Wichtig ist, dass sich in der Debatte um die richtige Vorsorge immer Interessen gegenüber stehen. Die Ärzte wollen zum einen eine neue Einnahmequelle erschließen und zum anderen - und das ist nicht weniger oft der Fall - maximal gut ihrer Vorsorgepflicht nachkommen. Die Kassen hingegen schauen auf die teuren Folgeuntersuchungen, die Vorsorgeuntersuchungen nach sich ziehen. In vielen Fällen seien diese Ausgaben unnötig, argumentieren sie.
Am Ende steht der Patient dann doch alleine vor der Entscheidung, welche Untersuchungen er machen sollte, und welche nicht. „Generelles Zu- oder Abraten gibt es da nicht, weil der Bedarf für eine Untersuchung abhängig ist von der individuellen Situation, dem persönlichen Risiko einer Patientin oder eines Patienten“, sagt Jürgen Windeler vom IQWIG in Köln. „Das Abwägen geht nur im Gespräch mit dem Arzt und der Ärztin.“
Für fragwürdig hält er dennoch die sogenannten Manager-Check-ups, die auf der Basis von Ganzkörperabbildungen (beispielsweise im Kernspintomographen) Gesundheitsversprechen suggerieren. Tatsächlich werden den Patienten aber mehrere hundert Euro abgenommen, um lediglich ein paar Tests durchzuführen – auch wenn es keinerlei Symptome gibt, die auf eine Krankheit hinweisen.
Christian Weymayr, Redakteur beim IGeL-Monitor, bezeichnet grundsätzlich alle Untersuchungen, die in Studien keinen Nutzen zeigen konnten, oder für die es keine entsprechenden Studien gibt, als überflüssig. „Dazu gehören beispielsweise alle Tastuntersuchungen zur Krebsfrüherkennung, das heißt das Abtasten der Brust, der Prostata und des Darms“, sagt er.
Dennoch raten die großen Beratungseinrichtungen dazu, die von der Kasse finanzierten Vorsorge-Angebote in Anspruch zu nehmen:
Früherkennungsangebote der gesetzlichen Krankenkasse
Art der Untersuchung: Ganzkörperuntersuchung der Haut
Zielgruppe: Frauen und Männer ab 35 Jahren
Untersuchungsintervall: alle zwei Jahre
Möglichkeit 1
Art der Untersuchung: Stuhluntersuchung (Schnelltest auf verborgenes Blut im Stuhl)
Zielgruppe: Frauen und Männer von 50 bis 54 Jahren
Untersuchungsintervall: jährlich
Möglichkeit 2
Art der Untersuchung: Koloskopie (Darmspiegelung)
Zielgruppe: Frauen und Männer ab 55 Jahren
Untersuchungsintervall: zwei Koloskopien im Abstand von zehn Jahren
Art der Untersuchung: Abstrich am Gebärmutterhals
Zielgruppe: Frauen ab 20 Jahren
Untersuchungsintervall: jährlich
Möglichkeit 1
Art der Untersuchung: Abtasten der Brust
Zielgruppe: Frauen ab 30 Jahren
Untersuchungsintervall: jährlich
Möglichkeit 2
Art der Untersuchung: Mammographie im Rahmen des nationalen Mammographie-Screening-Programms
Zielgruppe: Frauen von 50 bis 69 Jahren
Untersuchungsintervall: alle zwei Jahre
Art der Untersuchung: Abtasten der Prostata (digitale rektale Untersuchung)
Zielgruppe: Männer ab 45 Jahren
Untersuchungsintervall: jährlich
In jedem Fall sollten sich Patienten nicht vorschnell und uninformiert für eine Vorsorge-Untersuchung entscheiden. „Wir raten den Patienten immer dazu, das Gespräch mit dem Arzt zu suchen“, sagt GKV-Sprecherin Ann Marini. Wichtig seien vor allem folgende Fragen:
- Was bringt mir die Untersuchung?
- Wie geht es weiter, wenn der Befund positiv ausfällt?
„Außerdem sollte der Arzt in der Lage sein, eine medizinische Begründung für die empfohlene Vorsorge-Untersuchung anzubringen“, sagt Ann Marini.
Oft sei es auch sinnvoll, sich eine zweite Meinung einzuholen. „IGeL-Leistungen sind nie Untersuchungen, die sofort durchgeführt werden müssen. Oft lohnt es sich einen zweiten Arzt zu konsultieren oder sich erst einmal zu informieren, ob die Untersuchung wirklich nötig ist“, sagt Marini.
„Ich vermute, dass viele Patienten ihr Vertrauensverhältnis zu ihrer Ärztin oder ihrem Arzt nicht aufs Spiel setzen wollen und deshalb angebotene Leistungen bezahlen, auch wenn sie nicht wirklich davon überzeugt sind", sagt Christan Weymayr. Langfristig könnte jedoch die Autorität des Arztes leiden. So gaben in einer Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung fast die Hälfte der Befragten an, dass sich das Vertrauensverhältnis zum Arzt durch das Anbieten von IGeL verschlechtert habe.
Da das auch nicht im Interesse der Mediziner ist, hat bereits ein Wandel eingesetzt. So bietet zum Beispiel die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine Checkliste für Mediziner an, um eben nicht in die Verkäuferrolle zu fallen. „Der Ton ist meist lange nicht mehr so werbend wie früher, und es wird darauf hingewiesen, dass man Nutzen und Schaden gegeneinander abwägen sollte“, sagt Weymayr.