Reimund Neugebauer "Endlich loslaufen"

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"Die erneuerbaren Energien keineswegs abgeschrieben"

Zehn Meilensteine der Technologie 2013
Der Boom des 3D-Druck3D-Drucker waren bis vor kurzem noch nette Spielereien, mit ausgesprochen geringem praktischem Nutzen. In diesem Jahr hat sich diese Wahrnehmung gewandelt, denn die Geräte drucken mittlerweile (nahezu) alles. Von Kinderspielzeug über Küchengeräte bis zu Teilen einer Handfeuerwaffe. Und genau hier liegt auch das Risiko dieser jungen Technologie: Defense Distributed, eine non-profit Organisation aus den Vereinigten Staaten, veröffentlichte Baupläne für eine 3D-gedruckte Pistole, die anders als ihre Vorgängermodelle, nicht beim ersten Abfeuern in alle Einzelteile zerbrach. Die aktuelle Version schießt, trifft, ist stabil und... aus Plastik. Theoretisch ist es somit jedem möglich, den Guten und den Bösen, unerkannt eine schussbereite Waffe mit sich zu tragen. Gleichzeitig bringt der 3D-Druck den Mittelstand voran und ermöglicht ganz neue Geschäftsmodelle. Auch Deutschland wird zum 3D-Druck-Land. Quelle: REUTERS
Tragbare Technologien sind im Mainstream angekommenMit der Einführung von Samsungs Smart Watch sind tragbare Minicomputer erstmals in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Auch wenn die Testberichte für das Armbanduhren-Teil des "Samsung Galaxy Gear" nur verhalten positiv ausfallen, kann man doch fest davon ausgehen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird - 800.000 verkaufte Einheiten in zwei Monaten sprechen für sich. Auch Apple soll inzwischen an einer iWatch arbeiten. Weiterhin wartet der Markt auch auf die Einführung von Google Glass. Googles Datenbrille soll 2014 erscheinen, nachdem bereits einige Informationen zu möglichen Apps und auch ein paar Videos auf youtube.com die Öffentlichkeit erreichten. Quelle: dpa
Drohnen werden zivil genutztNachdem der Begriff Drohne lange Zeit nur Bienenkennern und Militärexperten bekannt war, sorgte deren inflationärer Einsatz durch die US Armee für ihre weltweite traurige Berühmtheit. Doch der Online-Händler Amazon hat den Drohnen mit seinem Projekt "Amazon Prime Air" ein neues, kommerzielles Gesicht verschafft. Das US-amerikanische Unternehmen möchte in Zukunft seine Pakete mit Drohnen ausliefern. Das soll Lieferungen nationenweit in maximal 30 Minuten ermöglichen. Der zivile Einsatz von Drohnen zu welchen Zwecken auch immer wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach als Entwicklung der Gegenwart verfestigen. Schon jetzt gibt es auch außerhalb der Vereinigten Staaten Bestrebungen, den kommerziellen Einsatz von Drohnen möglichst schnell voranzutreiben. Auch DHL und andere Unternehmen und Organisationen haben den Nutzen der Drohnen inzwischen für sich erkannt. Immer häufiger werden die Gadgets für wirtschaftliche Zwecke eingesetzt. Quelle: AP
Wissenschaftler versuchen, ausgestorbene Tiere zurückzuholenStewart Brand erregte zu Beginn des Jahres einiges Aufsehen mit einem Projekt namens "Revive & Restore". Es zielt darauf ab, bereits ausgestorbene Spezies "wiederzubeleben" und damit in die Gegenwart zu holen. Bei der ersten Art soll es sich um die im 19. Jahrhundert vom Menschen ausgerottete Wandertaube halten. Selbstverständlich ließen Spekulationen über weitere Tiere nicht lange auf sich warten, auch Säbelzahntiger und Wollmammut wurden ins Gespräch gebracht. In Australien hat sich ein ähnliches Projekt gegründet, dass zumindest einen tasmanischen Tiger in die heutige Welt holen möchte. Quelle: dpa
Mögliche Lösungen für zukünftige LebensmittelengpässeErstmals ist es in diesem Jahr Forschern gelungen, eine Burger-Bulette aus Rinderstammzellen zu züchten. Auch wenn der in London durchgeführte Geschmackstest zeigte, dass der Labor-Burger nach Ansicht der Tester noch nicht mit echtem Hackfleisch mithalten kann, so zeigt diese Innovation doch mögliche Wege für die Zukunft aus. Die Fleischindustrie produziert massive Mengen an Treibhausgasen, verschwendet riesige Wassermengen und die Haltung von Zuchttieren lässt vielerorts zu wünschen übrig. Gleichzeitig wollen immer mehr hungrige Münder der Weltbevölkerung gefüllt werden. Wem das gezüchtete Fleisch nicht zusagt, der kann womöglich in naher Zukunft auf Hack aus dem 3D-Drucker ausweichen. Das von Milliardär Peter Thiel gestützte Projekt "Modern Meadow" hat sich genau das zum Ziel gesetzt. Die dazu verwendeten "Zellblätter" sollen wie normales Papier in den Drucker eingegeben werden, der daraus eine fertige Bulette macht. Auch die NASA hat für langwierige Weltraumflüge bereits Interesse an dieser Technologie angemeldet. Quelle: REUTERS
Menschliche Streitkräfte verlieren im Militär an BedeutungDie kriegerischen Auseinandersetzungen der Zukunft führen in den Vorstellungen von Offizieren keine Menschen mehr. Anzeichen hierfür liefert insbesondere die Langzeit-Strategie der US Army. Zum einen treibt die Army die Entwicklung des sogenannten "Atlas robots" voran (Bild). Der metallene Soldat ist bestens dafür geeignet in Krisengebieten sogenannte "search-and-rescue"-Missionen zu übernehmen. Zum Beispiel um entführte Soldaten aufzuspüren und zu retten, während keine weiteren menschlichen Ressourcen aufs Spiel gesetzt werden. Zudem gibt es auch neue Entwicklungen im Bereich der militärischen Drohnen. So haben die US Streitkräfte mit der "X47B stealth fighter drone" den ersten Jet entwickelt, der ohne menschliches Zutun von einem Flugzeugträger starten und auf ihm landen kann. Gleichzeitig ist die X47B mit Waffen bestückt, die sie ebenfalls ohne menschliche Steuerung auf feindliche Stützpunkte abfeuert. Die Armeen dieser Welt arbeiten also fleißig an der Kriegsführung der nächsten Generation. Quelle: REUTERS
Neue TransportmöglichkeitenElon Musk wird zu Recht als Visionär bezeichnet. Mit dem Autohersteller Tesla hat er sich als erster gewagt, ausschließlich mit alternativ angetriebenen Modellen in die Automobilindustrie einzusteigen. Doch mit den Elektroautos sind die Möglichkeiten alternativer Transportmittel noch nicht ausgeschöpft. Sein neues Projekt ist der sogenannte "Hyperloop". Mit diesem erdbebensicheren und solarbetriebenen unterirdischen Schnellzug sollen Fahrgäste in unter 30 Minuten von Los Angeles nach San Francisco düsen können. Auch andere Unternehmen sind inzwischen voll involviert im Rennen um die effektivste alternative Antriebstechnologie. So hat der japanische Automobilkonzern Toyota eine Gruppe anderer Produzenten um sich geschart, die auf den diesjährigen Motorshows von Los Angeles und Tokio Studien vorstellten, die mit Wasserstoff angetrieben werden. Diese Modelle könnten womöglich bereits 2015 in Serie gehen. Quelle: AP

