Für viele ist die Vorstellung unerträglich. Für Entdecker wie Lansdorp ist sie ein Lebenstraum. Seit er im Juni eine Web-Seite gestartet hat, sind Hunderte Bewerbungen bei ihm eingegangen: handgeschriebene Briefe von zwölfjährigen Schülerinnen, aber auch zweiseitige Gesuche promovierter Ingenieure. „Wenn das Casting beginnt, erhalten wir Millionen Bewerbungen“, glaubt Lansdorp. „Aber wir nehmen nur die Besten.“
Die Kandidaten von Mars One sollen sich, anders als beim Vorbild Big Brother, weniger durch Sprachfehler und Fortpflanzungsdrang auszeichnen als durch Mut, Intelligenz und Gesundheit.
Mithilfe von Psychologen stellt Mars One mehrere Viererteams zusammen. Jahrelang trainieren sie vor laufender Kamera für ihr neues Leben. Auf dem Mars treffen derweil ein Rover ein, eine Wasser- und Treibstofffabrik, ein 50-Quadratmeter-Treibhaus für den Gemüseanbau sowie Solarzellen und Wohnkapseln. „Wenn die Astronauten 2023 mit der achten Rakete auf dem Mars landen“, sagt der Gründer, „steht alles für ein Leben dort bereit.“ Auch HD-Kameras, die die Besiedlung des Sonnensystems zur Prime Time ausstrahlen.
Welche Vierergruppe zuerst fliegt, entscheidet das Publikum. Alle zwei Jahre folgen weitere Teams und Habitate.
Es klingt tollkühn. Aber seit Langem bereiten Forscher die nötigen Techniken vor. Nasa-Experten komponieren vegetarische Menüs für die Marsküche, testen 3-D-Drucker, mit denen Kolonisten dereinst Ersatzteile fabrizieren, und bauen Maschinen, die Eis zu Wasser, Luft und Sprit machen. Auch die menschliche Psyche haben Experten unter Extremzuständen inspiziert: 520 Tage lang sperrten Forscher in Russland sechs Freiwillige in Biwaks ein. Der befürchtete Psychokoller blieb aus.
Allein in der Sandwüste
Dennoch überträfe eine Besiedlung des Mars alles, was Menschen je versucht haben. 400 Millionen Kilometer muss eine Rakete dorthin zurücklegen. Ein Auto wäre 380 Jahre unterwegs, ein Raumschiff sechs bis acht Monate. So lange sind die Astronauten in einer Stahlbüchse gefangen.
Schwer vorzustellen, wie es erst auf dem Mars sein muss: zu viert in einer Sandwüste, die Luft eiskalt und aus Kohlendioxid, und der ganze Planet, halb so groß wie die Erde, dafür menschenleer. Die Unterkunft: ein paar Kapseln, viereinhalb Meter hoch, mit insgesamt gerade mal 200 Quadratmetern Platz. Ein Funkspruch nach Holland dauert je nach Distanz zwischen Mars und Erde mindestens vier, manchmal auch 22 Minuten. Und die Antwort genauso lang. Videofilme und Internet-Seiten von der Erde müssen die Kolonisten vor dem Anschauen auf ihre Rechner laden.
Draußen tragen die Marsianer Raumanzüge. Und über ihnen leuchtet nachts die Erde als winzige, ewig unerreichbare Stecknadel am Firmament.
Rückflugticket
Warum das Ganze? „Es ist ein faszinierendes Ingenieurprojekt“, sagt Lansdorp. „Wir werden ausgerottet wie die Dinosaurier, wenn wir uns nicht im All ausbreiten“, sagt Astrobiologe Schulze-Makuch. „Astronauten könnten Leben auf dem Mars finden“, sagt Thomas Reiter, Direktor für bemannte Raumfahrt bei der Europäischen Raumfahrtagentur Esa.
Aber Reiter will ein Rückflugticket: „Sie können die Menschen dort nicht ihrem Schicksal überlassen“, sagt er. Und eine privat finanzierte Marsmission? „Kann ich mir heute noch nicht vorstellen.“
Lansdorp kann. Schon oft sei viel Geld in Großevents geflossen – erst neulich zahlte der US-Fernsehsender NBC 4,4 Milliarden Dollar für zwölf Wochen Olympische Spiele. Lansdorp bietet 15 Jahre Marsmission. Und den Astronauten Abenteuer, Ruhm – und Geld, das sie im Leben nicht ausgeben können.