Temperatur-Achterbahn Warum das Wetter uns schlapp macht

Erst Regen und kühle Temperaturen, jetzt wieder drückende Schwüle - ein plötzlicher Wetterumschwung beeinflusst Körper und Seele. Was Sie gegen Wetterfühligkeit tun können.

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Oftmals findet die sommerliche Hitze in kräftigen Gewittern ihr Ende. Viele Menschen leiden unter plötzlichen Wetterumschwüngen. Quelle: dpa

Dieser Tage tragen wir wieder T-Shirt und Pullover im fliegenden Wechsel. Das unbeständige Wetter schlägt vielen Menschen nicht nur auf die Stimmung, sondern macht sich auch gesundheitlich bemerkbar. Sie fühlen sich abgeschlagen, bekommen Kopfweh oder sind leicht reizbar. Alles nur Einbildung? Mitnichten. Jeder zweite Deutsche leidet, wenn das Wetter Kapriolen schlägt, wie eine Studie der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach zeigt. Aber warum?

Wichtiger Unterschied

Hier muss man grundsätzlich zwischen "wetterfühligen" und "wetterempfindlichen" Personen unterscheiden. Erstere sind gesund und reagieren auf Wetterumschwünge vor allem emotional. Die Auswirkungen von Schmuddelwetter oder einem kräftigen Hoch in Frühling auf die Laune kennt jeder. Auch Schlafstörungen gehen häufig mit einem Wetterumschwung einher. Dadurch sind die Menschen müde, leicht reizbar und haben Konzentrationsschwierigkeiten, erläutert Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

So schlafen Sie besser ein - und durch
Auf Matratzen und Kissen achtenWie man sich bettet, so liegt man: Passen Matratze und Kissen nicht, wird es auch nichts mit dem erholsamen Schlaf. Deshalb sollten Sie beim Kauf auch einmal Probe liegen und Ihre Matratze alle fünf bis zehn Jahre gegen eine neue tauschen. Kissen sollten alle zwölf bis 18 Monate ausgewechselt werden. Experten raten Paaren außerdem dazu, auch im gemeinsamen Bett getrennte Matratzen zu haben, da die Ansprüche an die Matratze verschieden sind. Bei einer durchgehenden Matratze besteht die Gefahr, dass einer zu weich und der andere zu hart liegt. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Ein Paar schaut im Bett Fernsehen Quelle: Fotolia
Ernährung beachtenAlkohol kann helfen, schneller einzuschlafen. Dafür wird die Nacht unruhiger. Faustregel: maximal ein Glas Bier oder Wein. Besser ist ein Glas warme Milch, denn sie enthält die Aminosäure Tryptophan – und die fördert den Aufbau des Schlafhormons Serotonin. Zu viel Eiweiß und Proteine sind schwer verdaulich. Und das Nikotin der Gute-Nacht-Zigarette stimuliert das Gehirn. Quelle: dpa
Bahnhofsuhr Quelle: dpa
Sport machenWer tagsüber Sport macht, schläft abends leichter ein. Dafür muss es kein dreistündiges Krafttraining sein, ein Spaziergang bewirkt auch schon einiges. Wichtig ist allerdings, sich nicht kurz nach Trainingsende ins Bett zu legen. Kurz nach dem Sport ist der Kreislauf noch sehr aktiv. Quelle: dpa
Eine Frau macht eine Yoga-Übung Quelle: obs
Auf die Temperatur achtenIst es im Schlafzimmer zu heiß oder zu kalt, ist das ebenfalls nicht gut für den Schlaf. Deshalb darauf achten, dass es in dem Raum, in dem man schläft, zwischen 15 und 19 Grad hat. Wenn der Partner mit im Bett schläft, empfiehlt es sich außerdem, zwei Decken zu benutzen. Dann erspart man sich das Aufwachen mitten in der Nacht, weil der Mitschläfer die Bettdecke geklaut hat. Quelle: dpa

Menschen mit chronischen Grunderkrankungen wie Asthma, Rheuma oder Arthrose werden hingegen als wetterempfindlich bezeichnet; ihre Symptome wie Gelenkschmerzen oder Atemprobleme werden durch das Wetter verschlimmert, besonders bei herannahenden Tiefdruckgebieten mit niedrigeren Temperaturen.

Die Probleme durch Wetterfühligkeit sind auch durchaus ein wirtschaftlicher Faktor: 32 Prozent der Wetterfühligen gaben in der Münchner Untersuchung an, dass es ihnen im vergangenen Jahr schon einmal so schlecht ging, dass sie nicht zur Arbeit gehen konnten. Jeder Fünfte sagte, dass dies schon mehrfach vorgekommen sei. Im Durchschnitt berichteten die Befragten von 10 Tagen, die sie durch das Wetter bedingt nicht arbeitsfähig waren.

Genau quantifizierbar sind die wirtschaftlichen Auswirkungen von Wetterfühligkeit aber nicht, da es sich nicht um eine eigenständige Krankheit handelt. Die Symptome wie Migräne können zwar zu vorübergehender Arbeitsunfähigkeit führen, doch "niemand wird wegen Wetterfühligkeit eine Kur verordnet bekommen oder krankgeschrieben", sagt Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der Krankenkasse Barmer GEK.

