Den meisten Verbrauchern ist zudem nicht bewusst, dass Nahrungsergänzungsmittel kaum gesetzlichen Vorschriften unterliegen und sie im Gegensatz zu Medikamenten auch keine Testreihen zu Wirksam- oder Schädlichkeit durchlaufen müssen. Dar Risiko daran zeigt sich etwa im Beispiel der Juiceplus-Kapseln: sie enthalten Vitamin A in einer so hohen Dosierung, dass bei einem Arzneimittel bereits ein Warnhinweis für Raucher aufgrund des erhöhten Lungenkrebsrisikos angebracht werden müsste. Gerade der blühende Vertrieb über das Internet bietet Herstellern von allerlei Schlankheitspülverchen und Kräuterpillen aus dem Ausland ein Schlupfloch - Verbraucher sollten sich darüber bewusst werden, dass solche Produkte in Deutschland oftmals nicht verkehrsfähig und potentiell gefährlich sind.
Und so wächst der Markt mit den bunten Pillen immer weiter. Zu verlockend ist die Idee, weiter bequem Pizza, Pommes und Burger futtern zu können - und das, was fehlt, einfach in Pillenform hinterher zu werfen. „Wir nehmen Nahrungsergänzungsmittel meist zur Gewissensberuhigung. Aber Ernährungsfehler lassen sich nicht durch Pillen ausgleichen", sagt DGE-Präsident Helmut Heseker. Laut einer Forsa-Umfrage schluckt jeder dritte Deutsche Nahrungsergänzungsmittel. Der Markt ist einer Erhebung des Informationsdienstleisters IMS Health zufolge rund 900 Millionen Euro an Jahresumsatz schwer. Magnesium- und Kalziumpräparate generieren dabei am meisten Umsatz, auf Platz drei folgen Multivitamin-Präparate mit Mineralstoffen.
Die Deutschen geben also viel Geld aus für etwas, dessen Nutzen nicht nur unbestätigt ist, sondern das auch unserer Gesundheit schaden kann. Insbesondere "wenn hochdosierte Präparate über eine längere Zeit eingenommen und zusätzlich angereicherte Lebensmittel verzehrt werden", kann dies zu einem Gesundheitsrisiko werden, warnt Heseker. In Industrieländern wie Deutschland tragen auch vitaminisierte Getränke, Frühstücksflocken, Margarinen oder Bonbons zu einer zusätzlichen Vitaminzufuhr bei. Zudem werden häufig Multivitaminpräparate und mehrere unterschiedliche Produkte parallel eingenommen, zeigte eine Umfrage im Rahmen der bereits erwähnten Doktorarbeit von Bradac.
Die wichtigsten Antworten zu Nahrungsergänzungsmitteln
Im Gegensatz zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit nachgewiesener pharmakologischer Wirkung handelt es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln (kurz: NEM) im Sinne des Gesetzes um Lebensmittel. Sie können eine breite Palette Stoffen enthalten, z.B. Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Ballaststoffe oder Kräuterextrakte. Sie werden als Tabletten, Pulver, Kapseln, Dragees oder Flüssigkeiten angeboten.
Derzeit gibt es keine verbindlichen Höchstmengen für die Inhaltsstoffe in NEM. Diese werden von Experten jedoch immer wieder gefordert. Es ist zumindest vorgesehen, auf europäischer Ebene Höchstmengen für Vitamine und essentielle Mineralien vorzuschreiben. NEM müssen derzeit nur einen Hinweis auf die empfohlene tägliche Verzehrmenge tragen sowie eine Warnung, dass diese Menge nicht überschritten werden darf.
Da NEM Lebensmittel sind, gelten die Bestimmungen des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches. Sie müssen beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit registriert sein, brauchen aber keine Zulassung. Das bedeutet, dass sie anders als Arzneimittel kein Verfahren durchlaufen, in dem die tatsächliche gesundheitliche Unbedenklichkeit nachgewiesen werden muss. Für die Sicherheit sind Hersteller, Importeur und Anbieter verantwortlich. Die Landesbehörden kontrollieren NEM, die im Handel angeboten werden, stichprobenartig auf ihre Übereinstimmung mit den Gesetzesvorschriften.
Generell bietet eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung dem gesunden Menschen alle essentiellen Nährstoffe. Eine einseitige oder mangelhafte Ernährung kann dazu führen, dass zu wenig Nährstoffe aufgenommen werden. So kann etwa bei alten oder chronisch kranken Menschen, Schwangeren und stillenden Frauen oder Menschen mit extremen Ernährungsformen ein erhöhter Bedarf an bestimmten Nährstoffen auftreten. Ob eine Nahrungsergänzung vorgenommen wird, sollte mit dem Arzt besprochen werden.
Inhaltsstoffe wie lebenswichtige Vitamine und Mineralstoffe, die sich in NEM finden, können auch in Arzneimitteln enthalten sein. Was ist also der Unterschied? Letztere unterliegen den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und somit einer Zulassungspflicht. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Inhaltsstoffe müssen nachgewiesen werden. Nahrungsergänzungsmittel hingegen können auch in den Handel gelangen, wenn ihr ernährungsphysiologischer Wert fraglich ist (siehe Punkt 3).
Die Gefahr einer Überdosierung besteht vor allem bei fettlöslichen Vitaminen. Im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen werden sie bei einem Überangebot nur begrenzt ausgeschieden. Überdosierungen können zahlreiche gesundheitsschädliche Wirkungen nach sich ziehen, um nur einige Beispiele zu nennen:
Die Gefahren einer Einnahme von isoliertem Betacarotin, einer Vorstufe des Vitamin A, sind seit Langem bekannt. Bei starken Rauchern und Asbestarbeitern führte es zu einem Anstieg von Lungenkrebserkrankungen und Todesfällen durch Herzkreislauf-Krankheiten. Auch das als risikoarm geltende Vitamin C kann unerwünschte Nebenwirkungen haben: So warnen etwa Goodman & Gilman's in "The pharmaceutical basis of therapeutics" vor der Gefahr von Nierensteinen durch Überdosierung von Vitamin C. Bei Eisentabletten kann es in Extremfällen zu akuten Vergiftungserscheinungen kommen, die Nieren- und Leberschäden nach sich ziehen können. Eine langfristige Überversorgung mit Eisen steht nach derzeitigem Erkenntnisstand im Verdacht, das Risiko für Herz- und Krebserkrankungen zu erhöhen.
Zudem kann es bei Nahrungsergänzungsmitteln zu unerwünschten Wechselwirkungen mit Arzneimitteln oder anderen Nahrungsergänzungsmitteln kommen, warnt das BfR. Daher sollten sie über längere Zeiträume nur in Absprache mit dem Arzt eingenommen werden. Bei bestimmten Arzneimitteln könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Wirkung abgeschwächt oder verstärkt wird.