„Könnte man im Orbit die Stopp-Taste drücken, sehe es gar nicht so dramatisch aus“, sagt Klinkrad. Dann wären die einzelnen Objekte vermutlich hunderte Kilometer im sicheren Abstand voneinander entfernt. „Doch die Elemente bewegen sich, und dadurch wird es eng“, sagt Klinkrad. Bereits 1996 verloren die Franzosen ihren Cerise-Satelliten, der von einem Trümmerteil einer explodierten Ariane-Rakete (im Auftrag der ESA gebaut) getroffen wurde. Auch am Weltraumteleskop Hubble entdeckten die Forscher bereits ein Durchschlagsloch und im Februar 2002 wurde ein Fenster der Internationalen Weltraumstation getroffen. Die letzte spektakuläre Kollision ereignete sich im Februar 2009, als in einer Höhe von knapp 800 Kilometern der amerikanische Kommunikationssatellit Iridium 33 und der russische Aufklärungssatellit Kosmos 2251 zusammenprallten.
„Wir möchten vor allem verhindern, dass die Situation im erdnahen Weltraum noch schlimmer wird, damit Kesslers Prophezeiungen nicht eintreten“, sagt Klinkrad. Ein weiteres Problem: Ist der Schrott erst einmal im Orbit unterwegs, ist die Lebensdauer der Objekte aufgrund der geringen Luftdichte länger als 100 Jahre. „Es herrscht kaum Luftwiderstand, und nur der kann auf natürlichem Wege zum Absturz, und damit zum Verlassen des Weltraums führen“, erklärt Heiner Klinkrad. „Um die Situation in den Griff zu bekommen, müssen wir Masse im erdnahen Raum aktiv entfernen.“
Katastrophen in der bemannten Raumfahrt
Kurz vor dem ersten russischen Raumflug kommt der Kosmonaut Walentin Bondarenko beim Training in einer Isolationskammer des Moskauer Instituts für Raumfahrtmedizin ums Leben. Ein mit Alkohol getränkter Wattebausch hatte sich entzündet und die mit reinem Sauerstoff gefüllte Kammer in Brand gesetzt.
Bei einem Bodentest der US-Raumkapsel Apollo 1 am Raketenstartplatz Cape Canaveral (US-Bundesstaat Florida) verbrennen drei amerikanische Astronauten. Ein Funke hatte die Kapsel in Brand gesetzt.
Der sowjetische Kosmonaut Wladimir Komarow zerschellt nach der Rückkehr aus dem Weltraum mit seinem Raumschiff Sojus 1 auf der Erde. Das Fallschirmsystem hatte versagt.
Die dreiköpfige Besatzung des sowjetischen Raumschiffes Sojus 11 wird bei der Rückkehr von der Saljut-Raumstation tot in ihrer Kapsel aufgefunden. Bei der Landung hatte der Druckausgleich der Kapsel versagt.
Eine Wostok-2M-Rakete explodiert beim Betanken direkt auf der Startrampe des russischen Weltraumbahnhofs Plessezk. 48 Menschen sterben.
Nur 73 Sekunden nach dem Start explodiert die US-Raumfähre Challenger und stürzt in den Atlantik. Alle sieben Astronauten kommen ums Leben. Unglücksursache: eine fehlerhafte Dichtung zwischen Segmenten einer Antriebsrakete.
Eine chinesische Rakete des Typs CZ-3 kommt kurz nach dem Start vom Kurs ab und stürzt in ein Dorf. Bei der Explosion sterben nach offiziellen Berichten sechs Menschen, inoffizielle Quellen sprechen von bis zu 500 Toten.
Die Raumfähre Columbia bricht während des Wiedereintritts in die Erdatmosphäre auseinander. Alle sieben Astronauten an Bord sterben. Ursache der Katastrophe: Beim Start war ein Stück Schaumstoff vom Außentank abgerissen und hatte die Hitze-Isolierung des Spaceshuttles beschädigt.
Eine brasilianische Trägerrakete des Typs VLS-1 explodiert auf der Startrampe des Weltraumbahnhofs Alcantara im Norden Brasiliens. 21 Menschen sterben.
Der SpaceShipTwo-Prototyp VSS Enterprise stürzt bei einem Testflug ab, einer der beiden Piloten an Bord kommt ums Leben.
Die, die den Schrott verursacht haben, werden nun also aktiv. Für die Aufräum-Aktion im All schlagen die Forscher zwei Methoden vor: Zum einen lassen sich ausgediente Satelliten und andere Objekte mit einem kleinen Eigenantrieb versehen, womit sich der Edelschrott auf eine mehr als 35.000 Kilometer entfernte Bahn schießen lässt. Friedhofsbahnen nennen die Satellitenbetreiber diese, da die Objekte hier weiter kreisen können, ohne dass die Gefahr einer Rückkehr in viel genutzte Bahnen besteht.
Zum anderen besteht die Möglichkeit den Schrott bewusst und kontrolliert in Richtung Erde abstürzen zu lassen. Ab einer Höhe von 600 bis 800 Kilometern über der Erdoberfläche nimmt der Luftwiderstand so zu, dass der die Verweildauer im Orbit begrenzt ist. Daraus resultierende Abstürze passieren täglich. Denn die meisten kleineren Fragmente würden spätestens nach einigen Monaten in der Erdatmosphäre verglühen. „Pro Tag fallen etwa ein bis zwei Objekte aus dem All zurück auf die Erde ohne die Oberfläche je zu erreichen“, sagt Klinkrad. Beim Eintreten in die Erdatmosphäre werden sie langsam abgebremst, bis sie dann verglühen.