Raumfahrt Dieses Augsburger Raketen-Start-up will Elon Musk Konkurrenz machen

Rendering einer Rakete der Rocket Factory Augsburg. Quelle: RFA

Der Raketenbauer Rocket Factory Augsburg will Fracht zu konkurrenzlos niedrigen Preisen ins All bringen. Der WirtschaftsWoche erzählten die Gründer, wie das Taxi ins All funktioniert – und man eine halbe Million PS bändigt. 

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Raumfahrt ist teuer, das galt bisher sozusagen als Naturgesetz. Einen Satelliten ins All bringen? Kostete mindestens 50 Millionen Euro, manchmal sogar ein Vielfaches. Eine ganze Satellitenflotte? Lieber gar nicht erst darüber nachdenken.

Stefan Brieschenk und Jörn Spurmann wollen das ändern. Die beiden Gründer von Rocket Factory Augsburg, eine Ausgründung des Bremer Raumfahrtkonzerns OHB, entwickeln eine Rakete, die den Zugang ins All enorm preiswert machen soll. Die geplanten Frachtkosten pro Start: Nur noch drei Millionen Euro. Weniger, als Elon Musk mit seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX verlangt.

Schon Ende 2022 soll die Rakete starten, ein gewaltiges Versprechen. Doch sogar die Europäische Weltraumorganisation Esa hat, wie heute bekannt wurde, jetzt bei den Augsburgern angeklopft: Sie hat das Start-up zusammen mit seiner Konzernmutter OHB beauftragt zu ermitteln, welche Trägerraketen Europa ab 2030 benötigt. 

Raketenbau wie am Fließband

Aktuell ist die Ariane 5 Europas wichtigster Launcher – zehn Prozent davon werden in Augsburg bei der OHB-Tochter MT Aerospace gefertigt. Das Nachfolgemodell soll in zwei Jahren erstmals abheben. Doch schon jetzt ist die private Konkurrenz der Ariane 6 voraus, sind Anbieter wie SpaceX preiswerter.

Mit der von der Esa beauftragten Studie erhalten Rocket Factory und OHB nun die Gelegenheit, einen kommerziellen, preiswerten europäischen Raumtransporter zu konzipieren – und mit zu entscheiden, welche Infrastruktur, Technologien und Organisationen dafür nötig sind.

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Praktisch ist das Raketenprogramm ist Augsburg schon weit gediehen. In diesen Tagen eröffnet Rocket Factory Augsburg seine Fabrik. Dort sollen die aktuell 85 Mitarbeiter – bald schon sollen es deutlich mehr werden – die neue Rakete wie am Fließband bauen. „Jede zweite Woche wollen wir eine Rakete ins All schießen“, sagt Gründer Spurmann. „Gerne mehr, wenn das der Markt hergibt.“

Der Markt, das ist ein boomendes Satellitengeschäft, in dem immer mehr Start-ups, Konzerne und Staaten ganze Konstellationen planen: Kreisten vor sieben Jahren insgesamt nur rund 1000 aktive Satelliten im All, könnten bald jedes Jahr 1000 neue dazukommen, so die Marktanalysten von Euroconsult.  

Unternehmen wie Ororatech in München oder Spire beobachten mit den Satelliten Waldbrände, Schiffsrouten oder das Wetter aus dem All; Telesat oder OneWeb bauen Flotten für Satelliteninternet; die Raumfahrtorganisationen entwickeln Klima-Satelliten und fliegende Teleskope. Sogar Autokonzerne wie Geely aus China arbeiten an eigenen Flotten, um damit ihre zunehmend computergesteuerten Wagen künftig weltweit zu vernetzen und zu orten; auch deutsche Autohersteller haben Interesse daran.

Entscheidender Treiber für den Boom: Die High-Tech-Späher sind deutlich preiswerter geworden und kleiner, ebenso die Trägerraketen. Eine ganz eigene Kategorie hat sich in den vergangenen Jahren herausgebildet: So genannte Microlauncher. Das sind vergleichsweise kleine Raketen, die nicht 16 Tonnen wie etwa die Ariane ins All bringen können, sondern nur ein paar hundert Kilogramm oder auch mal eine Tonne. Neben Rocket Factory Augsburg arbeiten daran unter anderem auch die deutschen Start-ups Isar Aerospace und HyImpulse.  

Billiger als bei Elon Musk

Die RFA One, wie der Launcher der Augsburger heißt, ist zwei Meter breit, 25 Meter lang und mit Treibstoff 50 Tonnen schwer. Sie besteht aus drei Stufen und kann mehrere Satelliten zusammen auf einen niedrigen Erdorbit, also etwa 500 Kilometer, befördern. 1300 Kilogramm soll die Rakete aus Augsburg transportieren. Das wären bei drei Millionen Euro Frachtkosten 2300 Euro pro Kilogramm. Ein Kampfpreis: 5000 Dollar pro Kilogramm kostet ein Flug bei Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX, das bisher als billigster Anbieter gilt.

