Vorsorge-Untersuchungen Das lukrative Geschäft mit der Angst vor Krankheiten

60 Euro für einen Ultraschall, 20 für eine Augendruckmessung – ab einem bestimmten Alter mehren sich die Arzt-Termine. Doch lohnen sich die Ausgaben? Über Sinn und Unsinn kostenpflichtiger Vorsorgeuntersuchungen ab 50.

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Je älter wir Menschen werden, desto stärker fürchten wir, krank oder pflegebedürftig zu werden. 76 Prozent der Befragten über 50 Jahren bestätigten das in der YouGov-Studie „Die Vielfalt des Alterns“. Häufiger als jüngere Patienten gehen sie deshalb nicht zum Arzt, dafür konsultieren sie den Mediziner aus anderen Gründen. Jüngere Menschen haben eher psychische, ältere eher körperliche Beschwerden, bestätigt die Umfrage.

Die höheren Semester sorgen sich allerdings stärker, dass hinter ihren Symptomen eine ernsthafte Erkrankung steckt. Schließlich nehmen das Krebs-Risiko, sowie Augen- und Herzkreislauferkrankungen im Alter zu. Die Krankenkassen passen ihren Leistungskatalog in der Regel an. Etliche Vorsorge-Untersuchungen werden ab einem bestimmten Alter übernommen. Aber eben nicht alle. Gerade Kassenpatienten müssen sich oft mit einem niedrigeren Leistungskatalog zufrieden gebe und die Behandlungen selbst bezahlen.

Wo Patienten Informationen zu IGeL-Leistungen finden

Das ist bei den sogenannten IGeL-Leistungen der Fall. Die Mediziner können diese nach individuellem Ermessen abrechnen. Sie setzen selbst den Preis fest und kassieren direkt vom Patienten ab. „Viele Ärzte versprechen sich von den IGeL-Leistungen eine zusätzliche Einnahmequelle“, bestätigt eine Sprecherin der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Gleichzeitig fällt - wie bei Privatpatienten - der bürokratische Aufwand mit den Kassen weg. Das Geld fließt direkt zwischen Patient und Mediziner.

Entsprechend werben immer mehr Ärzte mit Flyern, Newslettern und Pappaufstellern in der Praxis für die zusätzliche Krebsvorsorge, Augendruckmessungen und Co. Teilweise werden Patienten ab einem bestimmten Alter sogar per schriftlicher Einladung auf die Vorsorge-Untersuchungen hingewiesen. Und gerade die Generation 50 plus hat sich als kaufkräftige Kundschaft erwiesen. Tatsächlich haben die Deutschen im Jahr 2012 1,3 Milliarden Euro für kostenpflichtige Vorsorge-Untersuchungen ausgegeben, heißt es in einem Bericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK.

Behandlungen sind oft nicht nötig

Dabei ist längst nicht alles sinnvoll, was werbewirksam angepriesen wird. „Notwendig sind Früherkennungsuntersuchen sozusagen per definitionem nicht“, sagt Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln (IQWIG). Sie seien nur bei einem konkreten Verdacht nötig, sagt der Mediziner. Bei der Früherkennung richte sich die Maßnahme hingegen grundsätzlich an gesunde Menschen, die ihre Untersuchung entweder beim Arzt einkaufen oder ein Angebot der Krankenkassen in Anspruch nehmen.

Dabei ist es nicht immer einfach die Grenze zwischen IGeL- und Kassen-Leistungen zu unterscheiden. „Für die Ärzte ist die Abrechnung über die Kasse unter Umständen weniger lukrativ. Daher ist immer die Frage, ob sie diesen Sprung mitmachen. Also von der Vorsorge in die Behandlung wechseln, und die Patienten richtig informieren“, sagt GKV-Sprecherin Ann Marini.

