Der Lappland-Joker Seltene Erden in Schweden: Zu früh gefreut?

Außenansicht des weltgrößten unterirdischen Eisenerzbergwerks Kiirunavaara. Im hohen Norden Schwedens sind bedeutende Vorkommen an Seltenen Erden entdeckt worden. Wie der schwedische Bergbaukonzern LKAB am 12. Januar 2023 mitteilte, wurden in der Nähe von Kiruna über eine Million Tonnen an Seltenerdoxiden gefunden. Quelle: dpa

Der Fund Seltener Erden in Schweden wird in der EU groß gefeiert. Dabei zeigt ein Blick auf weltweite Reserven und Fördermengen: Die Dimension des neuen Vorkommens ist kaum der Rede wert.

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Jan Moström, der Chef des staatlichen schwedischen Bergbaukonzerns LKAB, gab sich wenig Mühe, seine Begeisterung in diplomatische Formeln zu hüllen. Der Fund Seltener Erden nahe der nordschwedischen Stadt Kiruna sei „eine gute Nachricht, nicht nur für die Region und die schwedische Bevölkerung, sondern auch für Europa und das Klima“.

Das folgende Medienecho in der gesamten EU dürfte ziemlich genau dem entsprochen haben, was sich die schwedische Regierung zum Auftakt ihrer Ratspräsidentschaft ausgemalt hatte: Jubel allerorten. Auch wenn es ein paar Jahre dauern werde, der Fund berge die Chance für Europa, sich aus der Abhängigkeit Chinas zu lösen. So oder so ähnlich lautete der Tenor.

Historische Tragweite

Tatsächlich wäre das eine Rückkehr mit historischer Tragweite. Schließlich war es im Örtchen Ytterby auf der schwedischen Insel Resarön, wo der Ingenieur Carl Axel Arrhenius im Jahr 1787 einen seltsamen Fund machte: Ein besonders schweres, dunkles Gestein, das sich keiner bekannten Klasse zuordnen ließ. Nach seinem Fundort zunächst Ytterbit genannt, stellte sich nach und nach heraus, dass darin die meisten der insgesamt 17 verschiedenen Metalle enthalten waren, die heute unter dem Sammelbegriff Seltene Erden zusammengefasst werden. Sie alle verbinden zwei Eigenschaften: Sie sind besonders leitfähig und magnetisch, was sie für moderne Technik unersetzbar macht. Zudem werden sie von Windkraftanlagen bis zu Elektroautos in all den Anwendungen gebraucht, von denen die grüne Energieversorgung und Mobilität abhängt.  

Noch heute gibt es eine kleinere Mine in Schweden, wo die Metalle abgebaut werden, für den Weltmarkt aber spielt die kaum eine Rolle. Ob die Funde in Kiruna das nun wirklich ändern, daran gibt es jedoch gute Gründe zu zweifeln, wie ein genauerer Blick auf den globalen Markt und seine Lieferketten, andere Lagerstätten und weitere Entdeckungen der jüngeren Vergangenheit zeigen.

Derzeit wird der Markt für Seltene Erden von China dominiert, ein Großteil des Jahresbedarfs von rund 130.000 Tonnen wurden zuletzt von hier bedient. Auch in der Weiterverarbeitung sind die chinesischen Konzerne global führend: Während ihr Anteil am Weltmarkt bei den Rohstoffen selbst nur knapp 60 Prozent beträgt, sind es bei den daraus hergestellten Zwischenprodukten, vor allem Batteriemagneten, rund 90 Prozent.

Lagerstätten auf der ganzen Welt

Es ist aber keineswegs so, dass die Metalle nur dort zu finden wären. Noch in den Neunzigerjahren stammte ein Großteil der Seltenen Erden aus den USA. Die Bedeutung der dortigen Hersteller nahm vor allem ab, weil es sich im Wettbewerb mit der günstigen chinesischen Konkurrenz wirtschaftlich immer weniger lohnte, die Metalle abzubauen und zu verarbeiten. Vorhanden sind die Seltenen Erden auf allen Kontinenten, jedoch stets gebunden in anderem Gestein. Allein die Reserven in der Mine Bayan Obo, der größten der Welt, summieren sich auf 65 Millionen Tonnen, das Fünfhundertfache des globalen Jahresbedarfs.

