem Füllstand von der Erde starten und erst an der schwebenden Raststätte volltanken, bevor sie die Ausfahrt zum Mond oder zum Mars nehmen. „Treibstoffdepots im All sind derzeit die einzig realistische Variante für kommerziellen Rohstoffhandel im All“, sagt Markus Landgraf, Missionsplaner bei der Esa.

Ein geeigneter Standort für die interplanetare Zapfsäule wäre einer der fünf sogenannten Lagrange-Punkte: Objekte, die sich an diesen Stellen befinden, halten sehr lange die gleiche Position relativ zu Erde und Mond. Der Grund: Die Anziehungskräfte beider Himmelskörper und die Zentrifugalkraft des Satelliten gleichen sich dort nahezu vollständig aus. Nur hin und wieder müsste die Weltraumtankstelle ihre Position mit Düsenkraft korrigieren.

Ab dem US-Raumfahrtbahnhof Cape Canaveral bräuchten Astronauten bis zum nächsten Gleichgewichtspunkt, der sich kurz vor dem Mond befindet, keine drei Tage Flugzeit. In dort stationierten Weltraumfabriken könnten in ferner Zukunft Roboter und 3-D-Drucker Teile für Raumstationen, Space Shuttles oder eben für Fotovoltaikmodule schmieden. Solarzellen werden auch auf der Erde im Vakuum erzeugt.

Stellarer Sonnenstrom

Ein erstes Sonnenkraftwerk im geostationären Orbit könnte schon in zehn bis zwölf Jahren rund um die Uhr Strom erzeugen, ohne dass sich ein Wölkchen vor die Sonne schiebt, glaubt John Mankins, Chef der kalifornischen Technologieberatung Artemis. Per Mikrowellenstrahl ließe sich die Energie mit heute im Labor verfügbarer Technik zu Empfangsantennen auf dem Erdboden beamen.

Das jedenfalls ergab eine Studie der internationalen Weltraumorganisation International Academy of Astronautics unter Mankins’ Leitung. Gefertigt aus außerirdischem Material, könnte Satellitenstrom eines Tages weniger als zehn US-Cent pro Kilowattstunde kosten, hofft Mankins. Fast so billig wie Kohlestrom.

Doch ob stellarer Sonnenstrom, Weltraumwerft, fliegende Zapfsäule oder Asteroidenbergwerk – glaubt man den Wissenschaftlern, ist die entscheidende Hürde weniger die Technik als die Finanzierung: „Über Jahrzehnte hinweg wird es möglich sein, die nötige Infrastruktur im All zu entwickeln“, sagt DLR-Fachmann Kührt. „Die Frage ist nur, ob die vielen Milliarden Euro, die man dafür braucht, auch zusammenkommen.“

Suche in der Finsternis

Immerhin: Unter den Investoren von Planetary Resources sind mehrere Multimilliardäre. Zudem besitzen die Co-Gründer Anderson und Diamandis mit Space Adventures ein eigenes Weltraumunternehmen. Seit 2001 chauffieren sie Touristen zur ISS, im Jahr 2015 wollen sie sogar eine neuntägige Reise rund um den Mond ins Programm nehmen. Unter der Leitung von Chris Lewicki, zuvor Chef der Nasa-Marsmissionen Spirit und Opportunity, wollen die Gründer nun vielfach preiswertere Techniken entwickeln, um den Asteroidenabbau lukrativ zu machen.

Zunächst muss das Team aber Ausschau nach weiteren geeigneten Himmelskörpern halten. Und das ist in der Finsternis des Kosmos gar nicht so leicht. DLR-Experte Kührt hat berechnet, dass ein sieben Meter großer Block wie 2008 HU4 in nur einer Millionen Kilometer Entfernung gerade mal so viel Sonnenlicht reflektiert, dass Astronomen mit ihren Teleskopen genauso von Dresden aus eine Kerze im 1000 Kilometer entfernten Rom suchen könnten. Zu entdecken sind die Winzlinge nur, wenn das Sonnenlicht sie frontal trifft wie den Mond bei Vollmond – und gerade keine Wolken am Himmel stehen.

Aber das soll sich bessern. Um mit klarerem Blick ins All zu spähen, wollen die Weltraumunternehmer von Planetary Resources in spätestens zwei Jahren Teleskope in den Erdorbit schicken: Das nötige Gerät für ein einzigartiges kosmisches Casting, bei dem vorbeifliegende Himmelskörper ihre Flugbahn, Größe und ihr Gewicht zur Schau stellen. Für die Suche nach dem Superasteroiden zählen aber auch Form, Zusammensetzung und Drehung – und die lassen sich nur aus der Nähe begutachten. Darum wollen Anderson und Diamandis die besten Kandidaten danach mithilfe von Raumsonden mustern.

Bis zum Ende des Jahrzehnts soll der Sieger feststehen. Dann beginnt das Lassospiel im All.

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