Wir Menschen haben es mal wieder geschafft. Neben gigantischen Müllbergen vor großen Metropolen und tonnenweise Plastik im Meer haben wir nicht nur unseren Planeten vermüllt, sondern auch die näheren Umlaufbahnen um die Erde herum. Seit dem Start der russischen Raumfähre Sputnik am 4. Oktober 1957 haben Weltraumforscher tausende Satelliten und Raumsonden sowie Unmengen von Abfall im All hinterlassen. Jedes Mal, wenn eine Rakete in den Weltraum geschossen wird, gelangen auch abgebrannte Raketenstufen, Bolzen und andere Kleinteile in die Umlaufbahn. Auch wenn ein Satellit ausgedient hat, fliegt er weiter durch den Orbit. Die erdnahe Umgebung ist inzwischen voller High-Tech-Schrott.
Wie bei der Umweltbelastung auf der Erde haben die Menschen auch das Problem im All erst wirklich ernst genommen, als es eigentlich schon zu spät war. Inzwischen ist es dort oben so voll, dass Funk- und Fernsehsatelliten sowie die Raumfahrt insgesamt in Gefahr geraten. „Wir können uns nicht mehr zurücklehnen. Wir müssen nun aktiv eingreifen und aufräumen“, sagt Professor Heiner Klinkrad von der European Space Agency (ESA) in Darmstadt. Um das Problem der sogenannten Space Debris in den Griff zu bekommen, ist internationaler Austausch gefragt. Daher treffen sich vom 17. bis 19. April die zwölf führenden, raumfahrttreibenden Nationen zu internen Abstimmungsgesprächen, mit einer anschließenden viertägigen internationalen Fachtagung in Darmstadt.
Verwüstung durch Meteoriten auf der Erde
Vor etwa 50.000 Jahren traf ein Meteorit mit einem Durchmesser von 45 Metern und einem Gewicht von 270.000 Tonnen auf die Erde. Beim Aufprall im Gebiet des heutigen US-Bundesstaates Arizona war er 72.000 Kilometer in der Stunde schnell und riss ein mehr als 170 Meter tiefes Loch. Der nahezu kreisrund Barringer-Krater mit einem Durchmesser von 1600 Metern wurde nach dem amerikanischen Bergbauingenieur Daniel Barringer benannt, der ihn im Jahr 1902 als erster erforschte. Wissenschaftler fanden dort einige kleine Stücke des Himmelskörpers aus Nickel und Eisen, der Hauptteil des Meteoriten verdampfte.
Der Einschlag des Meteoriten an der Nordküste der mexikanischen Halbinsel Yucatán soll vor etwa 65 Millionen Jahren das Aussterben der Dinosaurier verursacht haben. Die dabei freigesetzte Einschlagenergie entsprach nach Angaben des Deutschen Geoforschungs-Instituts in Potsdam mehr als dem Zehntausendfachen des gesamten Weltarsenals an Atomwaffen und setzte riesige Mengen an Staub und Gas frei. Der Meteorit mit einem Durchmesser von mehr als zehn Kilometern traf die Erde mit etwa 90.000 Kilometern in der Stunde. Der Krater war bei einem Durchmesser von etwa 180 Kilometern bis zu 900 Meter tief. Etwa die Hälfte des Kraterrings ist unter der Meeresoberfläche des Golfs von Mexiko verborgen, auf dem Festland liegt er unter einer dicken Sedimentschicht.
Das nordschwäbische Ries ist ein fast kreisrunder Kessel mit einem Durchmesser von etwa 25 Kilometern. Der Riesenkrater entstand vor etwa 14,5 Millionen Jahren, als ein fast ein Kilometer großer Steinmeteorit mit einer Geschwindigkeit von geschätzten 70.000 Stundenkilometern nahe der heutigen Stadt Nördlingen (Bayern) auf die Erdoberfläche prallte. Er drang 1000 Meter tief in die Erdkruste ein. In der Gluthitze des Aufpralls verdampfte der Meteorit. Die Wucht des Einschlags bewegte nach Forschungen über 150 Kubikkilometer Gestein. Das kosmische Geschoss soll die Zerstörungskraft von 250.000 Hiroshima-Bomben gehabt haben.
Größere Verwüstungen richtete ein Meteorit wahrscheinlich zuletzt im Juni 1908 in Sibirien an. Eine gigantische Druckwelle raste durch die bewaldete Einöde am Flüsschen Steinige Tunguska und knickte auf 2000 Quadratkilometern Bäume wie Streichhölzer um. In dem dünn besiedelten Waldgebiet kam nach offiziellen Angaben niemand ums Leben. Der auf bis zu 40 Meter Größe geschätzte Brocken - vermutlich aus Stein und Eis - erhitzte sich so stark, dass er sich vor dem Aufschlag nach Meinung vieler Forscher vollständig auflöste. Es ist noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt, dass die Verwüstung wirklich durch einen Meteoriten entstanden ist.
