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Studie Hirnzellen interagieren wie Freunde auf Facebook

Eine neue Studie zeigt, dass die Nervenzellen in unserem Gehirn sich mit dem sozialen Netzwerk Facebook vergleichen lassen: Wer sich besonders ähnlich ist, kommuniziert auch besonders stark miteinander.

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Ein neurales Netzwerk kann man mit einem sozialen Netzwerk vergleichen. Quelle: Biozentrum, University of Basel

Forscher der Universität Basel haben sich die Kommunikation unter den Gehirnzellen einmal ganz genau angesehen. Ziel der Untersuchung war es, herauszufinden, "ob es Regeln dafür gibt, wie sich Nervenzellen zu komplexen Netzwerken mit Millionen anderer Nervenzellen verbinden", erläutert Professor Thomas Mrsic-Flogel, Leiter des Forschungsteams am Biozentrum, Universität Basel und dem University College London (UCL).

Das Ergebnis der Studie: Zumindest eine dieser Regeln ist "sehr einfach", so Mrsic-Flogel: Die Zellen sind wie ein soziales Netzwerk untereinander verbunden. "Gleichgesinnte Neuronen sind stark miteinander gekoppelt, während Neuronen, die sich unterschiedlich verhalten, nur schwache oder gar keine Verbindungen haben."

Ein Vergleich mit Facebook liegt nahe: Auch hier haben wir vielleicht hunderte Freunde in unserer Liste - wirklich in Kontakt stehen wir aber nur mit einer Handvoll. Wir suchen uns Gleichgesinnte, mit denen wir uns besonders intensiv austauschen - und deren Meinung ist uns auch wichtiger als die aller anderen.

So ähnlich - nur ungleich komplizierter - ist das bei den Neuronen im Gehirn: Zwar ist jede Nervenzelle über ein komplexes Geflecht mit einer Vielzahl anderer Nervenzellen verbunden. Das können mehrere tausend Verbindungen, die sogenannten Synapsen, pro Zelle sein. Doch die meisten davon sind, wie in einem weiten Bekanntenkreis, nur schwach ausgeprägt.

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Die stärksten Verbindungen bestehen hingegen zwischen einigen wenigen Zellen, die sich besonders ähneln. Mrsic-Flogel erklärt, worin diese Ähnlichkeit besteht: "Es handelt sich um Zellen, die bestimmte Reize aus der Umwelt in gleicher Weise verarbeiten."

Um dies besser zu verstehen, muss man sich ansehen, welcher Bereich des Gehirns untersucht wurde. Es handelt sich um den visuellen Kortex. Das ist das Hirnareal, welches die Wahrnehmungen des Auges empfängt und zu einem Bild in unserem Gehirn zusammensetzt.

Man kann sich also die ähnlichen Zellen mit den stärkeren Verbindungen so vorstellen: Es handelt sich um Nervenzellen, die auf eine bestimmte Information des Auges reagieren, "etwa eine spezielle Anordnung von Linien oder Kanten in dem, was wir sehen". Auf diesen gleichen Reiz reagieren die Nervenzellen dann gemeinsam, indem sie einen elektrischen Impuls aussenden: "Sie feuern gemeinsam", sagt Mrsic-Flogel.

"Die wenigen starken Verbindungen zwischen Neuronen mit ähnlichen Funktionen (...) haben den stärksten Einfluss auf die Aktivität ihrer Partner", sagt Mrsic-Flogel. Was genau die Verbindungen stärker macht, ist laut dem Forscher bislang nicht bekannt. Derzeit gehe man davon aus, dass es ein Zusammenspiel aus einem Mehr an physischen Verbindungen (also mehr Synapsen zwischen den Zellen) und eventuell auch einer größeren Kontaktfläche, wodurch die Zielzelle stärker stimuliert werden kann, sei.

Das Zusammenspiel ähnlicher Nervenzellen könnte diese dabei unterstützen, "bestimmte Informationen der Außenwelt zu verstärken", schlussfolgern die Forscher. "Das kann jeder Reiz sein, auf den die Neuronen reagieren", erläutert Mrsic-Flogel. Bleibt man beim visuellen Kortex des Hirns, könnte es sich dabei um Linien, Bewegungsrichtungen oder auch die Gesichter von Menschen handeln. "Im Bereich, der für das Hören zuständig ist, könnten es Informationen über einen Klang sein, etwa Tonhöhe, Klangfarbe, Frequenz, Intensität oder die Quelle des Geräuschs." Einige Nervenzellen arbeiten verstärkt zusammen, um diese Informationen verarbeiten zu können.

Die Studie ist Teil des Bemühens von Forschern weltweit, das Gehirn zu kartieren und so besser zu verstehen, wie es Wahrnehmungen, Gedanken und Handlungen aus den zahllosen Reizen, die über unsere Sinne auf uns einströmen, hervorbringt. Am Ende soll eine genaue Computersimulation des menschlichen Hirns stehen.

Sie soll zum Beispiel dabei helfen, neurologische Krankheiten besser zu verstehen. "Wenn wir wissen, wie das Muster der Verbindungen im gesunden Hirn aussehen sollte, dann können wir auch anfangen herauszufinden, was beispielsweise bei Schizophrenie oder Autismus falsch läuft", sagt Mrsic-Flogel.

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