Stopfleber und andere Delikatessen Das (über)nächste Silvestermenü kommt aus dem Labor

Das kalifornische Start-up Orbillion Bio will Wagyu-Rind im Bioreaktor züchten. Quelle: Orbillion

Zu den Feiertagen kommen allerlei Spezialitäten wie Stopfleber auf den Tisch – zum Empören vieler Tierschützer. Start-ups entwickeln jetzt eine Alternative: exotische Speisen aus dem Labor.

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Als ein Berliner Gastronom vergangenes Jahr Gänsestopfleber auf die Karte nahm, bekam er es mit der Tierschutzorganisation PETA zu tun. Die Foie gras, so der französische Name der Delikatesse, sei ein „Qualprodukt“, kritisierten die Tierschützer in einem offenen Brief, Gänse würden wochenlang unter schlimmsten Bedingungen gemästet. In einigen Jahren schon könnte sich der Gastronom den Ärger sparen – ohne auf die delikate Speise zu verzichten. Ein Team von Gründern aus Paris nämlich hat sich daran gemacht eine Foie gras zu entwickeln, für die garantiert keine Gans leiden muss. Gourmey, so der Name des Start-ups, will die Stopfleber lieber im Biotechlabor erzeugen statt im Stall.

Die Franzosen reihen sich ein in eine Kohorte von Start-ups, die weltweit an Food-Innovationen für Feinschmecker arbeiten. Während der Burger-Bratling im Supermarkt schon recht überzeugend durch pflanzliche Produkte ersetzt werden kann, kommen viele andere Spezialitäten noch nicht ohne Tiere als Rohstofflieferanten aus. Aber das muss nicht so bleiben.

Stammzellen statt Stopfleber

In der Zentrale von Gourmey unweit der Kirche Notre Dame beginnt alles mit einigen Stammzellen. Die Forscher gewinnen sie aus einem Entenei. Hinzu kommen Nährstoffe, etwa Eiweiße und Fette.

Die Zellen vermehren sich und durch gezielte Steuerung der Nährstoffzufuhr verwandeln sie sich in Leberzellen, Fettzellen, Muskelzellen. Heraus kommt eine Pastete, die dem Originalprodukt geschmacklich täuschend echt nahe kommen soll, glaubt man ersten Testern, die im Internet darüber berichtet haben.

Das französische Start-up Gourmey will die Stopfleber lieber im Biotechlabor erzeugen statt im Stall. Quelle: PR

Zehn Millionen Dollar hat Gourmey im Sommer eingesammelt, um seine tierfreundliche Stopfleber auf den Markt zu bringen. Doch egal, ob dieses spezielle Projekt gelingt oder nicht, insgesamt sehen Marktforscher für kultivierte Lebensmittel aus dem Labor eine große Zukunft. Alternative Proteine, prophezeit eine Studie der Boston Consulting Group, werden im Jahr 2035 weltweit mindestens 290 Milliarden Dollar Umsatz generieren.

Kobe-Rind aus dem Reaktor

Heute noch knappe Gourmet-Produkte könnten damit bald leichter zugänglich werden. Rindfleischliebhaber etwa können künftig auf ein größeres Angebot an Wagyu Beef freuen, wenn Gründer wie die von Orbillion Bio in Kalifornien Erfolg haben. Das Fleisch der japanischen Rinderrassen gilt als Luxusprodukt. Das Fett ist besonders gleichmäßig im Fleisch verteilt, was dem Steak eine besonders hohe Qualität verleiht – es soll geradezu auf der Zunge zerschmelzen.

Ein Kilogramm Wagyu-Rind kann schnell 500 Euro und mehr kosten. Orbillion Bio will es nun im Bioreaktor nachzüchten. Sie lassen verschiedenen Rinderzellen zu einem Steak heranwachsen. In den nächsten zwei Jahren wollen die Gründer daran arbeiten, den Prozess auf hohe Stückzahlen zu skalieren. Im Jahr 2023 soll es dann erste Produkte auf dem Markt geben.

Auch Hummerfreunde können demnächst mit vielversprechenden Innovationen rechnen. Das Start-up Cultured Decadence will das Luxusprodukt Genießern zugänglich machen, ohne dass die Bestände der Meerestiere weiter überfischt werden. Eine Herausforderung bei allen kultivierten Produkten ist es, die Textur des Fleisches so nachzubauen, wie die Konsumenten es vom Original kennen.

Als Hauptgang eine Portion Känguru 

Eine weitere Aufgabe, an der die Start-ups scheitern können, ist der Schritt aus dem Labor in die Massenproduktion. Mit großem Interesse dürften viele darum gerade die Aktivitäten des israelischen Start-ups Future Meat Technologies beobachtet. Gerade hat es 347 Millionen Dollar Wagniskapital eingesammelt, um die erste große Fabrik für die Produktion von kultiviertem Fleisch in den USA zu bauen. In riesigen Stahltank wollen die Israelis tausende Kilogramm Fleisch heranwachsen lassen. 110 Gramm Labor-Hühnchenbrust sollen dann nur noch 1,70 Dollar kosten.

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Sollte das Projekt gelingen, könnten auch deutlich exklusivere Labor-Delikatessen eine Chance haben. Die Gründer von Vow Food in Sydney experimentieren mit exotischen Fleischsorten, etwa vom Wasserbüffel, Alpaka, Zebra – und Känguru.

Mehr zum Thema: Fleischersatzprodukte boomen. Nicht mehr nur aus Soja, sondern auch aus Erbsen werden Fleischalternativen hergestellt. Könnten die echtes Fleisch irgendwann ersetzen? Und ist die Erbse das bessere Fleisch?

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