
Vorsichtig hebt Juliano Pinto sein Bein – und kickt den Ball mehrere Meter weit. Was für jeden gesunden Menschen eine Kleinigkeit ist, für den 29-jährigen Brasilianer ist es der Moment seines Lebens. Bei der Eröffnungszeremonie der Fußballweltmeisterschaft vergangenes Jahr dabei sein. Vor Zehntausenden Menschen im Corinthians-Stadion in São Paulo, vor einer Milliarde TV-Zuschauern auf der ganzen Welt. Er und der Ball. Schießen. Und das als Querschnittsgelähmter, der schon seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt.
Monatelang hatte Pinto mit einem Exoskelett trainiert, eingespannt in eine 42 Kilogramm schwere Konstruktion aus Kunststoff, Motoren und Sensoren. Immer und immer wieder musste er üben, mit den elektrischen Signalen seines Gehirns den Roboter zu steuern, der ihn gehen ließ.
Halb Mensch, halb Maschine
„Magisch“ fand diesen Moment auch Gordon Cheng. Der in München lehrende Informatik-Professor ist einer der beiden führenden Köpfe hinter dem Walk-Again-Projekt, das Pinto ein paar Schritte und einen Schuss schenkte. Über vier Jahre arbeitete er mit seinem Team von der Technischen Universität München an dem Exoskelett, flog fünf Mal pro Jahr nach Brasilien, um das vermeintlich Unmögliche möglich zu machen: Ein Lahmer geht. Und Taube hören wieder, Blinde sehen.
Serie "Wirtschaftswelten 2025"
Nichts wird bleiben, wie es ist. Das Internet verändert unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, das ganze Leben. Datenanalyse ersetzt Bauchgefühl (Big Data), Brillen sprechen mit Autos (Internet der Dinge). Unternehmen müssen sich neu erfinden, Märkte bilden sich neu (informationsökonomische Revolution). Was bedeutet das für Arbeit, Mobilität, Geld, medizinische Versorgung? Und was wird aus uns? In der Kurztextgalerie finden Sie alle im Rahmen der Serie erschienenen Artikel.
Lange waren denkende Computer nur Science-Fiction. Nun aber beantworten die smarten Maschinen schon E-Mails, planen unseren Urlaub und arbeiten als Dolmetscher. Bald sind sie klüger als wir - und können jeden Job übernehmen. Hier geht es zum Artikel.
Viele Menschen fürchten, im Zuge der Digitalisierung von Maschinen ersetzt zu werden. Doch diese Angst trübt den Blick für die Vorteile neuer Technologien, schreibt
Maschinen lernen aus Daten, und zwar sehr schnell. Wie gut, dass wir ihnen etwas Entscheidendes voraushaben, meint Viktor Mayer-Schönberger.
Intelligente Roboter-Autos chauffieren uns schon in wenigen Jahren durch die Städte – und machen dabei auch den eigenen Wagen überflüssig, meint WirtschaftsWoche-Redakteur Jürgen Rees.
Künstliche Intelligenz zu verbieten, ist sinnlos. Doch wenn sie nicht eingeschränkt wird, wird sie uns nicht nur gewaltige Vorteile bringen - sondern auch gewaltige Nachteile, schreibt Gary Marcus.
Intelligente Maschinen werden die Arbeitswelt verändern. Es könnte zu Revolten kommen. Aber nicht durch die Maschinen - sondern durch jene Menschen, die von den Maschinen ersetzt wurden, warnt Patrick Ehlen.
Wir werden auch in Zukunft die Kontrolle über Maschinen behalten – falls wir uns klug und menschlich verhalten. Das ist möglich. Aber keinesfalls sicher, schreibt David Gelernter.
Ist das Ende 40.000-jähriger, durch den Homo sapiens sapiens dominierter Geschichte in Sicht? Selbstlernende künstliche neuronale Netze erledigen manche Aufgabe schon heute besser als Menschen.
Wichtige ethische Fragen sind bislang nicht nur unbeantwortet. Sie sind nicht einmal gestellt, mahnt Bernhard Rohleder.
Die Maschinen nähern sich einem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Als speicherprogrammierte Rechner die ersten Befehle ausführen konnten, begannen die Maschinen die Kontrolle zu übernehmen, schreibt George Dyson.
