Rüstungsproduzenten Kampf um den Kampfjet

Welches Modell löst 2025 den dann 40 Jahre alten Tornado bei der Bundeswehr ab? Quelle: imago images

Deutschland sucht einen Nachfolger für den Tornado-Jet. Airbus' Eurofighter schien das Rennen zu machen, doch nun mischt sich US-Produzent Lockheed Martin ein. Wie eine unmögliche Mission gelingen soll.

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Das derzeit spannendste Duell der Kampfjet-Sparte läuft nicht im Kino, sondern in deutschen Amtsstuben. Die Bundeswehr sucht ab 2025 rund 90 Maschinen als Ersatz für den dann gut 40 Jahre alten Tornado. Eigentlich sollte die Entscheidung über Deutschlands aktuell größtes Rüstungsprojekt bis Jahresende fallen. Doch noch ist kein Ende in Sicht. Der Januar zähle ja fast noch zum alten Jahr, kalauern führende Bundeswehr-Mitarbeiter. Und: Auf ein paar Wochen mehr oder weniger komme es doch gar nicht an. 

Ein Grund für die Verzögerung ist das erbitterte Duell zwischen zwei Rüstungsriesen um den rund zehn Milliarden Euro teuren Deal. Auf der einen Seite steht der US-Luftfahrtkonzern Lockheed Martin mit dem Joint Strike Fighter F-35 (JSF), der modernsten Militärmaschine der Welt. Doch obwohl der nach Umsatz größte Waffenhersteller einen niedrigen Preis bietet und eine Lieferung ohne die in der Waffenbranche üblichen Verzögerungen versprechen kann, ist sein Vorhaben eine Mission Impossible. 

Denn Lockheed und ihrem Deutschland-Beauftragten für den JSF Mike Howe steht der mächtige Marktführer Airbus gegenüber. Europas Luftfahrtriese hat nicht nur seit gut 40 Jahren praktisch alle Militärmaschinen der Bundeswehr geliefert – wie Tornado, Eurofighter oder den Transporter A400M. Zusammen mit Dassault aus Frankreich gilt Airbus bereits gesetzt für den Bau des eines deutsch-französischen Kampfjet-Projekts namens Future Combat Air System (FCAS). Als einer der größten privaten Arbeitgeber in Europa kann der Konzern mit einer breiten Unterstützung bei Politkern in Deutschland und Frankreich rechnen. Und als sich im Frühjahr der Inspekteur der Luftwaffe Karl Müller für den JSF als Tornado-Nachfolger aussprach, war er kurz darauf seinen Job los. Damit müsste eigentlich auch die Lieferung eines renovierten Eurofighters als Tornado-Nachfolger gesetzt sein. 

Mut macht Howe ausgerechnet die aufgeregte Reaktion seiner europäischen Wettbewerber. Denn den Lockheed-Vorstoß in sein Stammland kommentierte Airbus-Rüstungs-Chef Dirk Hoke mit einem Horrorszenario: „Sobald Deutschland F-35-Nation wird, ist die Zusammenarbeit bei allen Kampfflugzeugthemen mit Frankreich gestorben.“ Als ob das Schreckensmodell vom Kollaps der ebenso wichtigen wie wackeligen deutsch-französischen Zusammenarbeit beim Militär nicht genügen würde, vermittelt Hoke unterschwellig den Eindruck, dem Kauf des JSF folge das endgültige Aus des europäischen Kampfflugzeugbaus und die alte Welt sei dann auf ewig von Lieferungen von außerhalb angewiesen. 

In seiner Offensive hat der Airbus-Manager sogar einen unerwarteten Verbündeten: Eric Trappier. Der Chef des Kampfflugzeug-Geschäfts von Dassault zankt sich sonst mit seiner Rafale sonst um jeden Auftrag mit Airbus, nun lobt der Franzose den Konkurrenz-Jet. Der Eurofighter sei dem technisch fast 20 Jahre jüngeren JSF zumindest ebenbürtig. „Die F-35 ist weder preiswerter noch verfügt sie über bessere Funktionen“, so Trappier.  

Die Bundesregierung will den in die Tage gekommen Kampfflieger Tornado ersetzen und liebäugelt mit dem Kauf von US-Kampfjets. Die Planspiele sorgen in Frankreich für Irritationen.
von Christian Schlesiger, Karin Finkenzeller

Diese Einschätzung ist aus Sicht neutraler Experten nicht nur kühn. „Sie zeigt auch, dass Airbus offenbar echt fürchtet, den Deal um den Tornado-Nachfolger verlieren zu können“, so ein Kenner der Branche. 