Als größter noch sichtbarer Einschlagkrater der Welt gilt Vredefort nahe der südafrikanischen Millionenstadt Johannesburg. Vor gut zwei Milliarden Jahren traf dort ein schätzungsweise 150.000 Kilometer pro Stunde schneller Meteorit mit einem Durchmesser von zehn Kilometern die Erde. Er drang etwa 17 Kilometer tief in die Erdkruste ein. Der Durchmesser des Kraters wird auf rund 100 Kilometer geschätzt. Im Laufe der Jahrmillionen zerstörte die Erosion große Teile des gigantischen Lochs.
Das Problem, über das die Wissenschaftler diskutieren, wird in der Forschung als Kessler-Effekt bezeichnet – und dieser steht für eine gefährliche Kettenreaktion. Der Weltraumschrott rast mit unfassbaren Geschwindigkeiten durch das All. Stoßen die Teile zusammen, ist der Aufprall so gigantisch, dass die beiden Elemente wieder zersplittern und somit zu neuen Gefahrenquellen werden. Erstmals entdeckte der amerikanische NASA-Wissenschaftler Donald J. Kessler 1978 diese Dynamik im Asteroidengürtel mit kleinen Himmelskörpern, die immer wieder aufeinanderprallten. Er übertrug das Phänomen auf Weltraumschrott. In einem Aufsatz formulierte er seine Bedenken, dass der Effekt bereits in 30 Jahren eintreten könne. Und tatsächlich schauen die Forscher heute immer besorgter gen Himmel.
Kommunikationssatelliten in Gefahr
„Aktuell befinden sich etwa 30.000 Objekte in den Erdumlaufbahnen, die zehn Zentimeter oder größer sind – und davon denen sind nur 22.000 vom Boden aus zu sehen und 16.000 von den USA katalogisiert“, sagt Heiner Klinkrad. Etwa 740.000 Objekte sind größer als ein Zentimeter. Dabei umkreisen die meisten Bruchstücke die Erde in einem Abstand von 800 bis 1000 Kilometern und 1400 Kilometern. Dann sind nach einigem Abstand wieder etliche Teile in einem Abstand von 20.000 Kilometern zur Erde vorhanden. Auch in der Höhe von 36.000 Kilometern gibt es zahlreiche Trümmer, die vor allem für die Satelliten in der geostationären Umlaufbahn zum Problem werden.
„Wir haben große Teile unserer Infrastruktur ins All ausgelagert“, sagt der ESA-Forscher. Kommunikationssatelliten versorgen uns mit dem Rundfunk, Fernsehen und das Internet. Navigationssatelliten verbessern den Verkehr, die Logistik und die Meteorologen greifen für ihre Wettervorhersagen auf Satellitenbilder zurück. Und gerade diese Satelliten befinden sich in der geosynchronen Umlaufbahn. Die umläuft die Erde genauso schnell, wie sich der Planet dreht. Ein geosynchroner Satellit befindet sich bei jedem Umlauf der Erde immer über dem gleichen Punkt auf der Oberfläche. Weil auf diese Weise eine konstante Erreichbarkeit garantiert wird, ist es auf dieser Bahn besonders voll, was das Risiko erhöht von einem Trümmerteil getroffen zu werden. Und wird ein Satellit zerstört, betrifft dies sofort einen großen Teil der Menschheit. Von den entstehenden Kosten, die bis in die Billiarden gehen können, ganz zu schweigen.
Ein Teil der Schrottteile entstand bei militärischen Tests sogenannter Antisatellitenwaffen. Diese sind darauf ausgerichtet gegnerische Satelliten oder andere Raumflugkörper durch Rammen, Beschuss oder Explosionen zu zerstören. In der Folge entstanden Zehntausende Einzelteile, die nur langsam verschwinden. Den letzten Test dieser Art führten die Chinesen am 11. Januar 2007 etwa 850 Kilometer über der Erdoberfläche durch. Allein an diesem Tag entstanden 2944 erfasste Trümmerteile, die die Erde noch Jahrzehnte umkreisen werden.