PSA-Test und Lungen-Screening

Was an den Krebs-Mythen dran ist
Die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen hat sich laut eines Expertenberichts seit 1970 fast verdoppelt Quelle: dpa
Krebs ist ansteckendDieses Vorurteil hält sich standhaft. Dabei ist wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen, dass Krebs weder über den normalen Umgang mit Patienten noch über die Pflege, nicht einmal über Sex, übertragen werden kann. Denn Patienten scheiden die Krebszellen nicht aus. Kommt ein Mensch versehentlich mit Tumorgewebe direkt in Berührung, erkennt das Immunsystem die fremden Körperzellen und eliminiert sie. Derzeit geht die Wissenschaft davon aus, dass dieser Schutzmechanismus sogar funktioniert, wenn man eine Bluttransfusion mit dem Blut eines Krebskranken verabreicht bekommt.Quelle: Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Quelle: dpa/dpaweb
Abtreibung löst Brustkrebs ausDieses Gerücht ist eine echte Belastung für alle Frauen, die sich im Laufe ihres Lebens einmal gegen ein Kind entscheiden mussten. Ausgangspunkt ist eine Studie aus den USA, die weltweit in den Medien zitiert wurde. Diese legte nahe, dass Abtreibungen das Risiko für ein Mammakarzinom erhöhe. Kritiker bemängelten, dass mit der Studie keine Krebshäufung unter betroffenen Frauen nachgewiesen werden konnte. Auch ließe sich gar nicht ablesen, dass Abtreibung und Brustkrebs ursächlich etwas miteinander zu tun hätten. Mittlerweile wurden fundierte Studien durchgeführt, die zeigen, dass Schwangerschaftsabbrüche und auch ungewollte Fehlgeburten als Risiko für Brustkrebs relativ sicher ausgeschlossen werden können. Quelle: dpa
Zu enge BHs verursachen BrustkrebsAuch diesen Mythos schürte ein Buch aus den USA. Darin hieß es, dass das Abklemmen der Lymphbahnen dazu führe, dass der Stoffwechsel nicht gut funktioniere und Schadstoffe nicht abwandern könnten. Ein Beweis oder eine wissenschaftliche Quelle für diese Behauptung konnten die Autoren jedoch nicht liefern. Inzwischen ist klar: Das Tragen von Büstenhaltern beeinflusst das Brustkrebsrisiko nicht, egal ob zu eng oder gut passend, mit Bügel oder ohne. Quelle: dpa
Viele Lebensmittel sind für Krebspatienten giftigSo viele Ratschläge Freunde und Bekannte auch auf den Lippen haben, eine sogenannte "Krebsdiät" gibt es nicht. Häufig wird vor Kartoffeln, Tomaten oder Schweinefleisch gewarnt, die angeblich giftig für Krebspatienten seien. Tatsächlich enthalten die Nachtschattengewächse Kartoffeln und Tomaten in ihren grünen Pflanzenteilen das schwach giftige Solanin. Krebs fördert dieser Stoff jedoch nicht. Das Gerücht, Schweinefleisch sei schädlich, scheint eher einen weltanschaulichen oder religiösen Hintergrund zu haben. Wissenschaftliche Belege, dass das Fleisch ungesund ist, gibt es jedenfalls nicht. Quelle: dpa
Krebsrisiko steigt nach einer SterilisationFührt eine Durchtrennung der Eileiter oder Samenstränge zur Empfängnisverhütung zu Krebs? Hierauf ist die Antwort nicht so eindeutig zu geben. Bei Frauen konnte die Vermutung, eine Unterbindung der Eileiter führe zu Eierstockkrebs, bislang nicht durch Studien belegt werden. Bei Männern sieht die Sache etwas anders aus: Jahrelang galt eine Vasektomie als ungefährlich. Das Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken, scheint tatsächlich nicht anzusteigen. Bei Prostatakrebs hingegen sehen die Wissenschaftler noch offene Fragen. Eine US-Studie die im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht wurde und 50.000 Männer über einen Zeitraum von 24 Jahren beobachtete, wies auf einen leichten Anstieg aggressiver Prostatakarzinome nach einer Vasektomie hin. Der Mechanismus dahinter ist aber noch unklar. Quelle: dpa
Übergewicht macht krebskrankEs gibt Studien, die sich mit der Frage beschäftigt haben, ob es einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Körpergewicht und Brustkrebs gibt. Und tatsächlich müssen Frauen, die nach den Wechseljahren deutlich übergewichtig sind, mit einer höheren Erkrankungswahrscheinlichkeit leben. Für jüngere Frauen wurde dieser Zusammenhang bisher nicht bestätigt. Laut dem Krebsinformationsdienst laufen hierzu aktuell noch weitere Studien. Quelle: dpa

Mediziner und Fachjournalisten der Seite IGeL-Monitor haben sich die kostenpflichtigen Leistungen zusammengefasst und bewertet, welche Untersuchungen nötig sind und von welchen sie eher abraten würden. Einige Beispiele:

