Die sogenannten Doppelsterne sind sehr verbreitet. Etwa die Hälfte der Sterne in einem Sternenhaufen (auch Cluster genannt) sind Doppelsterne. Der Sternenhaufen, der uns am nächsten ist, heißt Orion. In diesem Orion-Nebel wurden etwa 4000 Sterne geboren. Bei guten Bedingungen, kann man das etwa eine Millionen Jahre alte Cluster sogar von der Erde aus erkennen, denn es ist um ein vielfaches größer als unser Sonnensystem.
Entstanden ist Orion aus einer riesigen um sich selbst drehende Gaswolke. Darin hat die Schwerkraft die Wassermoleküle so zusammengepresst, dass sie zu Atomkernen verschmolzen sind und Kernfusionen zünden konnte. Als Ergebnis sind die Sterne und eben auch die Doppelsterne entstanden. Einer der bekanntesten Doppelgänger ist Sirius aus dem Sternbild „Großer Hund“. Er ist der hellste Stern am Nachthimmel und besteht eigentlich aus zwei Sternen, die sich alle 50 Jahre einmal umkreisen.
„Wir wissen noch sehr wenig darüber, wie der frühe Entstehungsprozess der Sterne von statten geht“, sagt Susanne Pfalzner vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. Sie forscht seit Jahren zu diesem Thema und betreut Doktoranden, die im Rahmen ihrer Forschung nun einen entscheidenden Schritt nach vorne gemacht haben. „Die Forschung ist vor allem deshalb so spannend, weil auch die Sonne einst aus einem ganz ähnlichen Cluster wie Orion entstanden ist.“, sagt Pfalzner. Von der genauen Betrachtung der Doppelsterne versprechen sich die Forscher vor allem tiefergehende Erkenntnisse über die Geburt der Sterne insgesamt.
Doppelsterne bereits im Jahr 1800 entdeckt
Aber zunächst ein paar Fakten: Bereits um 1800 entdeckte der Astronom Friedrich Wilhelm Herschel erstmals die Doppelsterne. Eigentlich hatte er versucht die Abstände der Sterne zueinander zu bestimmen. Dafür suchte er nach sehr hellen Sternen, in deren direkter Umgebung sich ein schwach leuchtender Stern befand. Herschel vermutete, dass dieser viel weiter Weg sei als der hell leuchtende Stern und benutzte ihn als Ortsmarke. Mit der Zeit kam ihm der Gedanke, dass diese beiden Sterne zusammengehören könnten.
Bisher war lediglich bekannt, dass der Abstand zwischen jungen Doppelsternen zu Beginn ihrer Entstehung konstant bleibt. Dabei ist es möglich, dass die beiden Schwerstern ganz unterschiedlich weit voneinander entfernt sein und sich entsprechen langsam oder eben schneller umeinander drehen: ein bis zehn, zehn bis 100 oder auch 100 bis 1000 Jahre kann es dauern, ehe die Himmelskörper sich einmal umeinander bewegt haben. „Vor allem die jungen Sterne entstehen nicht einfach so alleine. Sie treten immer in Gruppen auf“, sagt Pfalzner. Nicht nur Doppelsterne auch Konstellationen mit mehreren Objekten sind denkbar.
Die Neugierde der Forscher ist geweckt
Anders sieht es bei älterer Doppelsternen aus. Sie kommen deutlich seltener und vor allem nicht so breit gestreut vor. Die meisten von ihnen kreisen etwa alle 200 Jahre umeinander. Doppelsterne die weiter voneinander entfernt, beziehungsweise näher aneinander dran sind, kommen deutlich seltener vor. Und genau das hat die Neugierde der Forscher geweckt: Wohin sind sie verschwunden?
Eine Antwort ist einfach: Je weiter die Sterne voneinander weg sind, desto weniger beeinflussen sie sich gegenseitig. Sie spüren weniger von der Gravitation ihres Geschwistersterns. Kreuzen andere Sterne die Bahn der beiden, können sie sich voneinander treffen und als eigene Sterne weiter existieren. Bei denen, die eng beieinander stehen, wird die Erklärung schon schwieriger. „Wir gehen davon aus, dass sich die beiden Sterne so stark anziehen, dass sie zu einem werden“, sagt Susanne Pfalzner vom Max-Planck-Institut.Die Theorie dazu stammt von dem Astrophysiker Steven Stahler.
