Sternstunde

Schweizer schicken Müllabfuhr in den Erdorbit

Andreas Menn Quelle: Frank Beer für WirtschaftsWoche
Andreas Menn Redakteur Innovation & Digitales

Der erdnahe Weltraum ist voller Schrottteile, die die Raumfahrt bedrohen. Ein neuer Mini-Satellit soll den Müll nun beseitigen.

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Schrottplatz Weltraum
Die Computersimulation der Europäischen Weltraumorganisation ESA zeigt auffindbare Objekte in der Erdumlaufbahn. Rund 6000 Tonnen Weltraummüll kreisen schon heute auf erdnahen Bahnen um unseren Planeten - und jedes Jahr kommen einige Dutzend Tonnen dazu. Quelle: dpa
Spektakuläre Trümmerteile wie dieser Tank einer amerikanischen Delta 2-Rakete, der 1987 in Texas niederging ... Quelle: NASA
... oder dieses Bruchstück eines Raketenstufe, das 2001 in Saudi Arabien einschlug, verdeutlichen einen Aspekt des Problems: Pro Jahr stürzen mehrere zehn Tonnen Weltraumschrott zur Erde zurück. Zwar verglüht das meiste davon in der Atmosphäre, besonders große Trümmerstücke können jedoch bis zur Erdoberfläche durchkommen. Quelle: NASA
Die US-Amerikanerin Lottie Williams ist der bislang einzige Mensch, der von einem Stück Weltraumschrott getroffen wurde. Bei dem Zwischenfall im Jahr 1997 hatte sie großes Glück: Das Bruchstück einer Delta 2-Rakete der US Air Force traf ihre Schulter, verletzte sie aber nicht. Quelle: NASA
Ungleich größer sind die Gefahren, die von Weltraumschrott für Objekte im erdnahen Orbit ausgehen. Dieses bei Reparaturarbeiten ausgetauschte Teil des Hubble-Weltraumteleskops weist zahlreiche Einschlagspuren auf. Quelle: NASA
Auch die Antennenschüssel des Weltraumteleskops wurde durch Weltraumschrott in Mitleidenschaft gezogen. Quelle: NASA
Solche Trümmerteile aus Aluminiumoxid entstehen beim Einsatz von Feststoffraketen, wie sie etwa beim Start eines Spaceshuttles zum Einsatz kamen. Im All entwickeln sie sich zu Geschossen mit enormer Durchschlagskraft. Quelle: NASA

Der Weltraum ist voller Gefahren – aber an einer der größten sind die Menschen selbst Schuld: Seit Beginn der Raumfahrt summieren sich Raketenstufen  und ausgediente Satelliten zu hunderten Tonnen Schrott. Abertausende Trümmerstücke kreisen um die Erde, jedes davon ein tödliches Geschoss, das ganze Raumschiffe zerstören kann.

Schweizer Forscher wollen das Müllproblem nun angehen. Ein Team an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) hat dazu eine orbitale Müllabfuhr entwickelt. Der Satellit namens "CleanSpace One", ausgestattet mit Roboterarmen, soll ins All fliegen, um dort ein Schrottteil zu packen und es in die Erdatmosphäre herabzuziehen, damit es dort wie eine Sternschnuppe verglüht.

Bisher nur Gedankenspiele

Schon seit mehreren Jahren arbeiten die Wissenschaftler an ihrem Abschleppfahrzeug fürs All – nun haben sie einen konkreten Starttermin gefunden: Im Jahr 2018 soll CleanSpace One zu seinem ersten Einsatz ins All fliegen. Der Flug soll zugleich die Premiere eines neuartigen privaten Weltraum-Gleiters namens Suborbital Reusable Shuttle (SOAR) werden, das derzeit vom Schweizer Startup Swiss Space Systems (S3) entwickelt wird.

Läuft alles wie geplant, wird die Mission so ablaufen: Ein A300-Jet nimmt die Raumfähre huckepack und fliegt damit auf zehn Kilometer Höhe. Dort setzt sich der computergesteuerte Raumgleiter ab, zündet seine Raketentriebwerke und steigt auf 80 Kilometer hinauf. Dann öffnet er seinen Laderaum und setzt eine kleine Raumkapsel frei. Sie steigt dann mit eigenen Raketendüsen auf bis zu 700 Kilometer hinauf in den Weltraum.

Dort angekommen, entlässt die Kapsel den Räum-Roboter der EPFL in den Erdorbit. Das Vehikel fliegt daraufhin sein Ziel an – etwa einen ausgedienten Satelliten oder das abgerissene Solarpanel einer Raumsonde. Mit vier Greifarmen, die von einer intelligenten Software gesteuert werden, schnappt sich CleanSpace One das Trümmerstück – und steigt dann mit gezielten Triebwerk-Schüben in die Atmosphäre der Erde hinab.

Abschleppen aller Objekte wäre unbezahlbar

Bisher waren solche Mission nur Gedankenspiele – denn sie galten als viel zu teuer. Doch die Allianz von EPFL und S3 könnte eine kosmische Müllabfuhr nun preiswerter machen. Denn das Raumshuttle, das den Räum-Satelliten ins All transportiert, lässt sich wiederverwenden. Damit sollen Satelliten-Starts ins All umgerechnet nur noch acht Millionen Euro kosten – rund vier Mal weniger als mit heutigen Raketen, die nach einmaligem Gebrauch in der Atmosphäre verglühen.

Zwar soll CleanSpace One bei seiner ersten Mission nur einen defekten Mini-Satelliten mit zehn Zentimetern Kantenlänge abschleppen - derzeit kreisen im Erdorbit mehr als 16000 Objekte, die mindestens so groß oder größer sind. Sie alle abzuschleppen, wäre als ein unbezahlbares Unterfangen.

Doch mit seinem ersten Aufräum-Einsatz im All soll CleanSpace One zunächst beweisen, dass die Technik funktioniert. Später, hoffen die Schweizer Forscher, könnten größere orbitale Müllwagen gebaut werden, die auch größeren Schrott abschleppen können. Dann ließen sich ausgewählte große Trümmer in besonders vermüllten Orbits entfernen, um Kollisionen zu vermeiden, aus denen tausende kleine Schrottteile hervorgehen würden.

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