Angesichts der hitzigen Offensive aus Europa geben sich Howe und Lockheed Martin betont kühl und sachlich. Er wolle Airbus gar nicht verdrängen, sondern einfach nur der Luftwaffe aus der Patsche helfen, sagt der US-Konzern. Lockheed habe sich nicht aufgedrängt. „Deutschland hat die USA um Informationen zur F-35 gebeten und wir haben natürlich geholfen“, so Howe. Der JSF sei wirklich nur als Ersatz für den Tornado gedacht und keine Gefahr für das künftige deutsch-französische FCAS. Ansonsten warb Howe bei seinen jüngsten Verkaufsreisen nach Berlin im November rund um die Internationale Konferenz für Jagdflugzeuge oder die Berliner Sicherheitskonferenz vor allem mit drei kühlen Sachargumenten für seine F-35. 

Eurofighter gegen F-35

Als erstes betont Howe den vergleichsweise niedrigen Preis. Mit weniger als 80 Millionen Euro ohne Waffen, Ersatzteilen und Schulungen für Personal oder Mechaniker ist die Maschine wohl mindestens um ein Drittel billiger als der Eurofighter. Bei den Betriebskosten sei die Maschine sogar rund 40 Prozent günstiger als der Eurofighter, sagt Howe. Dafür verweist er auf eine Studie, mit der die dänische Armee ihren Kauf begründete. Das sei angesichts der ohnehin knappen öffentlichen Kassen und der ständigen Diskussionen um die Höhe des Verteidigungsetats sicher zentral. 

Dazu stärke ein Kauf des F-35 Deutschlands Zusammenarbeit mit den Nato-Partnern. Nachdem sich jüngst Belgien für den JSF entschieden haben, nutzen nun neun Nato-Länder den Jet sowie vier weitere Verbündete wie Australien, Israel und Japan. „Das macht die F-35 zum Kampfflugzeug der nächsten Generation in der Nato und darüber hinaus“, so Howe. Damit können die Länder einander leichter aushelfen in puncto Ausbildung und Wartung. Das sorge bei allen für niedrigere Kosten, auch für Deutschland.

Zu guter Letzt verspricht Howe trotz des niedrigen Preises und der Vorwürfe von Dassault-Chef Trappier auch eine überlegene Qualität. „Für den niedrigen Preis bekommen die Kunden die neueste Generation bei Sensoren und Tarnkappentechnik“, so Howe. Gleichzeitig könne Lockheed seine Maschinen bereits ab 2025 liefern. Bei einem verbesserten Eurofighter, so die Andeutung, sei das nicht sicher. 

von Melanie Bergermann, Rüdiger Kiani-Kreß, Elisabeth Niejahr

Beim erprobten F-35 gebe es anders als bei einer Neuentwicklung keine Verzögerungen bei der Lieferung und den nötigen militärischen Fähigkeiten. Das gelte besonders beim „nuklearen Teilhabe“ genannten Bereich, über den die Bundesregierung ungern spricht. Denn wie zuvor der Tornado soll auch der Nachfolge-Jet der Bundeswehr im Kriegsfall unter Kontrolle der amerikanischen Streitkräfte Atombomben transportieren und abwerfen können. Diese Nuklear-Fähigkeit ist laut Howe bei der F-35 bereits vorgesehen und auch schon bezahlt. Der Eurofighter hingegen brauche dafür erst noch eine Zulassung von den USA. „Und das kann nicht nur einige Jahre dauern“, so ein führender deutscher Rüstungsmanager. „Dafür müsste Airbus den USA Einblick in die sensibelsten Teile ihres Kampfjets gewähren, was Airbus verständlicherweise verhindern will.“ 

Howes hätte es auf seiner Mission allerdings deutlich leichter, wäre er nicht zuletzt Opfer von „Friendly Fire“ geworden, wie Militärs den mehr oder weniger ungeplanten Beschuss aus den eigenen Reihen nennen. Urheber ist ausgerechnet Lockheeds größter Kunde, der amerikanische Staat. 

