




„Für uns ist das Engagement auf der ISS vergleichbar mit Investitionen in den Teilchenbeschleuniger Cern oder andere Großforschung. Es ist eine grundsätzliche Entscheidung“, rechtfertigt Volker Schmid die Ausgaben für die Station. Er leitet die Fachgruppe ISS beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Bisher hat Deutschland etwa 3,5 Milliarden Euro investiert. Die jährlichen Betriebsausgaben belaufen sich – vom Management bis hin zum Transport der Astronauten – auf rund 130 Millionen Euro. „Die ISS kostet somit jeden Bürger ein Glas Kölsch oder eine Tasse Kaffee im Jahr“, rechnet Schmid vor.
Nur wenig Zählbares
Die Ergebnisse der jahrelangen Forschung, zumindest die handfesten, sind dennoch überschaubar: So bauen sich in der Schwerelosigkeit unvermeidlich die Knochen eines Menschen ab. Aßen Astronauten mehr Kochsalz, verschlimmerte sich das Problem bei einigen von ihnen. Sollte sich der Effekt bestätigen, würde das für eine kochsalzarme Diät bei alten und bettlägerigen Menschen sprechen.
Versuche auf der ISS haben zu einer besonders leichten und widerstandsfähigen Titan-Aluminium-Legierung geführt. Turbinenschaufeln aus dem neuen Material könnten den Kerosinverbrauch in Düsentriebwerken deutlich senken und so die Emissionen verringern.
Zufälliges Potenzial
Besonders beeindruckend – aber auch völlig unkalkulierbar – sind die zufälligen Funde, die Abfallprodukte der Raumfahrt: Seit 2001 experimentiert das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching beispielsweise mit kalten Plasmen – einem verdünnten Gemisch aus neutralen und geladenen Atomen sowie Molekülen.
Auf der ISS untersuchten die Forscher damit Kristalle. Auf der Erde erkannten sie später, dass kaltes Plasma Wunden desinfiziert, ohne die Haut zu schädigen. Sogar Mikroben, die gegen Antibiotika resistent geworden sind, werden getötet. Nun soll ein tragbares Gerät zur Wunddesinfektion entwickelt werden. „Da ist enorm viel Potenzial vorhanden“, sagt Schmid.
Die Sternenflotte der Privaten
Der Raumgleiter des Start-ups Swiss Space Systems setzt Forschungssatelliten in 80 Kilometer Höhe aus. Von dort steigen sie aus eigener Kraft ins All.
Das Raumschiff Dragon des US-Unternehmens SpaceX hat schon dreimal Nachschub zur ISS gebracht – deutlich preiswerter als einst das Spaceshuttle.
Ab 2017 will der US-Konzern Boeing der russischen Sojus-Kapsel Konkurrenz machen: Sein Raumschiff CST-100 soll bis zu sieben Astronauten zur ISS fliegen.
Ein anderer Traum ist dagegen weitgehend geplatzt. In den Anfangstagen der ISS hofften Raumfahrtmanager, die Industrie würde auf der Station forschen und produzieren. „Das war damals sehr optimistisch“, sagt Schmid. Heute ist klar: Die Planung eines Weltraumexperiments mit allen nötigen Genehmigungen dauert vielen Forschungsabteilungen zu lange, die Ergebnisse sind zu unberechenbar, der Ausflug ins All gilt als zu teuer – obwohl das DLR mitunter sogar Transport und Betrieb auf der Station übernimmt.
Gütesiegel für die Vermarktung
Nur zwei industriegetriebene Versuche stehen auf Gersts Experimentierplan: Der Raumfahrtkonzern Airbus Defence and Space will ein per Funk kommunizierendes Sensornetzwerk testen, das künftig im europäischen Forschungsmodul Columbus der ISS, aber auch in anderen extremen Umgebungen arbeiten soll. Der Schweizer Textilhersteller Schoeller will gemeinsam mit den Hohenstein Instituten und der Berliner Charité die Geruchsentwicklung seiner Funktionstextilien von Astronauten beurteilen lassen – eine Art Gütesiegel, das sich gut fürs Marketing nutzen lässt.