Die neue WiWo App Jetzt kostenlos testen
Download Download

Undurchschaubare Studien Wie Pharmakonzerne mit Geheimniskrämerei verdienen

Seit Jahrzehnten verdienen Pharmakonzerne Geld mit nutzlosen und gefährlichen Medikamenten. Studien zu Risiken und Nebenwirkungen durften sie bislang zurückhalten. Die EU will das ändern. Doch die Konzerne wehren sich.

  • Artikel teilen per:
  • Artikel teilen per:
Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Die Mehrheit war überwältigend: 96 Prozent der Abgeordneten des Europaparlaments stimmten für die neue EU-Verordnung zu klinischen Studien. Sie soll für mehr Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt sorgen und Medikamente mit gefährlichen Risiken und Nebenwirkungen schneller ausfindig machen. Doch bis die ersten Erfolge sichtbar werden, wird noch viel Zeit vergehen.

Bislang galt: Pharmakonzerne müssen lediglich der Europäischen Medizinagentur (EMA) alle relevanten Studien vorlegen. Unabhängige Forscher, die die Medikamente auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen prüfen, können nur bei den Firmen anfragen - meist aber ohne Erfolg.

Dabei könnten sich Gesundheitssysteme weltweit viel Geld sparen, wenn Nebenwirkungen früher bekannt würden.

18 Milliarden Dollar für umstrittenes Medikament

Zuletzt hatte der Medikamentenhersteller Roche Wissenschaftlern der Cochrane Collaboration vier Jahre lang umfangreiche Daten zu seinem Grippemittel Tamiflu verweigert. Laut dem Forschernetzwerk waren von rund 120 klinischen Studien lediglich zwei publiziert worden – zu wenig für ein aussagekräftiges Gutachten.

2009 hatten rund 100 Regierungen Tamiflu für mindestens 20 Prozent ihrer Bevölkerung eingelagert. Es sollte gegen die Schweinegrippe eingesetzt werden, bis ein Impfstoff entwickelt sei. Die USA überwiesen laut Experten rund 3,3 Milliarden US-Dollar an Hersteller Roche, die britische Regierung zahlte rund eine halbe Milliarde Euro und Deutschland rund 360 Millionen Euro. Weltweit schätzen Experten den Umsatz, den Roche mit Tamiflu gemacht hat, auf 18 Milliarden US-Dollar.

Ob sich Tamiflu für die Regierungen gelohnt hat, ist jedoch laut dem Gutachten der Cochrane Collaboration zweifelhaft. „Die Wirkung wurde überschätzt und die Nebenwirkungen heruntergespielt“, sagt Fiona Godlee, Chefredakteurin des British Medical Journals, das das Gutachten veröffentlichte.

Hier lauern die meisten Keime im Büro
Platz 10: KopiererDie Wissenschaftler haben über 5.000 Oberflächen in Bürogebäuden unter anderem von Versicherungen, Anwaltskanzleien und Callcentern auf ihren Bakteriengehalt untersucht und dabei ein Schmutz-Ranking erstellt. Auf Platz zehn landet der Kopierer, an dem täglich Dutzende Angestellte arbeiten.
Platz 9: KaffeetassenHinter den Kopierern folgt die Kaffeetasse, die gerne mal länger in offenen Schränken vor sich hin vegetiert. Im Durchschnitt berührt jeder Büroangestellte übrigens 300 Oberflächen in 30 Minuten und kommt dadurch am Tag mit 840.000 Keimen in Berührung.
Platz 8: TelefoneAuf Platz acht der schmutzigsten Büro-Oberflächen hat es das Telefon geschafft. Mehrmals täglich wird es von einem oder sogar mehreren Mitarbeitern in die Hand genommen und vor allem nah an den Mund gehalten. Da können sich die Bakterien leicht in die Schleimhäute einnisten. Quelle: dpa
Platz 7: ComputermäuseDen ganzen Tag fast halten wir sie in unseren schwitzigen Händen - die Computermaus. So bildet sich mit der Zeit eine immer dickere Dreckschicht. Viele Unternehmen weisen ihre Mitarbeiter mittlerweile daraufhin, den Schreibtisch inklusive Computermaus und Tastatur mit Desinfektionsmittel zu reinigen. Solche Ansagen vom Chef können die Krankheitsrate offenbar um 80 Prozent senken. Quelle: AP
Platz 6: Tasten an Kaffee- und SnackautomatenDie Wissenschaftler fanden heraus, dass 79 Prozent der Tasten von Kaffee- oder Snackautomaten verschmutzt sind. 21 Prozent waren sogar mit einer sehr hohen Bakterienzahl befallen. Am besten also immer die Hände waschen, bevor der Schokoriegel aus dem Automaten verputzt wird. Quelle: AP
Platz 5: Tasten und Griffe an WasserspendernViele Mitarbeiter freuen sich, wenn der Arbeitgeber ihnen kostenlos Wasser bereitstellt. Aber Achtung: Viele Griffe und Tasten an Wasserspendern sind voll von Keimen und Schädlingen. Quelle: AP
Platz 4: KühlschränkeAusgelaufene Säfte, abgelaufener Joghurt und keiner fühlt sich verantwortlich - der Kühlschrank im Pausenraum ist ein richtiges Nest für Keime. Angestellte sollten ihr Pausenbrot also gut einhüllen, wenn sie es für einige Zeit kalt legen wollen. Gleiche Schmutz-Gefahr gilt übrigens auch für die Kühlschrank-Griffe. Quelle: dpa

Auch deutsche Behörden betroffen

Das hätte man auch früher wissen können. Die Studienreports lagen der EMA vor, sowohl veröffentlichte als auch unveröffentlichte. Forscher oder gar Patienten bekamen diese Daten hingegen nicht zu sehen. Der Grund: „Geschäftsgeheimnisse“.

Dass Konzerne aber gleichzeitig - wie Forscher an Universitäten auch - Positivmeldungen aus der hauseigenen Forschung in Fachzeitschriften veröffentlichen, schien lange keinen Widerspruch darzustellen. Dieses selektive Publizieren ist unter Wissenschaftlern als „Publication Bias“ bekannt.

Selbst Behörden wie der Gemeinsame Bundesausschuss, der mit den Herstellern die Medikamentenpreise in Deutschland aushandelt, sind davon betroffen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) forderte in dessen Auftrag nichtveröffentlichte Daten bei dem US-Konzern Pfizer zu dem Antidepressivum Reboxetin an. Doch statt Informationen erhielten die Wissenschaftler stets die gleiche Liste bereits veröffentlichter Studien zugesandt. „Mit der publizierten Literatur muss man gar nicht erst anfangen“, sagt Beate Wieseler, Leiterin der Arzneimittelbewertung im IQWiG.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%