Start-up Floating Farm Wo die Kühe auf dem Wasser wohnen

Kühe, die über Wasser gehen – das gibt es bald in den Niederlanden: In Rotterdam entsteht eine schwimmende Farm – samt Ökostrom und Kreislaufwirtschaft. Was soll das? Und: Werden die Tiere da nicht seekrank?

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See-Kühe einmal anders: Der erste Bauernhof auf dem Wasser soll ab 2016 Milch liefern. Quelle: Presse

Sie bauen Deiche, Häuser auf Stelzen und Cafés, die auf dem Wasser schwimmen: Die Niederländer sind seit jeher besonders einfallsreich, wenn es darum geht, nah am Wasser zu leben. In Rotterdam entsteht nun aber ein selbst für Holland ungewöhnliches Projekt auf den Wellen: Im Merwehaven, einem ehemaligen Hafen mitten in der Stadt, baut das Start-up Floating Farm den wohl ersten schwimmenden Bauernhof der Welt.

„Der Meeresspiegel steigt, Ackerland wird weltweit knapp“, sagt Peter van Wingerden, Gründer und CEO von Floating Farm. „Gleichzeitig ziehen immer mehr Menschen in die Metropolen an den Küsten.“ Deswegen müssten die Farmen in die Städte ziehen, nah zu den Verbrauchern, um auch die Transportwege der Lebensmittel kurz zu halten. Und weil dort Boden rar und teuer ist, bleibt nur eine Alternative: die Flüsse oder das Meer.

Autonome Erntehelfer
Eine landwirtschaftliche Maschine auf einem Feld Quelle: Claas
Traktoren mit Lenksystem Quelle: Claas
Agrobot, mechanischer Erntehelfer Quelle: Agrobot
Feldroboter Quelle: David Dorhout
Ein Flugroboter wird über einem Feld fliegen gelassen Quelle: dpa
Satellitenbild Quelle: NASA astronauts
Ein Landwirt ruft Daten in einem Traktor ab Quelle: Claas

Van Wingerden, der bei Floating Farm zwei Mitgründer an seiner Seite hat, bringt Erfahrung mit dem Wasser mit, denn mit seinem Hauptunternehmen Beladon entwickelt er bereits seit Jahren schwimmende Häuser. Die Pilotfarm in Rotterdam soll nun zeigen, dass die Bauernhof-Idee mehr ist als eine Spinnerei.

Der 1200 Quadratmeter große Ponton – fast so groß wie ein Eishockeyfeld – soll nahezu autark Nahrung für die Anwohner in der Nachbarschaft produzieren – und nur zwei Arbeitskräfte benötigen. Im Obergeschoss leben unter einem Glasdach 60 Kühe. Ein Boden aus Kunstrasen und echte Bäume sollen den Tieren eine zumindest naturähnliche Umgebung bieten.

Landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland

Zugleich ist die schwimmende Weide nahezu vollständig automatisiert: Die Konstruktion des Bodens lässt den Urin der Tiere hindurchsickern und in einen Tank fließen. Ein Reinigungsroboter wiederum sammelt die Kuhfladen ein.

Ab 2016 weiden die ersten Kühe auf dem Wasser

Die sollen so den nötigen Rohstoff liefern für eine Biogasanlage, die Strom und Wärme erzeugt. Noch mehr Energie produzieren Solarzellen auf dem Dach. Es fungiert zudem als Sammler für das Regenwasser, das in die Tränken der Kühe fließt. Im Untergeschoss wächst unterdessen das Futter für die Kühe heran: Gras, das von LED-Lampen optimal beleuchtet wird.

Zwei Millionen Euro kostet der Prototyp, den die Gründer mit privaten Mitteln finanzieren. Seit Oktober ist die Plattform im Bau, ab August 2016 sollen die ersten Kühe auf dem Wasser weiden.

Dass die Tiere auf dem Wasser womöglich seekrank werden, glaubt van Wingerden nicht. Die schwimmende Farm sei artgerecht, versichert er und kalkuliert 15 Quadratmeter Fläche pro Tier. Das sei mehr als in den meisten regulären Ställen. „Die Kühe können selbst entscheiden, wann sie gemolken werden“, erzählt der Gründer. Dazu gehen sie zu einem weiteren Roboter, der die Euter erkennt und automatisch melkt.

Schwimmende Farmen lösen das Platzproblem

Das vorbeiströmende Wasser der Maas soll die Kühlung für die Milchfabrik im Untergeschoss des maritimen Gehöfts liefern. Pro Tag, hat van Wingerden berechnet, könnte die Anlage – ganz nah an den Abnehmern – 1500 Kilogramm Milch produzieren. Künftig ließen sich größere Pontons mit bis zu 200 Kühen bauen, ist van Wingerden überzeugt. 40 schwimmende Farmen könnten dann ganz Rotterdam mit seinen 620.000 Einwohnern versorgen.

Milchvieh, das in See sticht – was sich anhört wie die Idee von Fantasten, ist offenbar weit weniger abstrus, als es klingt. Der Ansatz sei durchaus innovativ, sagt Roel Jongeneel, Agrarökonom und Milchexperte an der Universität Wageningen bei Arnheim im Osten der Niederlande. Er sieht bei der schwimmenden Roboter-Farm daher eher Image- als Technikprobleme: Die Bevölkerung verbinde „Milch gewöhnlich mit natürlicher Umgebung und Kühen, die auf Weiden grasen“.

Floating-Farm-Gründer van Wingerden ficht das nicht an. Für ihn ist Milchviehhaltung ohnehin nur der Anfang: Das Konzept lasse sich auch auf Hühner- und Gemüsefarmen übertragen, sagt der Gründer. „Wir können schwimmende Farmen praktisch überall auf der Welt bauen, wo es geeignete Gewässer gibt.“ Und Wasser dürfte es angesichts steigender Meeresspiegel bald zur Genüge geben.

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