Wirtschaftlich aussichtsreich ist der Abbau nur dort, wo die Metalle in besonders hoher Konzentration vorkommen. Genau das erschwert auch die Beurteilung von Nachrichten wie jener aus Schweden: Allein der Nachweis Seltener Erden sagt wenig darüber aus, ob diese dann auch abgebaut werden. So meldete die Türkei im vergangenen Herbst einen gigantischen Fund nahe der Stadt Eskisehir: Mehr als 694 Millionen Tonnen, nur unwesentlich weniger als die rund 800 Millionen Tonnen, die in China noch lagern, wollte man dort entdeckt haben. In der Szene aber entstand schnell Skepsis an der Meldung, schon weil genauere Daten fehlten. War der Fund wirklich so groß? Und selbst wenn, würden die Seltenen Erde auch in einer Konzentration vorzufinden sein, sodass sich der Abbau lohne?

von Rüdiger Kiani-Kreß, Jacqueline Goebel, Max Haerder, Andreas Macho, Christian Schlesiger, Martin Seiwert, Silke Wettach

Das Achtfache des Jahresbedarfs

Ähnliche Zweifel sollte man nun auch im Falle des Fundes in Schweden haben. „Aus der Meldung des Betreibers geht weder hervor, in welcher Konzentration die verschiedenen Metalle vorliegen, noch in welcher Art von Gestein sie liegen“, sagt Reiner Klemd, Professor für Biochemie und Lagerstättenkunde an der Universität Erlangen.

Dass die Meldung hier nicht von einer staatlichen Behörde oder einem Team von Wissenschaftlern stammt, sondern vom (staatlichen) Unternehmen LKAB, legt zumindest nahe, dass die Ausbeutung der Vorkommen wirtschaftlich erscheint. Die rund eine Millionen Tonnen, die am Fundort nahe Kiruna vermutet werden, erscheinen im Vergleich zu den Zahlen aus der Türkei zwar klein, entsprechen aber immerhin knapp dem Achtfachen des globalen Jahresbedarfs.

Wo die Probleme des Fundes liegen könnten, deutet das von LKAB genannte Startdatum für die Förderung an: 2037. Dass es so lange dauern wird, bis die ersten Seltenen Erden aus der Erde kommen sollen, verwundert auf den ersten Blick. Schließlich liegt die Fundstätte auf dem Gelände der größten Eisenerzmine Europas, technisch sollte der Aufwand also überschaubar sein. Dass der angepeilte Zeitraum dennoch angemessen sein dürfte, liegt an den strengen Regularien, die in der EU für den Bergbau gelten.

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Und selbst wenn die alle eingehalten werden, sind die Hürden noch nicht überwunden. So wurde eine andere Lagerstätte für Seltene Erden in Schweden (Norra Kärr) zwar von den Behörden genehmigt, anschließend aber aufgrund des lokalen Widerstands aufgegeben. „Da bin ich für den Fund in Kiruna optimistischer, schließlich liegt der mitten auf dem Gelände einer anderen Mine, die noch voll in Betrieb ist“, sagt Geologe Klemd. Aus dessen Sicht ist es gar nicht die Menge der Seltenen Erden selbst, die den Fund so bedeutsam macht. „Sondern die Tatsache, dass hier nicht nur leichte, sondern auch schwere Seltene Erden gefunden worden sind.“

Leichte Seltene Erden lassen sich schnell ersetzen

Diese neun Metalle aus der Gruppe der Seltenen Erden nämlich sind die einzigen, die den Namen tatsächlich verdienen: „Während die leichten Seltenen Erden global ungefähr so häufig anzutreffen sind wie Kupfer, sind die schweren Seltenen Erden wirklich rar, ähnlich wie etwa Palladium“, erläutert Klemd, dessen Einschätzung zufolge sich Europa oder die USA jederzeit auch selbst mit leichten Seltenen Erden versorgen könnte, wenn es gewünscht werden.

In Australien etwa gehen in den nächsten Jahren diverse neue Minen in Betrieb, auch dort gibt es bereits Konzerne mit Knowhow auf dem Feld sowie eine etablierte Industrie zur Aufbereitung der Metalle. Eine weltweite Wertschöpfungskette errichtet derzeit die Lynas Corporation. Das Unternehmen betreibt eine der ergiebigsten Minen für leichte Seltene Erden weltweit. Für das gewonnene Konzentrat baut das Unternehmen in der Minenstadt Kalgoorlie eine moderne Weiterverarbeitungsanlage zum Aufbrechen und Auslaugen des Erzes, die noch in diesem Jahr fertig werden soll.

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Im Feld der schweren Seltenen Erden hingegen ist die Bedeutung Chinas extrem groß: Rund 93 Prozent der Weltproduktion stammen von dort. Die wenigen weiteren bekannten Lagerstätten, etwa in Australien, haben alle einen gemeinsamen Nachteil: Die Metalle sind in radioaktivem Gestein gebunden, weshalb beim Abbau atomar verseuchte Abfälle entstehen. Das könnte in Kiruna anders sein, vermutet Klemd. Die dortigen Erze nämlich werden aus Apatitgestein gewonnen, im vergangenen Jahr hatte der Betreiber bereits angekündigt, aus den Abfallprodukten der Mine schwere Seltene Erden recyceln zu wollen. „Ich gehe deshalb davon aus, dass auch der Fund jetzt in Apatit-Gestein gemacht wurde“, sagt Forscher Klemd. „Dann wäre die Entdeckung wirklich eine Sensation, denn beim Abbau fallen dann keine radioaktiven Abfälle an.“

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