Der PSA-Test

Der sogenannte PSA-Test zur Erkennung von Prostata-Krebs etwa ist unter Fachleuten besonders umstritten. PSA steht für Prostata-spezifisches Antigen, ein Eiweißstoff, der in der Prostata gebildet wird. Er wird bei der Ejakulation dem Sperma beigemischt. Der Test misst die Menge des PSA im Blut. Ist er erhöht, könnte das ein Indiz für Prostata-Krebs sein. Die Kasse übernimmt die Untersuchung nur, wenn ein konkreter Krebsverdacht besteht. Als IGeL-Leistung kostet die Blutanalyse inklusive Beratung zwischen 28 und 45 Euro.

„Der Test ist zur Früherkennung eigentlich kaum geeignet, da die Werte sehr wenig aussagekräftig sind“, sagt Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg. So können zum Beispiel Harnwegsinfektionen, eine Entzündung der Prostata, sportliche Betätigungen (Druck auf der Prostata), Prostatahyperplasie oder eben auch Prostata-Krebs Grund für den Ausschlag auf der Skala sein. „Um näheres herauszufinden, sind für die Patienten belastende und für die Kassen kostspielige Folgeuntersuchungen nötig“, so Weg-Remers.

Selbst wenn der Patient mit einer Krebsdiagnose konfrontiert wird, scheint die Vorsorge kaum sinnvoll. Denn der Prostata-Krebs ist ein sehr langsam wachsender Krebs. „Häufig treten bei den Patienten erst nach Jahren oder auch gar keine Beschwerden auf“, sagt Weg-Remers. Gerade bei Patienten mit einer Lebenserwartung von unter zehn Jahren fragt es sich, ob Folgebehandlungen, wie eine Operation oder eine Strahlentherapie, zu empfehlen sind.

Dabei belasten die Folgeuntersuchungen bei gesunden Menschen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur die Kassen. Sie können auch ein Risiko für den Patienten darstellen.

Lungen-Screening

So zum Beispiel auch beim Lungenscreening, also einer Computer-Tomographie der Lunge. Während einige Radiologen davor warnen, einen eventuellen Tumor der Strahlung auszusetzen, verkaufen andere das CT als Lebenszeit spendende Maßnahme. Viele empfehlen vor allem Rauchern sogar schon ab 40 Jahren eine regelmäßige Vorsorge. Dabei werden je nach Praxis etwa 140 Euro für das CT fällig. Wird der Radiologe fündig, müssen sich die Patienten im Anschluss einer kleinen Operation unterziehen, damit eine Gewebeprobe aus der Lunge entnommen werden kann.

Dabei ist – so zynisch es klingt – bisher gar nicht belegt, dass der frühzeitige Befund „Lungenkrebs“ die Lebenswahrscheinlichkeit des Patienten tatsächlich erhöht. Eventuell muss er nur länger mit der Krebsdiagnose leben, bemängeln Experten. „Wir empfehlen den Patienten daher ein Lungenscreening im Rahmen von Studien durchführen zu lassen“, sagt Susanne Weg-Remers. So könnten die Ergebnisse in die Forschung einfließen und Aufschluss darüber geben, wie sinnvoll so eine Vorsorge wirklich ist.

Glaukom-Früherkennung, Mammographien, Darmkrebs-Vorsorge

Die häufigsten Todesursachen in Deutschland
Im Jahr 2013 verstarben in Deutschland insgesamt 893.825 Menschen, davon 429.645 Männer und 464.180 Frauen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ist damit die Zahl der Todesfälle gegenüber dem Vorjahr um 2,8 Prozent angestiegen. Durch einen Suizid beendeten 10.076 Menschen ihr Leben, wobei der Anteil der Männer mit 73,9 Prozent fast dreimal so hoch war wie der Anteil der Frauen mit 26,1 Prozent. Quelle: dpa
In 10.842 Fällen (4 972 Männer und 5 870 Frauen) war ein Sturz die Ursache für den Tod. Quelle: dpa
Bestimmte infektiöse und parasitäre Krankheiten waren für 18.475 Sterbefälle verantwortlich. Quelle: dpa
3,8 Prozent aller Todesfälle waren auf eine nicht natürliche Todesursache wie zum Beispiel eine Verletzung, einen Unfall oder eine Vergiftung zurückzuführen (34.133 Sterbefälle). Quelle: dpa
Eine deutliche Zunahme um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ist bei den Psychischen und Verhaltensstörungen festzustellen. Hieran verstarben 2013 insgesamt 36.117 Menschen, davon 14.241 Männer und 21.876 Frauen. In 80 Prozent dieser Sterbefälle war eine Demenzerkrankung die Todesursache. Quelle: dpa
Die Zahl der Sterbefälle infolge von Krankheiten des Verdauungssystems betrug im vergangenen Jahr 40.112. Das entspricht einer Rate von 4,5 Prozent. Quelle: dpa
Mann packt scih an die Brust Quelle: dpa