Das sind die größten Waffenhersteller der Welt
Platz 78: Krauss-Maffei Wegmann (Deutschland)950 Millionen Dollar Umsatz hat Krauss-Maffei Wegmann (KMW) nach den Sipri-Zahlen im Rüstungsgeschäft gemacht. Durch ein Plus von über 100 Millionen Euro stieg KMW in der Rangliste um zehn Plätze. Das 1999 aus Krauss Maffei und der Mannesmann-Tochter Wegmann entstandene Unternehmen mit Sitz in München ist einer der Hauptlieferanten der Bundeswehr.Quelle: Stockholm International Peace Research Institute Quelle: dpa
Platz 47: Thyssen-Krupp (Deutschland)Thyssen-Krupp konnte die Umsätze seiner Rüstungssparte im Vergleich zu 2015 nicht steigern und stagniert bei 1,8 Milliarden Dollar. Im Sipri-Ranking bedeutet das erneut Platz 47. Allerdings machen Waffengeschäfte lediglich vier Prozent des gesamten Konzernumsatzes aus. Quelle: dpa
Platz 26: Rheinmetall (Deutschland)Die größte deutsche Rüstungsfirma ist Rheinmetall, die von Platz 30 auf 26 steigt. Mit Umsätzen von 3,3 Milliarden Dollar im Militärbereich, einem Plus von knapp 500 Millionen Dollar, machen Waffengüter 52 Prozent des Gesamtgeschäfts von Rheinmetall aus. Panzer, Flugabwehrsysteme und Munition gehören unter anderem zum militärischen Produktprogramm. Rheinmetall ist einer der Hauptlieferanten der Bundeswehr. Den übrigen Umsatz generiert das Unternehmen als Autozulieferer. Quelle: dpa
Platz 10: Thales (Frankreich)Der französische Rüstungskonzern hat es 2016 in die Top Ten geschafft. Der Umsatz im Rüstungsgeschäft stieg dabei um knapp 80 Millionen Dollar auf 8,2 Milliarden Dollar. Die Militärtechnik trägt aber nur 50 Prozent zum Geschäft bei, ansonsten in Thales vor allem im Luft- und Raumfahrtsektor tätig. Quelle: dpa
Platz 9: Leonardo (Italien)Die Italiener, die zuvor unter dem Namen Finmeccanica firmierten, bauen Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer und Schiffsgeschütze, aber auch den Hochgeschwindigkeitszug ETR 500. Die Firma ist auch zweitgrößter Arbeitgeber Italiens. 2016 sank der Umsatz im Waffengeschäft dagegen um gut 700 Millionen Dollar auf 8,5 Milliarden Dollar. Quelle: REUTERS
Platz 8: L-3 Communications (USA)Der US-Konzern hat sich erneut weiter vorgearbeitet und steigt von Platz zehn auf Platz acht. L-3 liefert vor allem Kommunikationssysteme und Navigationssysteme an das Militär. Außerdem stellt der Konzern Körperscanner für Flughäfen her. 2016 betrug der Umsatz im Waffengeschäft rund 8,9 Milliarden Dollar, knapp mehr als im Vorjahr. Quelle: Business Wire
Platz 7: Airbus Group (Europa)Das europäische Unternehmen, an dem Deutschland, Frankreich und Spanien künftig direkt beteiligt sind, kommt erneut auf Platz sieben im Sipri-Ranking. Im Jahr 2016 standen Umsätze im Militärbereich von 12,5 Milliarden Dollar zu Buche – etwas weniger als im Vorjahr. Quelle: dpa

Schon lange warnte Airbus davor, dass Deutschland als Kunde des JSF anders als beim Eurofighter keinen Zugang zu dessen Technik habe. Bei Lieferungen oder der Wartung sei die Bundeswehr vielmehr weitgehend von den USA abhängig. Es sei sogar möglich, dass die Vereinigten Staaten diese Hilfen als diplomatisches Druckmittel nutzen. 

Das konnte Lockheed bislang leicht zurückweisen. Doch nun droht die USA der Türkei als drittgrößtem Abnehmer des JSF mit einem Lieferstopp. Dafür sorgt nach längeren Spannungen rund um die Inhaftierung eines amerikanischen Geistlichen der Plan der Türkei, das russische S-400 Flugabwehrsystem zu kaufen. Dadurch könnte Russland Einblick in Schwachstellen des JSF bekommen, so die amerikanische Furcht. Um das zu verhindern, will nun die US-Regierung ihrem Nato-Partner die bestellten und teilweise bezahlten Jets vorenthalten. „Wer will ausschließen, dass die USA mit der von Präsident Trump angestoßenen Politik des Amerika Zuerst nicht auch uns Deutsche mit dem JSF unter Druck setzt“, so ein Airbus-Manager. 

Howe hält den Vergleich für übertrieben. „Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind seit Jahrzehnten sehr tief und werden dies auch in Zukunft sein“, so Howe. Doch Insider des Berliner Politik-Betriebs berichten, dass angesichts der jüngsten Strafzölle und Trumps Worten von der EU als „Feind“ der USA Deutschland dieses Vertrauen nicht ausgerechnet im Rüstungsbereich testen sollte. 

So rechnen Kenner der Rüstungsbranche am Ende damit, dass der Auftrag erteilt wird. Einen großen Teil der 90 Flugzeugaufträge bekäme Airbus – und ein kleinerer ginge in die USA. Das wäre dann für Lockheed Martin und Manager Howe zumindest ein Teilerfolg.

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