Schneller schlau Warum liegt Bobby Fischers Schachbrett verkehrt herum?

Ein Weltmeister auf Abwegen - Schneller schlau entführt Sie in die Welt des Wissenswerten.

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Fischer verdreht: Diese Aufnahme zeigt den Weltmeister vor einem falsch liegenden Schachbrett. Quelle: Andre Schulz/Chessbase

Selten hat Schach derart im Blickfeld der Öffentlichkeit gestanden wie in den Tagen nach dem Erscheinen von „Zug um Zug“, dem aktuellen Buch von Alt-Kanzler Helmut Schmidt und Vielleicht-Kanzler Peer Steinbrück. Die Tatsache, dass das Buchcover die beiden versierten Schachspieler Schmidt und Steinbrück vor einem verkehrt liegenden Spielbrett zeigt, erregte großes Aufsehen. So groß, dass ein sichtlich genervter Steinbrück schließlich die Frage aufwarf, ob es „kein anderes Thema als ein bescheuertes Schachbrett“ mehr gebe.

Ein Mann, für den es zeitlebens tatsächlich kaum ein anderes Thema als Schach gab, war Robert James Fischer (1943-2008), Schachweltmeister von 1972 bis 1975. Sein kometenhafter Aufstieg, der ihn schon als Jugendlichen in den Kreis der WM-Kandidaten führte, seine beispiellose Siegesserie in den Qualifikationswettkämpfen zur WM 1972 und schließlich der WM-Kampf selbst, in dem er dem russischen Titelverteidiger Boris Spasski keine Chance ließ, haben „Bobby“ Fischer zur Legende werden lassen. Bis heute gilt er vielen Fans als größtes Schachgenie aller Zeiten.

Umso erstaunlicher, dass sich auch von einem derart virtuosen Könner ein Bild finden lässt, das ihn vor einem falsch liegenden Schachbrett zeigt. Im Jahr vor seinem WM-Kampf hatte sich Fischer von dem Fotografen Harry Benson in einigen sehr privaten Momenten ablichten lassen. Dabei entstand auch das oben gezeigte Foto, das den künftigen Weltmeister vor einem Brett zeigt, dessen rechtes unteres Eckfeld – von Fischer aus betrachtet – schwarz ist.

Ein Fauxpas – laut Artikel 2 im offiziellen Regelwerk des Weltschachbundes FIDE  muss das Brett so liegen, dass dieses Eckfeld weiß ist. Kaum vorstellbar, dass ein Fischer diese elementare Schachregel auch nur für ein kurzes Fotoshooting außer Acht gelassen haben sollte.

Auch die Redaktion des bekannten Schachportals Chessbase mochte an einen solchen Fehler des exzentrischen Schachgenies nicht glauben, als sie beim Durchblättern von Bensons frisch erschienenem Fotoband „Bobby Fischer“ auf das Bild stieß. Und so machten sich die Experten auf Spurensuche - und kamen, wie Chessbase-Redakteur Andre Schulz berichtete, einem erstaunlichen Versehen auf die Spur.


Linkshänder mit Linksscheitel

Als wichtigstes Indiz neben dem falschen Eckfeld erwies sich dabei die auf dem Benson-Foto erkennbare Position des weißen Königs: Er steht auf dem Feld, auf dem in der üblichen Grundaufstellung eigentlich die Dame Platz finden sollte. Das war denn doch ein bisschen zuviel Inkompetenz für einen Schachweltmeister. Und so kamen die Chessbase-Experten zum einzig möglichen Schluss: Nicht das Schachbrett war verdreht, sondern das ganze Bild. Das Fotografie wurde offenbar nachträglich gespiegelt.

Tatsächlich lassen sich alle Widersprüche auflösen, wenn man das Bild zurückspiegelt – wie in der oben gezeigten Chessbase-Version geschehen. Plötzlich hat der König seinen richtigen Platz gefunden und das ominöse Eckfeld ist weiß.

Aber mehr noch: Fischers Scheitel sitzt in der Chessbase-Version des Fotos dort, wo er auch auf anderen Fischer-Bildern aus jener Zeit sitzt – links. Statt mit der ungewohnten Rechten wie bei Benson greift der als Linkshänder bekannte Fischer nun mit der „richtigen“ Hand nach dem Spielstein. Und dieser Stein ist nicht etwa der d-Bauer, der es im Fotoband wäre, sondern dessen Nachbar in der e-Linie – genau der Spielstein, mit dem Fischer nahezu alle wichtigen Partien zu eröffnen pflegte.

Die Frage, warum Benson die Aufnahme so gravierend veränderte, lässt sich nicht beantworten. Wohl aber die, warum ihm die Fehler im Bild nicht selbst auffielen. Die Antwort hat der Fotograf selbst gegeben, als er einmal gefragt wurde, warum der scheue Fischer ihm die Fotoserie überhaupt erlaubt habe: „Fischer hielt alle Schachspieler für Schwachköpfe. Ich durfte ihn begleiten, weil ich nichts von Schach verstand.“

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