Ein Gläschen in Ehren, ein Joint am Wochenende, in der Jugend mal Extasy probiert - während manche Menschen von legalen wie illegalen Drogen nicht mehr los kommen, ist das für andere kein Problem. Wie Sucht entsteht, beschäftigt die Wissenschaft intensiv, ob Psychologen, Chemiker, Mediziner oder Soziologen. Wer ist besonders gefährdet, welche Mechanismen in unserem Gehirn spielen eine Rolle bei der Sucht?
Einer Antwort sind Pharmakologie-Experten der Universität Montreal auf der Spur. In einer aktuellen Studie, die im September in der Fachzeitschrift "Neuroscience and Biobehavioral Reviews" veröffentlicht werden soll, widmete sich das Forscherteam der Frage, warum nur die wenigsten Drogen-Nutzer auch abhängig werden.
Sucht in Deutschland
Laut dem Bundesministerium für Gesundheit sind 1,8 Millionen Menschen in Deutschland alkoholabhängig...
14,7 Millionen Deutsche rauchen...
...und Schätzungen zufolge sind 2,3 Millionen Deutsche von Medikamenten abhängig.
Laut Gesundheitsministerium weisen rund 600.000 Menschen einen "problematischen Konsum von Cannabis und anderen illegalen Drogen" auf.
Bei Suchtproblemen gibt es in Deutschland zahlreiche Anlaufstellen:
Bundesweite Sucht & Drogen Hotline: 01805 31 30 31
BZgA-Infotelefon zur Suchtvorbeugung: 02 21 89 20 31
Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums
Verzeichnis der Suchberatungsstellen nach Bundesland bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Sie stellten fest, dass nicht nur wie zunächst vermutet die Menge dabei eine Rolle spielt, sondern auch die Art und Weise, wie eine Droge genommen wird. "Die Geschwindigkeit, mit der eine Substanz das Gehirn erreicht und wieder verlässt, kann genauso wichtig sein wie die Menge und Einnahmedauer einer Droge", erläutert Anne-Noël Samaha. Die Professorin betreute und überwachte die Studie. Die Aufnahmegeschwindigkeit kann sich auch bei ein und derselben Substanz deutlich unterscheiden. "Wenn man einen Joint raucht, schwillt das Cannabis-Level im Hirn deutlich schneller an und wieder ab, als wenn man etwa Hasch-Kekse zu sich nimmt", erklärt Samaha. Denn dann muss die Droge zunächst den Verdauungstrakt passieren, ehe sie über die Blutbahn schließlich zum Hirn gelangt.
Neben zahlreichen anderen Faktoren, die das Risiko einer Sucht beeinflussen, spielt also auch die Art und Weise der Drogenaufnahme eine Rolle. Die Autoren zogen für ihre Bewertung zahlreiche Studien heran. Darunter waren klinische Untersuchungen, die zeigten, dass die Art und Weise wie eine potentiell süchtig machende Substanz eingenommen wird, das Suchtrisiko der Probanden voraussagen kann. Zum Beispiel kann Methadon, wenn es geschluckt wird, therapeutische Wirkung entfalten. Dasselbe gilt für ein Nikotin-Pflaster auf der Haut.
Wie Cannabis konsumiert wird
Tetrahydrocannabinol (THC). Je höher der THC-Gehalt, desto heftiger die Wirkung.
Getrocknete Blütenstände und Blätter. Wird als Joint oder in der Pfeife geraucht, meist zusammen mit Tabak.
THC-Gehalt: 14/20
Verbreitung: hoch
Harz der Blütenstände, meist zu Platten („Pieces“) gepresst. Wird als Joint und in der Pfeife geraucht oder vermischt mit Lebensmitteln: etwa verbacken als Keks.
THC-Gehalt: 10/30
Verbreitung: mittel
Dickflüssiges Extrakt aus Cannabisharz. Wird geraucht als Joint und in der Pfeife oder vermischt mit Lebensmitteln.
THC-Gehalt: 20/50
Verbreitung: niedrig
Quelle: eigene Recherche, LKA Düsseldorf
Auch zahlreiche Tierversuche zeigten, dass die Schnelligkeit, mit der eine Substanz das Gehirn erreicht und wie häufig diese Level ansteigen und wieder nachlassen, kritische Faktoren für die Sucht-Entstehung sind. Auf den Menschen übertragen bedeutet das: Wenn jemand eine Droge raucht oder sich spritzt, ist das Gehirn heftigeren Schwankungen ausgesetzt, als wenn die Droge geschluckt oder geschnupft wird. Rauchen und Injektion bergen daher ein "exponentiell erhöhtes" Sucht-Risiko, so Samaha. "Wir wissen noch nicht, wie es genau funktioniert", erläutert sie, "aber solche Spitzen in der Drogen-Konzentration im Hirn steigern das Bedürfnis, mehr zu nehmen und können zu zwanghaftem Konsum führen." Die Droge wird immer unwiderstehlicher.
Nikotin ist für diesen Mechanismus geradezu ein Parade-Beispiel: Wird eine Zigarette geraucht, kommt es zu starken Schwankungen des Levels im Gehirn. Werden hingegen Nikotin-Pflaster eingesetzt, geben diese den Stoff nur nach und nach über die Haut in den Körper ab. Das Nikotin-Level steigt nur langsam an und bleibt lange stabil. Dies ist laut Samaha der Grund, warum Zigaretten süchtig machen, Nikotin-Pflaster hingegen nicht. Daher können sie helfen, mit dem Rauchen aufzuhören.
Für Heroin-Süchtige gibt es das Medikament Methadon, das geschluckt wird und langsamer wirkt als Heroin. Die Forscher hoffen, sich diesen Mechanismus etwa bei der Kokain-Sucht zunutze machen zu können, für die es bislang keine geeignete therapeutische Medikation gibt.