Über E-Zigaretten lässt sich herrlich streiten. Raucher empfinden sie als gesunde Alternative. Und natürlich ist es weniger schädlich, nur das verdampfte Nikotin einzuatmen, statt wie beim klassischen Verbrennen von Tabak zusammen mit dem Aufputschmittel Nikotin auch Teer und andere giftige Stoffe in die Lunge zu saugen. Das bestreitet kein Mensch.
Ganz ohne ist aber auch das Nikotin in Reinform nicht. Im Gegenteil: Es ist ein hoch wirksames Nervengift.
Deshalb stufte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die sogenannten Nikotin-Liquids als Arzneimittel und die E-Zigaretten als Medizinprodukte ein. Auf dieser Grundlage warnte die Nordrhein-Westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens vor dem E-Dampfen - und die Stadt Wuppertal wollte einer E-Zigaretten-Händlerin den Laden dicht machen.
Die wichtigsten Fakten zur E-Zigarette
Bei jedem Zug verdampft ein Brennelement ein sogenanntes Liquid. Dieses kann Nikotin in verschiedenen Konzentrationen enthalten - es gibt sie aber auch nikotinfrei. Außerdem können alle erdenklichen Aromen zugesetzt sein. Um die Illusion perfekt wirken zulassen, glüht bei manchen Modellen eine Leuchtdiode an der Spitze auf.
Wissenschaftliche Beweise gibt es nicht. Sicher ist, dass Nikotin schnell süchtig macht. Die Elektro-Kippen sind wenig erforscht, Auswirkungen möglicher Schadstoffen unbekannt, sagen Kritiker. Auch ist unklar, was dem Konzentrat beigemischt ist. Das wissen nur die Hersteller. Nachfragen bleiben mit Verweis aufs Betriebsgeheimnis unbeantwortet. Die US-Kontrollbehörde FDA fand im Jahr 2009 giftige Substanzen in Proben - darunter krebserregende Nitrosamine. Gegen eine hohe Qualität der E-Zigaretten spreche auch der variierende Nikotingehalt in den Kapseln. Auch in als nikotinfrei deklarierten Patronen konnte mitunter Nikotin gefunden werden.
Die gesundheitlichen Folgen für E-Dampfer und passive "Mit-Atmer" sind in der Wissenschaft äußerst umstritten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte zuletzt im Februar 2012 betont, dass Gefahren für Dritte „nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen“ seien. Es gebe so viele verschiedene Flüssigkeiten, die sogenannten Liquids, dass fraglich sei, was ein Nutzer im konkreten Fall tatsächlich inhaliere.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum spricht von einem erheblichen Forschungsbedarf und fordert geeignete wissenschaftliche Studien.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO forderte im Juli 2014, Rauchverbote auch auf E-Zigaretten zu übertragen - mit einer Einschränkung: Diese Empfehlung gelte nur, solange nicht belegt sei, dass der Dampf für Umstehende ungefährlich ist.
Behörden, Forscher und Politiker warnen vor möglichen Gesundheitsgefahren – sowohl für die E-Dampfer, als auch für die Passiv-Dampfer. Sie wollen die Rauchverbotszonen auch zu dampffreien Zonen machen. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster am 4. November 2014, dass Wirte ihren Gästen weiter den Konsum von elektrischen Zigaretten erlauben dürfen - zumindest in Nordrhein-Westfalen. Das strenge Nichtraucherschutzgesetz in NRW gelte nicht für die Verdampfer. Weil bei E-Zigaretten kein Tabak verbrannt werde, handele es sich nicht um Rauchen, argumentierten die Richter. Zudem seien die Gefahren für Dritte nicht mit denen des schädlichen Zigarettenqualms vergleichbar (Az.: 4 A 775/14).
Das Oberverwaltungsgericht Münster befasste sich im September 2013 mit dem Verkauf von E-Zigaretten. Die Richter entschieden damals in einem Grundsatzurteil, dass nikotinhaltige Flüssigkeiten weiterhin außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen. Die Produkte seien keine Arzneimittel. Der freie Handel und Verkauf von Produkten rund um E-Zigaretten ist damit nicht strafbar. Das NRW-Gesundheitsministerium hat dagegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt.
E-Zigaretten erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Laut dem Portal Statista wurden im Jahr 2010 fünf Millionen Euro auf dem E-Zigarettenmarkt umgesetzt - 2013 waren es schon 100 Millionen Euro. Für 2014 werden 150 bis 200 Millionen Euro erwartet.
Sowohl ein E-Zigaretten-Hersteller als auch die sanktionierte Händlerin setzen sich zur Wehr - und bekamen nun höchstinstanzlich Recht vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Nikotin-Liquids seien keine Arznei, befanden die Leipziger Richter am Donnerstag.
E-Zigaretten sind keine Medizinprodukte
E-Zigaretten seien damit auch keine Medizinprodukte, die vom BfArM reguliert werden müssten oder vor denen ein Gesundheistministerium warnen dürfte. Das sei geschäftsschädigend und rechtswidrig.
Das Problem an der Sache ist nur: Weil die E-Zigaretten auch nicht unter das Tabakwarengesetz fallen - es ist ja weit und breit kein Tabak drin - bleibt der Verkauf nun völlig ungeregelt. Zumindest so lange, bis die mehrfach vertagte neue EU-Tabakrichtlinie endlich umgesetzt wird. Darin soll dann auch der Umgang mit dem Elektro-Dampfern geregelt werden.
Das BfArM bedauert deshalb die aktuellen Urteile, wie Maik Pommer, Sprecher der Behörde sagte: "Wir hätten eine klare rechtliche Regelung begrüßt, die Verbrauchern mehr Schutz bietet, sie über Risiken aufklärt und die im übrigen auch wirkungsvoll verhindert, dass E-Zigaretten völlig legal schon an Kinder verkauft werden können."
Denn das ist tatsächlich fatal: Nach dem höchstrichterlichen Urteilsspruch können die E-Zigaretten ohne jede Beschränkung direkt neben der Quengelware wie Lutschern oder Schokokeksen in Nasenhöhe von Klein- und Schulkindern angeboten werden. Sie werden rechtlich wie Genussmittel behandelt. Und wenn die Knirpse sie tatsächlich kaufen wollen, hätte kein Verkäufer eine rechtliche Grundlage, sie ihnen vorzuenthalten.
Das ist krass. Und kann eigentlich auch nicht im Sinne der E-Zigaretten-Erfinder sein.