Wegen der hohen Fluggeschwindigkeit stellen nicht nur große, sondern auch kleine Partikel eine Gefahr für die Raumfahrt und Satelliten dar. „Zehn Zentimeter große Objekte im Orbit werden etwa 26.000 Kilometer pro Stunde schnell und haben Relativgeschwindigkeiten von bis zu 50.000 Kilometern pro Stunde und mehr. Da werden bei Kollisionen sehr große Energien frei, die katastrophale Zerlegungen herbeiführen können“, sagt Esa-Experte Klinkrad. Ein-Zentimeter-Objekte haben die Energie einer explodierenden Handgranate, und selbst millimetergroße Teile können einen Raumanzug durchschlagen.
Wie wahrscheinlich ist ein Zusammenprall?
„Könnte man im Orbit die Stopp-Taste drücken, sehe es gar nicht so dramatisch aus“, sagt Klinkrad. Dann wären die einzelnen Objekte vermutlich hunderte Kilometer im sicheren Abstand voneinander entfernt. „Doch die Elemente bewegen sich, und dadurch wird es eng“, sagt Klinkrad. Bereits 1996 verloren die Franzosen ihren Cerise-Satelliten, der von einem Trümmerteil einer explodierten Ariane-Rakete (im Auftrag der ESA gebaut) getroffen wurde. Auch am Weltraumteleskop Hubble entdeckten die Forscher bereits ein Durchschlagsloch und im Februar 2002 wurde ein Fenster der Internationalen Weltraumstation getroffen. Die letzte spektakuläre Kollision ereignete sich im Februar 2009, als in einer Höhe von knapp 800 Kilometern der amerikanische Kommunikationssatellit Iridium 33 und der russische Aufklärungssatellit Kosmos 2251 zusammenprallten.
„Wir möchten vor allem verhindern, dass die Situation im erdnahen Weltraum noch schlimmer wird, damit Kesslers Prophezeiungen nicht eintreten“, sagt Klinkrad. Ein weiteres Problem: Ist der Schrott erst einmal im Orbit unterwegs, ist die Lebensdauer der Objekte aufgrund der geringen Luftdichte länger als 100 Jahre. „Es herrscht kaum Luftwiderstand, und nur der kann auf natürlichem Wege zum Absturz, und damit zum Verlassen des Weltraums führen“, erklärt Heiner Klinkrad. „Um die Situation in den Griff zu bekommen, müssen wir Masse im erdnahen Raum aktiv entfernen.“
Katastrophen in der bemannten Raumfahrt
Kurz vor dem ersten russischen Raumflug kommt der Kosmonaut Walentin Bondarenko beim Training in einer Isolationskammer des Moskauer Instituts für Raumfahrtmedizin ums Leben. Ein mit Alkohol getränkter Wattebausch hatte sich entzündet und die mit reinem Sauerstoff gefüllte Kammer in Brand gesetzt.
Bei einem Bodentest der US-Raumkapsel Apollo 1 am Raketenstartplatz Cape Canaveral (US-Bundesstaat Florida) verbrennen drei amerikanische Astronauten. Ein Funke hatte die Kapsel in Brand gesetzt.
Der sowjetische Kosmonaut Wladimir Komarow zerschellt nach der Rückkehr aus dem Weltraum mit seinem Raumschiff Sojus 1 auf der Erde. Das Fallschirmsystem hatte versagt.
Die dreiköpfige Besatzung des sowjetischen Raumschiffes Sojus 11 wird bei der Rückkehr von der Saljut-Raumstation tot in ihrer Kapsel aufgefunden. Bei der Landung hatte der Druckausgleich der Kapsel versagt.
Eine Wostok-2M-Rakete explodiert beim Betanken direkt auf der Startrampe des russischen Weltraumbahnhofs Plessezk. 48 Menschen sterben.
Nur 73 Sekunden nach dem Start explodiert die US-Raumfähre Challenger und stürzt in den Atlantik. Alle sieben Astronauten kommen ums Leben. Unglücksursache: eine fehlerhafte Dichtung zwischen Segmenten einer Antriebsrakete.
Eine chinesische Rakete des Typs CZ-3 kommt kurz nach dem Start vom Kurs ab und stürzt in ein Dorf. Bei der Explosion sterben nach offiziellen Berichten sechs Menschen, inoffizielle Quellen sprechen von bis zu 500 Toten.
Die Raumfähre Columbia bricht während des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre auseinander. Alle sieben Astronauten an Bord sterben. Ursache der Katastrophe: Beim Start war ein Stück Schaumstoff vom Außentank abgerissen und hatte die Hitze-Isolierung des Spaceshuttles beschädigt.
Eine brasilianische Trägerrakete des Typs VLS-1 explodiert auf der Startrampe des Weltraumbahnhofs Alcantara im Norden Brasiliens. 21 Menschen sterben.
