Stammzellen Wie Forscher Organe züchten wollen

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Lebendes Gewebe von Vorteil

Forscher schaut durch ein Gefäß Quelle: dpa/dpaweb

All diese Probleme ließen sich vermeiden, wenn das Gewebe wirklich leben würde, sagt Andres Hilfiker. Er leitet in Hannover den Bereich Tissue Engineering an den Leibniz Laboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe (Lebao). Gegründet hat diese international renommierte Ideenschmiede der Organzuchtpionier und Herzchirurg Axel Haverich. Seit 2006 ist das Lebao auch Teil eines 130 Forscher starken Spitzenforschungsclusters namens Rebirth.

Die Wiedergeburt ist zwar noch nicht endgültig geglückt. Doch einen Teilerfolg kann die Lebao-Ausgründung Corlife schon verbuchen: Sie stellte im Frühjahr Herzklappen vor, die nicht erstarren und zudem mitwachsen. Gerade für herzkranke Kinder sei das ideal, sagt Hilfiker: „Sie müssen bisher immer wieder operiert werden.“ Auch Erwachsene müssen die erstarrten Klappen alle paar Jahre wechseln lassen. Bei den neuen Klappen aus Hannover handelt es sich um menschliche Spenderklappen. Sie werden wie das Schweinehautpräparat Strattice von allen Zellen befreit, um eine Abstoßung zu verhindern. 70 Mal wurden sie schon eingesetzt.

Ganz unabhängig sind die Entwickler damit noch nicht von den gespendeten Klappen von Verstorbenen. Eine Alternative dazu könnte mithilfe des Schweins gelingen, dessen Herz in Größe und Bauweise dem des Menschen sehr ähnlich ist. Der Vorteil wäre offensichtlich: Die Tiere werden als Fleischlieferanten ohnehin zigtausendfach geschlachtet. Ließen sich ihre Herzklappen nutzen, wären die gut 18 000 Patienten, die pro Jahr in Deutschland eine neue Herzklappe bekommen, schnell mit einem optimal einwachsenden Reparatur-Set versorgt.

Genetische Tricks

Anders als die Entwickler von Lifecell hat der Entwicklungsbiologe Hilfiker aber die Erfahrung gemacht, dass neben den Schweinezellen und dem Zucker Alphagalaktose noch andere schweinetypische Erkennungsmoleküle auf dem Gewebe sitzen: „Wenn wir Schweineklappen in Schafe einsetzten, gab es Abstoßungsreaktionen.“ Deshalb versucht der Forscher nun, diese störenden Strukturen zu identifizieren und sie von den schweinischen Klappengerüsten abzulösen.

Über einen gentechnischen Trick versucht er zudem, Schweine dem Menschen ein bisschen ähnlicher zu machen. Dazu schaltet er alle Gene aus, die die Alphagalaktose und weitere schweinetypischen Strukturen auf dem Kollagen verankern. Knock-out-Schweine heißen solche Tiere, die Heiner Niemann vom Institut für Nutztiergenetik in Mariensee bei Hannover für Hilfiker entwickelt. Rein äußerlich sind sie nicht von normalen Schweinen zu unterscheiden.

Ideal indes ist erst die Zucht von komplett menschlichen Klappen oder Herzmuskelgewebe im Labor. Auch daran arbeitet Hilfiker – gemeinsam mit seiner Kollegin Ina Gruh und deren achtköpfigem Team.

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