Welche Bereiche haben noch das Zeug, die Wirtschaft grundlegend zu verändern?

Dazu zählt sicher die Biotechnik. Da haben wir Stärken, etwa wenn es um das Zusammenspiel mit der klassischen Produktionstechnik geht. Ein einfaches Beispiel: Viele Metall verarbeitende Betriebe kühlen ihre Maschinen mit speziellen Flüssigkeiten. In denen reichern sich giftige Schwermetalle an, die sich nur schwer herausholen lassen. Ein neues Verfahren nutzt Sulfat reduzierende Mikroorganismen. Sie binden die Schwermetalle und lassen sich anschließend auswaschen und entsorgen. Dass Biotechniker mit Metallverarbeitern reden, war vor zehn Jahren noch undenkbar. Und auch bei Biowerkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen spielen wir vorne mit.

Weniger rosig sieht es bei der Anwendung der Gentechnik aus.

Damit gehen wir Deutsche sicher sensibler um als andere Länder. Ich verstehe die Skepsis. Wir sollten aber nicht die Möglichkeiten aus den Augen verlieren, die etwa die personalisierte Medizin bietet. Zum Beispiel können Ärzte anhand einer Erbgutanalyse klären, welche Medikamente einen Patienten am besten heilen können.

Wo erwarten Sie ähnliche Fortschritte?

Sicherlich in der Materialforschung. Da haben wir es etwa geschafft, piezoelektrische Fasern großserientauglich zu machen. Mit ihrer Hilfe wird es möglich, weit dünnere Bleche als heute in Autokarossen einzubauen. Beginnt das Blech zu schwingen, merken die Fasern das und dämpfen die Schwingung ab. So bleibt das Blech stabil, und der Spritverbrauch sinkt, weil die Karosserieteile leichter sein können.

Und die erneuerbaren Energien, haben Sie die abgeschrieben?

Keineswegs. Wir brauchen die Erneuerbaren allein schon aus dem Grund, weil die fossilen Rohstoffe irgendwann zu Ende gehen. Doch derzeit sind vor allem die USA mit ihrer Fracking-Förderung von Öl und Gas dabei – ohne Rücksicht auf die Umwelt zu nehmen –, unsere Industrie mit niedrigen Energiepreisen im Wettbewerb zu benachteiligen. Deshalb müssen wir uns Alternativen überlegen. Langfristig können wir auf die Erneuerbaren nicht verzichten.

Woran denken Sie konkret?

Wir haben zum Beispiel hervorragende Verfahren, um die heimische Braunkohle zu verwerten, mit einem Wirkungsgrad, der sich sehen lassen kann. Das sollten wir mit in die Waagschale werfen, um Durststrecken mit international deutlich niedrigeren Energiepreisen als bei uns zu überbrücken.

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