Der SpaceShipTwo-Prototyp VSS Enterprise stürzt bei einem Testflug ab, einer der beiden Piloten an Bord kommt ums Leben.
Die, die den Schrott verursacht haben, werden nun also aktiv. Für die Aufräum-Aktion im All schlagen die Forscher zwei Methoden vor: Zum einen lassen sich ausgediente Satelliten und andere Objekte mit einem kleinen Eigenantrieb versehen, womit sich der Edelschrott auf eine mehr als 35.000 Kilometer entfernte Bahn schießen lässt. Friedhofsbahnen nennen die Satellitenbetreiber diese, da die Objekte hier weiter kreisen können, ohne dass die Gefahr einer Rückkehr in viel genutzte Bahnen besteht.
Zum anderen besteht die Möglichkeit den Schrott bewusst und kontrolliert in Richtung Erde abstürzen zu lassen. Ab einer Höhe von 600 bis 800 Kilometern über der Erdoberfläche nimmt der Luftwiderstand so zu, dass der die Verweildauer im Orbit begrenzt ist. Daraus resultierende Abstürze passieren täglich. Denn die meisten kleineren Fragmente würden spätestens nach einigen Monaten in der Erdatmosphäre verglühen. „Pro Tag fallen etwa ein bis zwei Objekte aus dem All zurück auf die Erde ohne die Oberfläche je zu erreichen“, sagt Klinkrad. Beim Eintreten in die Erdatmosphäre werden sie langsam abgebremst, bis sie dann verglühen.
Eine internationale Verantwortung
Große Teile werden jedoch nicht immer vollständig zum Verglühen gebracht und können durchaus auf die Erdoberfläche prallen. Im Jahr 1978 etwa ist der russische Meeresbeobachtungssatellit Kosmos 984 mit einem Kernreaktor an Bord in Kanada aufgeschlagen. Beim dem unkontrollierten Absturz landete das kontaminierte Material auf einem 1000 Kilometer langen Streifen zwischen dem Baker Lake und dem Great Slave Lake. Am Ende musste ein 124.000 Quadratkilometer großes Gelände nach den Trümmern abgesucht werden. Die Rechnung über 6.041.000 kanadische Dollar schickten die Kanadier nach Russland. „Im Fall von Kosmos 954 war klar, wer die Verantwortung übernehmen muss“, sagt Heiner Klinkrad. Meist gehen die Anstürze aber glimpflich ab, wie zuletzt bei dem amerikanischen Satelliten UARS (Upper Atmosphere Research Satellite) Ende September 2011, als Fragmente des omnibusgroßen Satelliten über dem Pazifik niedergingen.
Podcast der Esa zum Thema:
Aktuell bleibt der Internationalen Raumstation (ISS) oder den Satelliten zum Schutz vor Schrott nur der Einsatz von Schilden gegen die rasend schnellen kleinen Teile – oder Ausweichmanöver, sofern der Schrott so groß ist, dass er sich rechtzeitig erkennen lässt. Erst im vergangenen November musste die ISS außerplanmäßig ausweichen. Die Triebwerke wurden für etwas über 6,5 Minuten gezündet, womit sich die Flugbahn um etwa 500 Meter erhöhen ließ. So wich die Station Trümmern aus, die von dem amerikanischen Satelliten Iridium 33 stammen. Insgesamt musste die ISS bisher sechs Mals ausweichen, um eine Kollision zu verhindern.
Die Friedhofsbahn, das kontrollierte Abstürzen und das Ausweichen sind jedoch nur Lösungen für relativ große Schrotteile. Um künftig auch einen besseren Schutz gegen die kleinen, schwer zu beobachtenden Teile zu haben, arbeiten Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Laserstation Graz an einem Laser, dessen Pulse auch Teilchen mit einem Durchmesser von nur wenigen Zentimetern erfassen und ihre Umlaufbahnen vermessen können. Das Gerät wurde bereits erfolgreich getestet. Mehr als 20 verschiedene Raketenteile in einer Entfernung von 500 bis 1800 Kilometern spürte der Laserstrahl auf.
„Die Bemühungen etwas zu verändern sind entscheidend“, sagt Heiner Klinkrad. „Denn selbst wenn wir die Raumfahrtaktivitäten komplett einstellen würden, würde der sich bereits im Orbit befindliche Müll von etwa 6800 Tonnen ausreichen um langfristig eine lawinenartige Vermehrung von Trümmern herbeizuführen. Und das würde die zukünftige Raumfahrt sehr erschweren.“