Ein ganz ähnliches Problem gibt bei einem MRT zur Früherkennung von Alzheimer. Die Kosten liegen laut IGeL-Monitor bei 250 bis 460 Euro. Einen konkreten, medizinischen Nutzen hat das Wissen für den Patienten jedoch nicht, da sich der Ausbruch der Krankheit derzeit noch nicht aufhalten lässt.

Mammographie-Screenings

Auch über die Brustkrebsvorsorge in Deutschland streiten Experten seit Jahren. Während der regelmäßige Ultraschall der Brust in den Niederlanden längst Usus ist, fällt er hierzulande unter die IGeL-Leistungen. 35 bis 75 Euro kassieren die Ärzte pro Brust-Screening. Lediglich der Altersgruppe der 50- bis 69-Jährigen finanzieren die Kassen alle zwei Jahre die Untersuchung.

Aus ähnlichen Gründen wie beim Lungenscreening wurde von der früheren Aufnahme in den Leistungskatalog der Krankenkassen bisher abgesehen. Studien hätten gezeigt, dass nur bei zwei von 1000 Patienten das Sterberisiko durch den Brustkrebs verringert werden könnte. 998 Frauen haben durch die Vorsorge keinen Vorteil - im Gegenteil. Inzwischen ist bekannt, dass eine von 10.000 Frauen durch eine Mammographie an strahlenbedingtem Brustkrebs sterben wird, ein paar wenige mehr werden durch das Screening überhaupt erst erkranken. Dann können bei der Untersuchung Karzinome entdeckt werden, die sich so langsam entwickeln, dass eine Frau während ihrer Lebenszeit davon nie etwas bemerkt hätte - ähnlich wie beim Prostata-Karzinom.

Glaukom-Früherkennung

Auch dieser Test, der etwa zehn bis 22 Euro kostet, wird von den Experten des IGeL-Monitor als tendenziell negativ bewertet. Ein erhöhter Innendruck im Auge kann auf ein Glaukom (grüner Star) hinweisen, der im Extremfall zur Erblindung führen kann. Entsprechend sinnvoll scheint die „Vorsorge-Untersuchung“. Doch Studien-Ergebnisse zeigen, dass die Augeninnendruckmessungen den grünen Star gar nicht zuverlässig diagnostizieren können. Gleichzeitig habe die Früherkennung bisher nicht gezeigt, dass durch sie weniger Menschen an Grünem Star erkranken.

Darmkrebs-Vorsorge

Etwas anders sieht es bei der Darmkrebs-Vorsorge aus. Zwar kann es in fünf von 10.000 Fällen zu einer Verletzung der Darmwand kommen. In diesen sehr seltenen Fällen, müssen die Ärzte sofort operieren, um eine Bauchfellentzündung zu vermeiden. Denn durch das Loch in der Darmwand können Bakterien in die Bauchhöhle geraten.

Allerdings lohnt es sich fast immer, die unangenehme Behandlung und die Risiken auf sich zu nehmen. „Bei der Darmspiegelung lassen sich kolorektale Adenome meist direkt entfernen. So hat der Krebs gar keine Chance erst zu entstehen“, sagt Susanne Weg-Remers aus Heidelberg. Die Krankenkassen übernehmen entsprechend die Kosten für eine Darmspiegelung ab dem 55. Lebensjahr. Ist diese unauffällig, muss der Patient erst zehn Jahre später wieder antreten. Die Vorsorge hat sich bewährt. Zwar sterben immer noch etwa 27.000 Deutsche pro Jahr an Darmkrebs. Aber durch die Vorsorge sind die Zahlen in den vergangenen Jahren zurückgegangen.