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„Wir werden dem Markt das weltweit mit Abstand günstigste Angebot machen“, verspricht Hans Steininger, Gründungsinvestor des Start-ups und CEO der OHB-Tochter MT Aerospace in Augsburg. Das ist ein hoch gestecktes Ziel, und es ist noch offen, wie schnell die Augsburger es erreichen. Der Schlüssel dazu sollen eine möglichst automatisierte Serienproduktion sein, standardisierte Teile – und ein sehr effizienter, preiswert gefertigter Raketenantrieb. „Unser Triebwerk wiegt so viel wie ein Automotor, hat aber eine halbe Million PS“, sagt Gründer und Chefentwickler Brieschenk. „Wir unternehmen das Schwierigste, was man mit der Physik mechanisch anstellen kann – Temperaturen von 3500 Grad Celsius, Drücke von über 300 Bar. Jedes einzelne Molekül im Motor schwitzt.“

Kein Material der Welt halte das normalerweise aus. „Darum bauen wir per 3-D-Druck tausende kleine Kühlkanäle in die Motorwände ein, die die Hitze abführen“, erzählt Brieschenk. Noch im März unterziehen die Gründer ihr Triebwerk einem entscheidenden Test auf einem Prüfstand nahe der nordsschwedischen Stadt Kiruna – „der wichtigste Moment neben dem ersten Raketenstart“, sagt Brieschenk.

Start in der Arktis oder der Nordsee

Der Jungfernflug könnte dann Ende 2022 stattfinden. Als Startplatz prüfen die Augsburger verschiedene Optionen. „Die ersten Testflüge werden wir von Andøya in Norwegen durchführen“, sagt Gründer und Programmmanager Spurmann. Dort wird gerade eine neue Startplattform für Weltraumflüge gebaut. 

Aber: „Wir sind mit den meisten Weltraumbahnhöfen in Europa im Gespräch.“ Davon soll es bald ein halbes Dutzend geben, auch in der deutschen Nordsee. Wichtig ist für die Augsburger eine freie Flugbahn gen Norden. „Fast der gesamte Kleinsatellitenmarkt spielt sich in polaren oder polnahen Bahnen ab“, erklärt Spurmann. 

Und so soll der Flug ablaufen: „Die erste Raketenstufe bringt uns auf eine Höhe von 80 bis 100 Kilometern, bis zum Rand der Atmosphäre“, sagt Brischenk. „Die zweite ist dafür verantwortlich, dass die kinetische Energie in die Laufbahn kommt, also der Satellit schnell genug wird.“ Dazu hat sie ein weiteres Triebwerk eingebaut. „Der Satellit muss pro Sekunde 7,5 Kilometer weit kommen,“ sagt Brieschenk. Bei diesem Tempo bleibt die Rakete mit ihrer Fracht auf einer Erdumlaufbahn. 

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Den Orbit will Rocket Factory Augsburg nicht nur möglichst preiswert erreichen – sondern auch besonders präzise und nach Kundenwunsch. „Der Launcher von SpaceX liefert 100 Satelliten an einer Position aus, und von dort müssen sie selbst weiter kommen“, sagt Spurmann. „Wie ein Bus, der alle Passagiere zur Haltestelle fährt, und jeder muss selbst sehen, wie er nach Hause kommt.“

Das soll mit dem Augsburger Microlauncher anders ablaufen, so Spurmann: „Wir liefern das Paket per Drohne direkt vor der Haustür ab.“ Diese Auslieferung auf der sozusagen letzten Meile erledigt die dritte Stufe der Rakete. Sie kann mehrfach zünden und jeden Satelliten auf seine eigene Bahn absetzen. 

In der Raumfahrt straft einen die Physik

Die Flugrichtung zu ändern , das ist im All normalerweise extrem aufwändig. „Das ist die Strafe der Physik in der Raumfahrt“, sagt Brieschenk, „wenn man in eine Richtung in den Orbit eingeschossen wird, kommt man kaum noch davon weg – es sei denn, man wendet sehr viel Energie auf.“ 

Die dritte Raketenstufe der Augsburger kann den Kurs immerhin noch um zehn Grad verändern. „Wir können mit ihr Satelliten an verschiedenen Positionen im Orbit aussetzen und unterschiedliche Höhen anfliegen“, sagt Spurmann. Bei anderen Raketen müssen die Betreiber ihre Satelliten mitunter selbst mit deren Triebwerken an die gewünschte Stelle manövrieren – was Wochen oder Monate dauern kann. 

Rainer Horn, Raumfahrtexperte der Beratung SpaceTec Partners in München, hält die Aussichten der deutschen Raumfahrtgründer für gut. „Der Markt für Satellitenkonstellationen wächst schnell“, sagt Horn, „die deutschen Raketen-Start-ups haben gute Chancen, hier mitzumischen.“ Wie gut sie sich im Preiswettkampf schlagen werden, müsse sich aber noch zeigen. „Das wird auch davon abhängen, wie gut sie ihre Raketen auslasten können.“

Der Bremer Konzern OHB, selbst Satellitenfertiger, hat seinem Start-up schon 25 Flugbuchungen versprochen. „Wir haben Anfragen für Starts im Wert von mehreren hundert Millionen Euro“, sagt Rocket-Factory-Gründer Spurmann. Aktuell werben die Raketenpioniere weiteres Wagniskapital an, weitere 25 Millionen Euro sollen in die Entwicklung der Rakete fließen.

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Dass der Raumfahrt-Boom ein jähes Ende nimmt, glaubt Spurmann nicht. Je billiger die Starts würden, desto zahlreicher  würden auch die Geschäftsideen. „Wenn das morgen so viel kostet wie ein Langstreckenflug“, sagt er, „werden viel mehr Menschen als heute Ideen entwickeln, was man mit der Technik machen kann.“ Der Frachtflieger ins All zumindest stünde dann jederzeit bereit. 

Mehr zum Thema: Die europäische Ariane-Rakete hat ein Problem: SpaceX aus den USA ist billiger. Weil Firmenchef Elon Musk massiv von der US-Regierung unterstützt werde, sagt Ariane-Deutschland-Chef Pierre Godart im WirtschaftsWoche-Podcast.

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