Das Dilemma der Forscher
Vor zwei Jahren vermutete er, dass das Gas im Cluster die Umlaufbahn der Sterne so verlangsamen würde, dass die beiden Sterne sich immer stärker aneinander annähern, bis sie zu einem verschmelzen. „Der Begriff der Sternschmelze ist in der Wissenschaft nicht gerade anerkannt“, korrigiert Susanne Pfalzner. „Er deutet an, dass Flüssiges miteinander verbunden wird.“ Und so ist es nicht. Zwar herrscht im Inneren eine hohe Atomdichte bei großer Hitze. Doch dass die Kerne der Sterne mit einander verschmelzen stimmt so nicht. Vielmehr vereinen sich die äußeren lockereren Atomschichten miteinander. Das Wort „Verweben“ trifft es vermutlich besser.
Wie auch immer die Forscher es nennen wollen, Stahlers Theorie besagt vor allem eines: Doppelsterne sind eigentlich nur eine Phase, ein Entwicklungsschritt hin zum einzelnen, großen Stern. Wenn man bedenkt, dass die Geburt eines Sterns mindestens eine Million Jahre dauert, wird das Dilemma der Forscher deutlich. Allein durch Beobachtung lässt sich diese Vermutung nicht belegen.
Hilfe aus Jülich
Also haben die deutschen Wissenschaftler sich Hilfe am Großrechner in Jülich geholt. Auf JUROPA wurde eine Simulation mit den physikalischen Eckwerten des Orion-Nebels erstellt, um die Dynamiken des Clusters im Zeitraffer ablaufen lassen zu können. Die Kopie besteht genau wie das Original aus 4000 Sternen, einer vergleichbaren Verteilung der Masse und den Umlaufzeiten sowie der Gravitationskräfte. Vor allem das Berechnen dieser Kräfte hat sich als eine besondere Herausforderung herausgestellt, da sich Gravitationskräfte mit zwei Körper nicht genau berechnen lassen. Die Wissenschaftler mussten auf eine Annäherung zurückgreifen. Am Ende war das Ergebnis aber doch erstaunlich gut. Der Zeitraffer funktionierte und lieferte neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Gas und Doppelsternen.
Eindeutiges Ergebnis
Das Ergebnis scheint eindeutig: Die Schwerkraft der Sterne zieht das Gas an, wodurch dieser verlangsamt wird. Dadurch verkürzt sich die Umlaufbahn immer mehr. Die Berechnungen haben außerdem ergeben, dass zwei Sterne, die hunderte Male größeren Abstand zueinander haben als die Erde zur Sonne, sich innerhalb von einer Million Jahre so sehr annähern können, dass sich schon erste Verbindungen herstellen. Der Austausch der Atome verläuft über eine Art Nabelschnur. All das haben die Darstellungen am neuen Superrechner JUROPA ergeben.
„Die Ergebnisse hätte man vermutlich auch mit einem kleineren Rechner mit Zwischenschritten bekommen“, sagt Susanne Pfalzner. Allerdings ermöglicht der Computer aus Jülich eine Verarbeitung viel größerer Datenmengen, was eben zu schnelleren und auch präziseren Ergebnissen führt.
Der Einsatz hat sich gelohnt. Durch die neuen Berechnungen und die Orion-Cluster-Kopie haben die Forscher viel darüber erfahren, wie Doppelsterne zu einem werden. Vielleicht ist ja auch unsere Sonne so entstanden. Aber vielleicht auch nicht. Denn so gleich die Sterne am Himmel von der Erde aus auch aussehen, sind sie in Wahrheit doch echte Individualisten. So gibt es im Orion-Nebel eine Sonne namens Beteigeuze, die 600 Mal so groß ist, wie jene, die die Erde wärmt und mit Energie versorgt.
Doch dazu ein anderes Mal mehr.