Roboter könnten uns eines Tages als Arbeitskollegen oder Gefährten unterstützen, glaubt der Wissenschaftler Guy Hoffman. Aber wie viel Kontrolle wollen wir den Maschinen überlassen?
Globale Vernetzung und immer billigere Waffen machen Kriege erschwinglich für alle. Wie sich Kriegsführung und -abwehr verändern, beschreibt das fiktive Protokoll einer Attacke aus dem Jahr 2025.
Maschinen entscheiden, Werkstücke erteilen Befehle: Die digitale Fabrik verspricht die Annäherung an das Extrem einer Produktion ohne den Menschen. Die deutschen Unternehmen müssen aufpassen, dass die USA nicht vor ihnen in der Zukunft ankommen. Lesen Sie hier wie es um die Industrie 4.0 in Deutschland steht.
Es klingt nach biblischen Wundern, was den Wissenschaftlern da in ihren Laboren gelingt. Immer besser verstehen sie es, komplexeste Ersatzteile zu bauen. Was einmal mit der eisernen Hand des Ritters Götz von Berlichingen begann, wird heute zum Massenprodukt mit TÜV-Siegel. Ein Minicomputer im Innenohr ist heute für taube Menschen fast schon normal. Rechenchips im Auge lassen Sehbehinderte wenigstens wieder Schemen erkennen. Und noch in diesem Jahr soll der Gehirnstecker in den USA eine Zulassung erhalten. Mit seiner Hilfe können wir bald mit unserem Denkorgan direkt einen PC steuern. Selbst das Herz, das mystischste aller Organe, Symbol der Gefühle, wird ersetzt durch eine kalte Pumpe im Brustkorb. Mediziner in Frankreich und Deutschland testen gerade erfolgreich Prototypen an ersten Patienten.
Was da entsteht, sind Mischwesen aus Mensch und Maschine, Cyborgs, die womöglich eines Tages sogar unsterblich sind. Traum – oder Albtraum?
Möglich werden diese enormen Fortschritte nach Jahrzehnten intensiver Forschung, weil die Verständigung zwischen dem menschlichen Nervensystem – das mit elektrischen Signalen arbeitet – und den elektronischen Bauteilen inzwischen gut klappt. Denn die Wissenschaftler verstehen immer besser, wie unsere Nerven, Sinnesorgane und unser Gehirn arbeiten. Sie können die Signale und Steuerbefehle aus dem Körper mit hochgezüchteten Algorithmen enträtseln. Und sich dank winziger Hochleistungsrechner mitten im Körper in die Kommunikation hineinschalten.
Und nebenbei entstehen Milliardenmärkte. Immer kleinere elektrische Impulsgeber arbeiten als Schrittmacher für das Herz, lindern Beschwerden von Parkinsonkranken, verhindern Anfälle bei Epileptikern. Ständig neue Anwendungsgebiete haben die weltweiten Umsätze mit diesen Geräten in den vergangenen Jahren enorm steigen lassen. Den Klassiker – den Herzschrittmacher – implantieren die Ärzte allein in Deutschland jährlich mehr als 100.000 Mal, einen Hirnschrittmacher 400 bis 500 Mal – die Gesamtkosten dieses Eingriffs liegen bei 31.000 Euro aufwärts. Weltweit tragen inzwischen etwa 120.000 Menschen derartige Elektroden im Kopf.
Update für Gesunde
Roboter wie Pintos Exoskelett helfen Unfallopfern und Schlaganfallpatienten, ihre körperlichen Fähigkeiten wieder zu trainieren. Das Geschäft mit diesen Systemen soll von aktuell 43,3 Millionen Dollar bis 2020 auf 1,8 Milliarden Dollar weltweit wachsen, erwarten die Marktforscher von Wintergreen Research aus den USA.
Von vielen dieser Errungenschaften profitieren nicht nur kranke Menschen. In Südkorea helfen Exoskelette den Arbeitern des Schiffbauers Daewoo in ersten Tests, schwere Lasten zu tragen. Natürlich ist auch das Militär an Anzügen interessiert, die Soldaten wie der Filmfigur „Iron Man“ übermenschliche Fähigkeiten verleihen.