Zwei komplexe Systeme

Studien belegen, dass mit extremen Wetterlagen eine signifikante Zunahme von Beschwerden wie Kopfschmerzen, Migräne, Abgeschlagenheit, Gelenkschmerzen, Gereiztheit, Schwindelgefühl und Konzentrationsstörungen einhergeht. Körperlich messbar ist etwa eine Veränderung des Blutdrucks. Dies ist aber nicht krankhaft, sondern eine Anpassungsreaktion die automatisch in unserem Körper stattfindet - und das ist lebenswichtig.

Damit alle unsere Organe optimal funktionieren, muss die Körperkerntemperatur möglichst konstant bei 37 Grad Celsius gehalten werden. Abweichungen nach oben oder unten haben unmittelbare Auswirkungen auf Wohlbefinden und Gesundheit. Sie können mitunter lebensbedrohlich werden, man denke etwa an hohes Fieber, Hitzschlag oder Erfrierungen.

Ob die Anpassungen des Körpers unbewusst stattfinden oder zu Wetterfühligkeit führen, hängt sowohl von der Stärke des Wettereinflusses als auch vom Gesundheits- und Trainingszustand des Betroffenen ab. Einen einzigen, bestimmenden Wetterfaktor gibt es dabei nicht. Es handelt sich vielmehr um ein komplexes Zusammenspiel mit dem ebenfalls komplizierten System unseres Körpers.

"Je intensiver der Wetterwechsel, umso gravierender die Symptome"

Am besten erforscht sind die thermischen Bedingungen. Ändern sich die Temperaturen, greift der Körper ein. Bei zu geringer Körpertemperatur kann eine Erhöhung der Muskelaktivität, etwa durch Kältezittern, für Wärmeproduktion sorgen. Durch eine Verengung der Blutgefäße wird die Durchblutung von Händen und Füßen eingeschränkt, um so die Betriebstemperatur für die lebenswichtigen Organe im Körperinnern sichern. Bei Hitze hingegen werden die Gefäße weitgestellt und die Verdunstung von Schweiß über Haut und Schleimhäute angeregt, um Kühlung zu erlangen.

Plötzlicher Stress

Das erklärt, warum plötzliche und drastische Wetteränderungen unseren Körper besonders stressen. Denn sie verlangen eine schnelle Anpassung unseres Körpers. Das ist Schwerstarbeit. Bei großer Hitze arbeitet das Kreislaufsystem auf Hochtouren, um den Körper herunterzukühlen. Fällt die Temperatur dann plötzlich wieder stark ab, kann das belastend sein. "Je intensiver der Wetterwechsel, umso gravierender treten auch die Symptome auf", erläutert Ingo Froböse. "So mancher Organismus ist dann überfordert". Die Folge: der Kreislauf spielt verrückt, uns wird schwindelig.

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Auch die Auswirkungen von Luftdruckschwankungen wurden untersucht, wie sie etwa bei einer stürmischen Wetterlage verstärkt auftreten. In verschiedenen Studien zeigte sich, dass sie einen Einfluss auf die Herzfrequenz, den Blutdruck, die Konzentrationsfähigkeit und das Kurzzeitgedächtnis haben. Dies kann zu Beschwerden wie Kopfschmerzen, allgemeinem Unwohlsein bis hin zum Herzinfarkt führen.

"Ein Herzinfarkt wird mit Sicherheit niemals nur durch Luftdruckveränderungen ausgelöst", betont Ursula Marschall. Ein junger gesunder Mensch ohne Vorerkrankungen muss veränderten Luftdruck nicht fürchten. Aber bei einem Patienten mit Risikofaktoren wie entsprechender Vorschädigung des Herzens, verkalkten Adern und Stress kann der veränderte Sauerstoffdruck durchaus ein letztes Mosaikteilchen für die Auslösung eines Herzinfarkts sein, sagt Marschall.

Wir sind verweichlicht

Wie empfindlich wir auf das Wetter reagieren, hängt maßgeblich vom Gesundheitszustand und der Anpassungsfähigkeit des Organismus ab. Gegen Wetterfühligkeit ist man nicht machtlos. Im Gegenteil. Nach Meinung von Ärzten ist sie ein hausgemachtes Problem. Heiz- und Klimaanlagen in Wohnungen, Büros und Autos verweichlichen uns regelrecht. Am schlimmsten seien da die Amerikaner, erzählt Ingo Froböse, die machten schon die Heizung im Auto an, bevor sie das Haus verlassen. "Man muss die Wetterreize auch mal spüren und sich nicht nur aus dem Fenster ansehen."

Die "Annehmlichkeiten der Zivilisation" nehmen unserem Körper die Übungsmöglichkeiten für die Reaktion auf Wärme und Kälte, bei der die Blutgefäße weit und eng gestellt werden müssen, erklärt auch Ursula Marschall. "Der Körper muss mit ganz anderen Bedingungen klarkommen als früher, als das Leben noch überwiegend draußen stattfand." Sie rät daher, Klimatisierung auch mal zu meiden und sich durch Bewegung an der frischen Luft einem "Gefäßtraining" zu unterziehen.

Was Sie gegen Wetterfühligkeit tun können? Hier die wichtigsten Tipps:

Tipps gegen Wetterfühligkeit

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