Transplantationen Wettlauf zum künstlichen Herzen

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Lautsprecher im Brustkorb

Wie das künstlicher Herz aus Aachen funktioniert. Für eine Großansicht auf die Grafik klicken

Die Deutschen haben die Stromversorgung eleganter gelöst. „Wie bei einer elektrischen Zahnbürste laden wir die in den Körper implantierten Akkus induktiv auf“, schwärmt Reiner Körfer. Und das funktioniere auch durch die Haut hindurch. Auch sonst unterscheidet sich das deutsche ReinHeart – benannt nach dem Vornamen seines Erfinders – in einigen wesentlichen Punkten von dem System Carpentiers.

So funktioniert der Antrieb des Aachener Herzens wie eine Lautsprechermembran – es ist ein sogenannter Linearantrieb. Dabei bewegt sich eine Spule im Magnetfeld hin und her und treibt die Druckplatten und darüberliegende Membranen an. Je nachdem, wie viel Strom angelegt wird, bewegt sich die Spule mit den Druckplatten wie eine Membran in einem Lautsprecher hin und her. Das sei besonders klein, platzsparend und verschleißfrei zu bauen, sagt Thomas Finocchiaro, der das ReinHeart-Projekt in Aachen leitet.

Er und sein Team setzten außerdem zu 100 Prozent auf bioverträgliche Kunststoffe für die Membranen und Kammern – anders als die Franzosen mit ihrem Kälbergewebe. Und bei den Ventilklappen schwören sie auf Metallklappen, mit denen es gerade bei Kunstherzen beste Erfahrungen gebe, so Körfer.

Einer der entscheidenden Unterschiede zum Pariser Kunstherz ist die Größe: Das deutsche System ist zwar gleich schwer, aber etwas kleiner. Das ist wichtig. Denn je kleiner die Maschinerie ist, desto größer ist die Zahl der herzkranken Menschen, denen sie einmal helfen kann. Das ReinHeart ist so klein, dass es bei mindestens 80 Prozent der Patienten Platz im Brustraum fände – Männern und Frauen. Nur für Kinder ist das aktuelle Modell noch zu groß.

Die Franzosen erreichen diese Werte noch nicht ganz. „Wir werden mit Sicherheit an einer kleineren Version arbeiten“, sagt Jansen. „Aber das wird Jahre und mehrere Millionen Euro beanspruchen. Jetzt wollen wir erst einmal sichergehen, dass die bestehende Prothese funktioniert.“

Das sind die besten deutschen Unis
Rang 1: Universität von Oxford Quelle: Creative Commons/Bill Tyne
Platz zehn: Uni Bonn Quelle: Universität Bonn, Dr. Thomas Mauersberg
Platz neun: Universität in Tübingen Quelle: dpa
Platz acht: Technische Uni Berlin Quelle: dpa
Platz sieben: Freie Universität Berlin Quelle: dpa/dpaweb
Platz sechs: Universität Freiburg Quelle: dpa/dpaweb
Platz fünf: Rheinisch-Westfaelische Technische Hochschule (RWTH) Aachen Quelle: dpa

Grosszügige Gönner

Bei diesen Worten wird der Druck der Investoren spürbar, der auf Carmat lastet. Immerhin sind in die Forschung der Franzosen in zwei Jahrzehnten insgesamt über 70 Millionen Euro geflossen. Vorbei sind die Zeiten als Carpentier-Freund und -Gönner Jean-Luc Lagardère große Beträge lockermachte und sogar einige Ingenieure seines Rüstungsunternehmens Matra dem Herzforscher zur Seite stellte. Aus den beiden Namen Carpentier und Matra leitet sich übrigens auch der Name Carmat ab.

Lagardère starb 2003, drei Jahre zuvor war Matra im europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern EADS aufgegangen, der heutigen Airbus-Group. Die übernahm auch die Beteiligung an Carmat und investierte weitere 17 Millionen Euro. 2008 gab sie schließlich die Mehrheit an den französischen Investmentfonds Truffle ab. Der brachte Carmat 2010 an die Börse. Nebenbei spendierte der französische Staat 33 Millionen Euro an Forschungsförderung.

Von diesen Summen können die Rivalen in Aachen nur träumen. Sie erhielten insgesamt zwölf Millionen Euro. Aber auch Reiner Körfer hat Gönner und Förderer, allerdings mit deutlich kleineren Budgets. So stammt der Großteil des Geldes für die Kunstherzforschung von einem dankbaren Patienten des Chirurgen: Zwei Mal hatte er den Gütersloher Unternehmer Erich Klessmann, Besitzer einer Maschinenfabrik, operiert. Der richtete daraufhin 1985 zusammen mit seiner Frau Hanna eine Stiftung ein, die pro Jahr zwischen einer und drei Millionen Euro für die Herzforschung und das ReinHeart-Projekt lockermacht.

Erst seit dem Jahr 2010 erhält das Tüftler-Team auch öffentliche Fördermittel in großem Stil: 4,3 Millionen Euro haben das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union bewilligt.

Ein bisschen neidisch ist der wortgewandte Chirurg Körfer, der von einem Bauernhof in Kleve stammt, schon auf die Franzosen: „Wenn wir so viel Geld gehabt hätten, wären wir auch schon weiter.“

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