Von wegen Kinderkrankheit Masern-Ausbrüche häufen sich wieder

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"Es sollte eine Pflicht gelten"

Zehn Krankheiten, die in jedem Büro vorkommen
DUMENZBeschreibung:Fehlendes Erinnerungsvermögen, auf welche Anredeform man sich mit erfolgreich verdrängten Kollegen einst geeinigt hatte Diagnose:Leichte Form: Die Erkrankten stehen offen zu ihrem Leiden: „Waren wir eigentlich beim Du?“Schwere Form: Konsequente Verwendung von Indefinitpronomen: „Man hat sich ja schon lange nicht mehr gesehen! Wie geht‘s einem denn so?“Behandlungsmöglichkeit: Gegen Dumenz wurde bislang leider kein wirksames Sierum gefunden. Quelle: Fotolia
AKW – ABKÜRZUNGSWAHNSymptome:„Wir möchten Sie darum bitten, f. QX-Vorgänge künft. ausschl. den Vordr. PD zu verwenden! Form. TJ gilt somit nur noch f. NF-, VB-, UL u. FiK-Aktivit. der FB FK, SO u. HÜ, die NICHT über ein CR abgew. werden können (m. Ausn. v. LM- u. AA-Prozessen)! Bei Fr. wenden Sie sich über die SeS (Maske QU) an den f. Sie zust. FU od. CK. EOM. MfG, FE“Verwandte Krankheiten: Fachidiotie, TastenneuroseBehandlungsmöglichkeit: Ausschr. d. Worte. Quelle: Fotolia
CHARTWAHNBeschreibung:Unvermögen, Dinge ohne Balken-, Linien- oder Kreisdiagramme zu verstehenVerbreitung: Der Chartwahn tritt fast ausschließlich im höheren Management bzw. auf Geschäftsführer- oder Vorstandsebene auf.Behandlungsmöglichkeit: Malen nach Zahlen Quelle: Fotolia
FLOSKELIEBeschreibung:Maßlose Verwendung inhaltsleerer Sprachhülsen, oft in Kombination mit pathologischer UnlustigkeitSymptome: Gerne gratulieren Erkrankte mit den Worten „Herzlichen Glühstrumpf“, stücken ein Rück oder müssen mal für kleine Königstiger. Dabei holen sie gerne noch weitere Kollegen mit ins Boot. Sie verbringen ihre Arbeitstage zum Bleistift damit, grüne Wiesen auf dem Schirm zu haben, Klarheiten zu beseitigen und gemeinsam mit anderen Pfarrerstöchtern Projekte einzutüten. Klappen die Erkrankten gegen 17 Uhr ihre Schlepptops endlich zu, verabschieden sie sich mit „Tschüssikowski!“Verwandte Krankheit: Verbaler Durchfall Quelle: Fotolia
HEIMWEHBeschreibung:Quälende Sehnsucht nach den eigenen vier Wänden oder dem eigenen Balkon; beginnt in der Regel mit dem Betreten des FirmengebäudesVerstärkende Faktoren: Schönes Wetter und sportliche Großereignisse während der ArbeitszeitBehandlungsmöglichkeit: Home-Office, Urlaub, Vorruhestand, Lottogewinn Quelle: Fotolia
KATEGORISCHER KONJUNKTIVBeschreibung:Verbale Arbeits- und Verantwortungsvermeidungsstrategie; äußert sich durch die inflationäre Verwendung von Indefinitpronomen und KonjunktivenSymptome: In E-Mails und Besprechungen häufen sich Formulierungen wie „irgendjemand müsste“, „man sollte“ oder „einer könnte ja mal“.Verwandte Krankheit: Dumenz Quelle: Fotolia
KLEBTOMANIEMeist beginnt die Klebtomanie mit einem einzigen am Rahmen des Monitors angebracht Klebezettel, auf den der Betroffene Dinge wie „Chef anrufen“ schreibt. Da sich aus dem Telefonat mit dem Vorgesetzten gleich mehrere wichtige To-Do‘s ergeben, werden diese umgehend auf weiteren Zetteln notiert, die der Erkrankte anschließend an die (noch) freien Stellen am Bildschirmrand anheftet. Unglücklicherweise fehlt aufgrund der Dringlichkeit der Aufgaben jedoch die Zeit, nicht mehr benötigte Notizen zu entfernen – der Beginn eines fatalen Teufelskreislaufs (daher die Redewendung „sich verzetteln“).Behandlungsmöglichkeit: Hirn einschalten, und nicht jeden Blödsinn sofort aufschreiben! Quelle: Fotolia


Ganz so übel steht die Bundesrepublik aber auch nicht da. „Bei den aktuellen Schulanfängern erreicht Deutschland heute fast das Ziel der WHO“, sagte Terhardt. Mehr als 90 Prozent der Kinder verfügen nach RKI-Angaben in diesem Alter über einen Impfschutz. Nach dem Schulalter stehe das Impfen aber nicht mehr Fokus. „Jugendliche und junge Erwachsene fühlen sich wenig für ihren Impfpass verantwortlich.“ Daher müsse auch das Bewusstsein für Impfungen bei Haus- und Frauenärzten steigen.

Terhardt sprach sich für eine Impfpflicht aus, die kürzlich auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) erwogen hatte. Man müsse allerdings differenzieren: „Die Pflicht sollte für Kinder sowie Mitarbeiter im Gesundheitswesen, in der Kinderbetreuung und Lehrer gelten“, sagt er. Das müsse auch die Konsequenz aus einem Fall an der Berliner Charité sein. Dort soll ein an Masern erkrankter Arzt einen Säugling angesteckt haben. „Dabei sind gerade Säuglinge besonders anfällig für die Spätfolgen von Masern“, sagte Terhardt. Da sie erst ab einem Alter von elf Monaten geimpft werden und auch immer weniger Mütter immun seien, gelte besondere Vorsicht - gerade wenn schon die Kleinsten in Kitas betreut würden.

Als Impfskeptiker gelten zum Beispiel gut gebildete Eltern, die auf Bio und Öko setzen. Der Masern-Ausbruch an einer Waldorfschule bei Köln zeige, dass Skeptiker sich aber auch ihrer Verantwortung für Dritte bewusst sein müssten, sagte Terhardt. Zwar sind schwere Komplikationen bei Masern selten, aber es gibt sie.

Im Juni starb ein 14-Jähriger an den Spätfolgen einer Infektion. Er hatte sich als Säugling in einem Wartezimmer mit Masern angesteckt, weil ein nicht geimpftes Kleinkind die Krankheit weitertrug. Auch ein Mädchen starb Jahre später durch diese Wartezimmer-Infektion. Auch beim RKI sagt Anette Siedler: „Die Impfung dient nicht nur dem Selbstschutz.“

Die Behauptung eines britischen Wissenschaftlers von 1998, der Impfstoff könne Autismus auslösen, gilt heute als widerlegt. Doch in sozialen Netzwerken spiegelt sich immer noch wieder, dass manche Nutzer Impfungen für krankmachend halten: In Anspielung auf die jüngste Impf-Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „Deutschland sucht den Impfpass“ haben sich mehr als 2500 Menschen der Gruppe „Deutschland verbrennt den Impfpass“ angeschlossen.

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