Trendwende im Energiemarkt Goodbye, Öl

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Chinesen kaufen von Jahr zu Jahr mehr Autos

Der Grund ist die rapide Urbanisierung. Jeden Monat, so schätzen Uno-Experten, wachsen die Städte der Welt um sechs Millionen Einwohner. Je dichter Menschen wohnen, desto weniger Autos besitzen und desto kürzere Strecken fahren sie. Laut einer US-Studie verbrauchen Bewohner von Metropolen nur halb so viel Öl wie ihre Mitbürger auf dem Land.

Den Rechenmodellen von Stanford-Forscher Brandt zufolge muss noch eine weitere Voraussetzung erfüllt sein, damit sich Wirtschaftswachstum und Ölkonsum entkoppeln: Elektroautos müssen in großer Zahl die Straßen erobern. „Eine solche Technikrevolution ist durchaus möglich“, versichert der Forscher.

Die kurzen Strecken in der Stadt kämen den begrenzten Reichweiten der Stromer entgegen. Und es gebe Vorbilder, auch in Ländern wie Argentinien und Brasilien sei der Autoverkehr innerhalb weniger Jahre von Erdöl zu einem beträchtlichen Teil auf Biotreibstoffe und Erdgas umgestellt worden.

Doch wer derzeit nach China blickt, kann sich nur schwer vorstellen, dass der Ölkonsum einmal nicht mehr weiter steigen könnte. An einem typischen Nachmittag in Shanghai hupen Autos, eine alte Frau zwängt sich mühevoll an den meist nagelneuen Geländewagen und Limousinen vorbei. Auf der vierspurigen Straße im Zentrum, die zur Shanghaier Stadtautobahn führt, ist Fortkommen nur im Schritttempo möglich – und das nicht nur während der Rushhour. Allenfalls spät nachts gibt es in Chinas Metropolen so etwas wie flüssigen Verkehr.

Dennoch kaufen die Chinesen von Jahr zu Jahr mehr Autos. 22 Millionen waren es 2013, 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt sind 120 Millionen PKW unterwegs. In Relation zur Bevölkerung ist das aber noch wenig. Gerade einmal 100 von 1000 Chinesen besitzen ein Auto, in Europa sind es 600, in den USA 800. „Die Nachfrage nach Autos ist immens, und das ist auch der Grund, weshalb der Ölverbrauch im Land erst einmal weiter steigen wird“, glaubt Simon Powell, Energieexperte bei der Investmentfirma CLSA in Hongkong.

Allerdings wächst auch in China die Ölnachfrage nicht mehr so schnell. Seit dem Beginn des Wirtschaftsaufschwungs vor 30 Jahren nahm er stetig um mindestens acht Prozent zu. Mittlerweile hat sich dieser Wert mehr als halbiert. Bis 2020 rechnet die Internationale Energieagentur nur noch mit durchschnittlich 3,3 Prozent.

Wie stark die Urbanisierung das Geschäft mit dem Auto bremst, zeigen heute schon einige Städte in Asien. Extrembeispiel ist Hongkong wo nur 60 von 1000 Bewohnern ein Auto besitzen. Und selbst wem ein Fahrzeug gehört, dem garantiert das kein schnelles Fortkommen. Autofahrer sind in der Metropole nur mit durchschnittlich 23 Kilometern pro Stunde unterwegs. Auch in Singapur fahren nur 100 von 1000 Einwohnern einen eigenen Wagen. Selbst im reichen Tokio besitzen nur 300 von 1000 Bewohnern einen PKW – Peking liegt mit einem Wert von 450 schon darüber.

In China wehren sich die Städte inzwischen aktiv gegen die Autoflut, die volkswirtschaftlich teure Staus verursacht und die Gesundheit durch Smog und Feinstaub schädigt. Die Millionenmetropole Shanghai begrenzt die Zulassungen schon seit der Jahrtausendwende durch strenge Quoten. Pro Kopf sind deshalb in der Stadt nur halb so viele Autos unterwegs wie in Peking, dessen Verwaltung jetzt nachzieht. Eine weitere Folge: Shanghai investierte mehr in den öffentlichen Nahverkehr, um seinen Bürgern Alternativen zum Auto zu bieten.

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