Textilien Brennnesseln zum Kuscheln

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Wegwerfen kommt nicht infrage

So besannen sich Moser und Larsen-Mattes, deren Unternehmen etwa 60 Millionen Euro jährlich umsetzt, auf die alte Nutzpflanze Brennnessel. Zuerst setzten sie 40.000 Pflanzen des vermeintlichen Unkrauts auf einen Versuchsacker in Sichtweite des Firmensitzes im 1000-Einwohner-Dorf Tieringen bei Messstetten auf der Schwäbischen Alb. Obwohl der auf mehr als 800 Metern liegt, gediehen die Pflanzen inmitten von dunklem Wald und saftig grünen Wiesen.

Das war aber erst der Anfang: Um die Garne effizient produzieren zu können, mussten die schwäbischen Tüftler ein neues Verfahren entwickeln, um die Nesselfasern aus den Pflanzen zu holen. Das haben sie mittlerweile zum Patent angemeldet.

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Ergebnis: 15 Prozent jeder Pflanze lassen sich zu Garn verarbeiten. Und der Rest? Wegwerfen kommt aus ökologischen Gründen nicht infrage. Die Schwaben stießen auf altes Wissen aus Kriegszeiten, als die Nessel eher kratziger Billigstoff war, und kauften Know-how aus Hochschulen ein. Die Blätter, die besonders viele Mineralien und Eiweiß enthalten, eignen sich für Tees, aber auch für die Viehmast. Die energiereichen Samen gehen in die Gastronomie. Der fasrige-holzige Rest wird am Ende zu Pellets gepresst, deren Heizwert, so Moser, genauso hoch ist wie der von Buchenholz. „Heute können wir mehr als 80 Prozent der Pflanze verwerten“, sagt Firmeninhaber Larsen-Mattes.

Mittlerweile baut das Unternehmen die Pflanzen auf zehn Hektar in Ungarn, nahe der rumänischen Grenze, an. 110 000 Brennnesseln pflanzten Mitarbeiter dort, die Pflanzen wachsen ganz ohne Bewässerung fast drei Meter hoch. „Wenn die Böden stickstoffreich und nicht zu trocken sind, sind sogar zwei Ernten pro Jahr möglich“, sagt Kai Nebel, Forschungskoordinator der Fakultät Textil & Design der Hochschule Reutlingen, die sich seit Jahren mit der Pflanze befasst. Nebel betreut das Projekt und traut der Brennnessel eine wichtige Rolle als Baumwoll-Alternative zu.

Doch noch sind die Nesselgarne mindestens doppelt so teuer wie die aus Baumwolle – und so begrenzt konkurrenzfähig. Daher zieht es Moser weiter: Gerade war er in China auf der Suche nach Anbauflächen und Wissen über die Verarbeitung.

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