Pauschal-Antworten gibt es nicht

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
Eine junge Frau putzt sich mit einem Papiertaschentuch die Nase Quelle: dpa
Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
In einer Zahnarztpraxis werden die Zähne eines Jungen untersucht Quelle: dpa
Ein Fieberthermometer liegt auf verschiedenen Arten und Formen von Tabletten Quelle: dpa
Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Wichtig ist, dass sich in der Debatte um die richtige Vorsorge immer Interessen gegenüber stehen. Die Ärzte wollen zum einen eine neue Einnahmequelle erschließen und zum anderen - und das ist nicht weniger oft der Fall - maximal gut ihrer Vorsorgepflicht nachkommen. Die Kassen hingegen schauen auf die teuren Folgeuntersuchungen, die Vorsorgeuntersuchungen nach sich ziehen. In vielen Fällen seien diese Ausgaben unnötig, argumentieren sie.

Am Ende steht der Patient dann doch alleine vor der Entscheidung, welche Untersuchungen er machen sollte, und welche nicht. „Generelles Zu- oder Abraten gibt es da nicht, weil der Bedarf für eine Untersuchung abhängig ist von der individuellen Situation, dem persönlichen Risiko einer Patientin oder eines Patienten“, sagt Jürgen Windeler vom IQWIG in Köln. „Das Abwägen geht nur im Gespräch mit dem Arzt und der Ärztin.“

Für fragwürdig hält er dennoch die sogenannten Manager-Check-ups, die auf der Basis von Ganzkörperabbildungen (beispielsweise im Kernspintomographen) Gesundheitsversprechen suggerieren. Tatsächlich werden den Patienten aber mehrere hundert Euro abgenommen, um lediglich ein paar Tests durchzuführen – auch wenn es keinerlei Symptome gibt, die auf eine Krankheit hinweisen.

Christian Weymayr, Redakteur beim IGeL-Monitor, bezeichnet grundsätzlich alle Untersuchungen, die in Studien keinen Nutzen zeigen konnten, oder für die es keine entsprechenden Studien gibt, als überflüssig. „Dazu gehören beispielsweise alle Tastuntersuchungen zur Krebsfrüherkennung, das heißt das Abtasten der Brust, der Prostata und des Darms“, sagt er.

Dennoch raten die großen Beratungseinrichtungen dazu, die von der Kasse finanzierten Vorsorge-Angebote in Anspruch zu nehmen:

Früherkennungsangebote der gesetzlichen Krankenkasse

In jedem Fall sollten sich Patienten nicht vorschnell und uninformiert für eine Vorsorge-Untersuchung entscheiden. „Wir raten den Patienten immer dazu, das Gespräch mit dem Arzt zu suchen“, sagt GKV-Sprecherin Ann Marini. Wichtig seien vor allem folgende Fragen:

  • Was bringt mir die Untersuchung?
  • Wie geht es weiter, wenn der Befund positiv ausfällt?

„Außerdem sollte der Arzt in der Lage sein, eine medizinische Begründung für die empfohlene Vorsorge-Untersuchung anzubringen“, sagt Ann Marini.

Oft sei es auch sinnvoll, sich eine zweite Meinung einzuholen. „IGeL-Leistungen sind nie Untersuchungen, die sofort durchgeführt werden müssen. Oft lohnt es sich einen zweiten Arzt zu konsultieren oder sich erst einmal zu informieren, ob die Untersuchung wirklich nötig ist“, sagt Marini.

„Ich vermute, dass viele Patienten ihr Vertrauensverhältnis zu ihrer Ärztin oder ihrem Arzt nicht aufs Spiel setzen wollen und deshalb angebotene Leistungen bezahlen, auch wenn sie nicht wirklich davon überzeugt sind", sagt Christan Weymayr. Langfristig könnte jedoch die Autorität des Arztes leiden. So gaben in einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung fast die Hälfte der Befragten an, dass sich das Vertrauensverhältnis zum Arzt durch das Anbieten von IGeL verschlechtert habe.

Da das auch nicht im Interesse der Mediziner ist, hat bereits ein Wandel eingesetzt. So bietet zum Beispiel die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine Checkliste für Mediziner an, um eben nicht in die Verkäuferrolle zu fallen. „Der Ton ist meist lange nicht mehr so werbend wie früher, und es wird darauf hingewiesen, dass man Nutzen und Schaden gegeneinander abwägen sollte“, sagt Weymayr.

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