Sucht-Forscher Nir Eyal Wie das Internet uns süchtig macht

150 Mal starren Menschen täglich aufs Smartphone, eine Milliarde nutzt jeden Tag Facebook. Auch von Twitter, WhatsApp oder Instagram kommen viele kaum noch los. Woran das liegt - und wie Sie sich wehren können.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
150 Mal pro Tag starren Menschen auf ihr Smartphone. Macht Technik süchtig? Quelle: Getty Images, imago-images

WirtschaftsWoche Online: Mister Eyal, haben Sie heute schon Facebook genutzt?
Nir Eyal: Ja, spätestens beim Frühstück bringe ich mich immer auf den neuesten Stand. Ich versuche, dort täglich etwas auf meiner Pinnwand zu teilen und diskutiere mit.

Da sind Sie nicht allein, was kürzlich ein perfides Experiment bewies.
Ja, Facebook ließ seine App angeblich absichtlich abstürzen. Das Netzwerk wollte testen, wie die Nutzer reagieren ...

... sie öffneten die App trotzdem weiter.
Genau. Obwohl sie erkannten, dass irgendetwas nicht stimmte. Selbst willkürliche, wiederkehrende Fehler konnten die Nutzer nicht abhalten.

So sieht die gewöhnliche Facebook-Nutzung aus

Überrascht Sie das?
Nein, im Gegenteil. Das ist eine deutliche Bestätigung dafür, wie stark Facebook die Gewohnheiten seiner Nutzer prägt – und das sind weltweit inzwischen immerhin 1,5 Milliarden Menschen. Offenbar sind sie dem Angebot gegenüber unglaublich loyal.

Man könnte auch sagen: Sie sind süchtig. Oder wie es in Ihrem Buch „Hooked“ heißt: „Die Technologien, die wir verwenden, sind zum Zwang geworden. Wir hängen am Haken.“ Was lässt uns anbeißen?
Dieser Prozess läuft in vier Phasen ab: Auslöser, Handlung, Belohnung, Investition. Zunächst müssen wir einen Antrieb haben, das Produkt zu nutzen. Das geht über äußere Auslöser wie etwa eine Schaltfläche, die uns sagt: „Hier klicken“, „Twittern“ oder „Jetzt kaufen“. So gewinnt das Produkt die Aufmerksamkeit der Nutzer. Es kommt dann bestenfalls zur Nutzung, und man erhält eine Gegenleistung ...

... die Belohnung für mein Handeln.
Ja, aber sie muss variabel sein. In den Fünfzigerjahren erforschte der Psychologe B. F. Skinner, wie sich Belohnungen auf das Verhalten auswirken. Er fand heraus, dass der Körper eine größere Menge des Botenstoffs Dopamin ausschüttet, wenn die Belohnung unterschiedlich ausfällt, je nach Ergebnis.

Acht goldene Smartphone-Regeln fürs Büro
Nutzen Sie eine Grußformel und sagen Sie ihren vollen Namen. Wenn Sie nur ihren Vornamen nennen, könnte das zu informell wirken; nur der Nachname könnte zu abrupt wirken.Quelle: Business Insider Quelle: Handelsblatt Online
Manche Leute wissen einfach nicht wie laut sie sind, besonders wenn sie sich auf die Person am anderen Ende der Leitung konzentrieren. Seien Sie sich ihrer Umgebung bewusst. Sie wissen nie genau, wer ihrem Gespräch lauscht. Quelle: Handelsblatt Online
Wenn Sie einen Anruf annehmen, zeigen Sie den Personen, die sie gerade tatsächlich treffen, dass jemand anderes ihre Aufmerksamkeit mehr verdient als sie. Wenn Sie einen wichtigen Anruf erwarten, der nicht verschoben werden kann, sollten Sie dies den Leuten, die Sie treffen, vorher mitteilen. Quelle: Handelsblatt Online
Andernfalls zeigen Sie den Personen, die Sie treffen, dass sie Ihre Zeit nicht verdient haben. Selbst wenn Sie nicht ans Telefon gehen, kann dies eine Ablenkung sein. Quelle: Handelsblatt Online
Wenn Sie sich mitten in einem Meeting oder einer Konferenz befinden, ist es unhöflich, wenn Ihr Handy klingelt und Sie so den Redner unterbrechen. Stellen Sie ihr Smartphone auf lautlos oder schalten Sie es gleich ganz aus. Quelle: Handelsblatt Online
Wollen Sie wirklich, dass ihre Kollegen laute Musik aus ihrem Smartphone wummern hören, während Sie verzweifelt versuchen, es auszustellen? Bedenken Sie ihren Klingelton, und überlegen Sie sich, wie andere darauf reagieren könnten. Quelle: Handelsblatt Online
Wenn Sie ihr Handy auf Lautsprecher stellen müssen, lassen Sie ihrem Gesprächspartner wissen, falls sich jemand in ihrer Nähe befindet. Quelle: Handelsblatt Online

Und was hat das mit Produkten zu tun?
Um unsere Aufmerksamkeit konstant zu bekommen, müssen sie Neuigkeiten bieten oder uns überraschen. Das treibt unsere fieberhafte Suche nach Belohnungen an. Die Investition besteht darin, dass der Nutzer irgendetwas zurückgibt. Seine Zeit, Daten, Mühe oder Geld. Je häufiger wir diesen Prozess durchlaufen, desto enger wird die Bindung an das Produkt oder die Dienstleistung. So entstehen Gewohnheiten.

In Ihrem Buch gehen Sie besonders auf Auslöser wie Einsamkeit oder das Bedürfnis nach Interaktion ein. Warum?
Weil diese emotionalen Haken besonders effektiv sind – und wir uns nach Linderung sehnen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%