
Die Klimaanlage rauscht, Tasten klappern, Papier knistert, Kollegen flüstern. Diese Geräusche erleben jeden Tag Millionen von Angestellten in Großraumbüros. Tendenz steigend: Von den bis zu 15 Millionen Arbeitsplätzen hierzulande sollen bereits die Hälfte keine Einzelbüros mehr sein.
Doch klar ist auch: Der Geräuschpegel ist in Gemeinschaftsbüros wesentlich höher. Messungen zufolge erreicht er 50 bis 70 Dezibel. Zum Vergleich: Ein Presslufthammer schafft etwa 90 Dezibel. Klar ist deshalb: Bürolärm ist alles andere als harmlos. Das bestätigt auch der Mediziner und Psychologe Markus Meis, der am Hörzentrum der Universität Oldenburg arbeitet. Er definiert Lärm als "unerwünschten Schall. Und das, sagt Meis, habe nicht nur etwas mit Dezibel zu tun.





Der Forscher hält die Höhe des Schadens und den Grad der Belästigung für unterschätzt. Studien zufolge könne Lärm die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern um bis zu zehn Prozent mindern. Selbst gesundheitliche Folgen sind nicht ausgeschlossen. Der Internationale Tag gegen Lärm am Mittwoch soll für das Problem sensibilisieren.
Lärm ist für den menschlichen Körper ein Stressfaktor - und der erhöht den Blutdruck. Unter einer Dauerbelastung kann es zu diversen Symptomen kommen - von Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen über Muskelverspannungen bis hinzu Magen- und Darmbeschwerden und Schlafstörungen.
Deutschlands Lärmquellen in Dezibel
Stille
Schneefall
Ticken einer Taschenuhr
Flüstern
Kühlschrank
Leises Gespräch, ruhiger Bach
Optimaler Schutz laut Deutscher Gesellschaft für Akustik: 50 dB tagsüber und 40 dB nachts
Normales Gespräch
Zielwerte des Umweltbundesamts und der WHO: 65 dB tagsüber und 55 dB nachts
Lautes Gespräch, Rasenmäher, sieben Meter entfernt
Grobe Richtschnur für Richter: 70 dB tagsüber und 60 dB nachts gelten meist als zumutbar
Starker Straßenverkehr, laute Radiomusik
Unzumutbare Dauerbelastung: 75 dB Lärm gilt unter Experten als langfristig nicht mehr tolerierbar
Airbus A319 in 450 Meter Höhe, Presslufthammer, Güterzug
Alter Güterzug, Boeing 747 in 450 Meter Höhe
Alter Güterzug auf schlechten Schienen
Kampfjet in sieben Meter Entfernung
Schmerzgrenze
Aber wieso macht Krach krank? Um diese Frage zu beantworten, hilft ein Rückblick auf die Evolutionsgeschichte. „Das Gehör ist auch und insbesondere ein Warn-Organ“, sagt Jürgen Hellbrück, Lärmwirkungsforscher an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Dafür ist das Gehör 24 Stunden am Tag im Einsatz. Es analysiert die Veränderungen von Schallwellen, die durch Bewegung entstehen. „Diese Veränderungen wecken die Aufmerksamkeit und können beispielsweise als Gefahr wahrgenommen werden“, sagt Hellbrück.
Diese mögliche Gefahr setzt uns Menschen unter Strom. Wie bei einem Tier stellt sich der Körper auf „Flucht“ oder „Kampf“ ein. „Die Aktivität wird durch eine Ausschüttung von Stresshormonen gesteigert. Das passiert binnen kürzester Zeit, da das Gehör sehr nah am sogenannten Aktivationszentrum des Gehirns liegt und die Nervenwege daher relativ kurz sind“, erklärt Hellbrück. Die Stresshormone wiederum lösen den erhöhten Blutdruck aus, damit die Muskeln mit mehr Sauerstoff versorgt werden.