Um viele Menschen ist es in dieser Hinsicht offenbar nicht sonderlich gut bestellt. Denn von den 918 Kandidaten blieben nur 192 übrig. Darunter auch Alexander Gerst, dem erst langsam dämmerte, dass die ganze Sache mit dem Weltraumflug vielleicht doch nicht nur ein schöner Traum bleiben musste.
Erneut wurde er eingeladen. Und diesmal hatte die Esa ein ganzes Team an Psychologen auf die potentiellen Astronauten angesetzt. Sie beobachteten sie bei Gruppenaufgaben. Und sie führten lange, tiefschürfende Gespräche. “Astronauten müssen begabte Kommunikatoren sein”, sagt Testleiter Danesy, “sie müssen teamfähig sein und in Konflikten angemessen reagieren.”
Man darf nicht vergessen, dass die Crew auf der ISS sechs Monate lang eingeschlossen ist. Für jeden Drehbuchschreiber wäre das ein vernünftiger Plot für einen Horrorfilm, bei dem spätestens nach den ersten 45 Filmminuten alle ausrasten. Aber eben das darf auf der ISS nicht passieren.
Und darum müssen Astronauten enorm zähe Typen sein, die so schnell nichts aus der Geduld bringt und die auch das ständige Summen der Lüftung auf der Raumstation nicht irgendwann dazu verleitet, eine Luke aufzureißen und sich ins All zu stürzen.
Auf 55 Kandidaten traf das zu - und darunter wieder Gerst. So langsam konnte er sich leise Chancen ausmalen. Aber eine wichtige Prüfung stand erst noch an: Der so genannte astromedizinische Test. Eine ganze Woche lang schwitzten die Bewerber auf dem Ergometer, ließen sich die Herztöne abhören und den Blutdruck messen, spendeten Blut und durchliefen Konditionstests.
“Astronauten müssen keine Hochleistungssportler sein”, sagt Hans Bolender, Leiter der Trainingsabteilung im EAC, “sondern einfach nur fitte und gesunde Leute.”
Alle 55 Kandidaten hatten bereits eine Flugtauglichkeitsprüfung bestanden, bevor sie sich überhaupt beworben hatten - eine Untersuchung, bei der ein speziell ausgebildeter Arzt praktisch den gesamten Körper durchscannt: Das Herz, die Lunge, das Blut, Nieren, die Knochen. Sogar “Leistenbruch, Narbenbruch oder Hodenbruch” müssen die Experten ausschließen, wie es in einem medizinischen Informationsblatt heißt.
Wer einen Flugtauglichkeitstest besteht, ist mit großer Wahrscheinlichkeit kerngesund. Aber was normal ist und was gesund - darüber hat die Esa offenbar eigene Maßstäbe: Nach dem Test durch die Esa-Mediziner blieben von den 55 Kandidaten nur 22 übrig. “Die waren genial”, schwärmt mir Personalchef Delany am Telefon vor.