Zucker ist nicht nur süß, sondern er wirkt auch als Geschmacksträger. Außerdem ist Zucker ein billiger Füllstoff, denn er bindet Wasser - das führt zu mehr Gewicht. Teure Zutaten wie Früchte können so reduziert werden.
Die Lebensmittelhersteller schätzen zudem die strukturgebende Form verschiedener Zuckerarten. So bringt zum Beispiel Laktose eine cremige Konsistenz, wie sie in Schokoladen oder Pralinen erwünscht ist. Nicht zuletzt ist Zucker auch ein Konservierungsmittel. Das hängt mit der wasserbindenden Eigenschaft zusammen: Mikroorganismen brauchen freies Wasser, um sich zu vermehren. Ist dieses durch Zucker gebunden, verderben die Lebensmittel nicht so schnell.
Undurchschaubare Zutatenliste
Beim Blick auf die Zutatenliste gilt die Faustregel: Was als Erstes aufgeführt wird, ist auch am meisten enthalten. Findet sich also Zucker weit oben in der Zutatenliste, ist viel davon drin.
Die Krux: Die Lebensmittelhersteller füllen nicht nur reinen Zucker in ihre Leckereien, sondern er verbirgt sich hinter zahlreichen Begriffen, die oft nicht auf Anhieb durchschaubar sind. Die vielfältigen Bezeichnungen verwirren Verbraucher. "Da wird natürlich getrickst", sagt Müssig, "eigentlich muss man sich mit einem Lexikon daneben setzen um zu sehen, was ist eigentlich alles Zucker."
Im Folgenden ein kleiner Überblick:
Hinter welchen Bezeichnungen sich Zucker versteckt
Zuviel Zucker ist ungesund - das weiß jedes Kind. Doch die süße Zutat versteckt sich hinter allerlei Bezeichnungen. Ein Blick auf häufige Deklarationen, um den Durchblick zu wahren:
Das ist der gewöhnliche Haushaltszucker, der aus einem Molekül Glucose und einem Molekül Fructose besteht. Gewonnen wird er aus Zuckerrübe, Zuckerrohr und Zuckerpalme. Übrigens: brauner Zucker ist nicht gesünder als weißer. Beide haben gleich viele Kalorien (400 kcal pro 100 Gramm) und sind gleich schädlich. Weißer Zucker wird einfach häufiger gereinigt. Brauner Zucker kann zwar noch minimale Mineralstoff-Spuren enthalten, das ist aber so wenig, dass es gesundheitlich keinerlei Vorteil bringt.
Hinter dem Begriff Laktose verbirgt sich der Milchzucker. Er setzt sich aus einem Molekül Glukose und einem Molekül Galaktose zusammen. Für Menschen mit einer Laktoseintoleranz ist der Zucker problematisch: Sie können ihn nicht verdauen, was zu Blähungen und Durchfall führt. In der Lebensmittelherstellung ist Laktose beliebt, weil sie billig ist und damit eine cremige Konsistenz erzeugt werden kann, was zum Beispiel bei Schokoriegeln erwünscht ist.
Generell lässt die Endung -ose auf Zucker schließen, etwa Dextrose oder Fruktose.
Es ist ein Nebenprodukt der Käseverarbeitung und besteht zu etwa 72 Prozent aus Milchzucker.
Er wird auch als Glucose-Sirup, Bonbonsirup, Isoglukose, Corn Sirup oder Maiszucker bezeichnet. Es handelt sich um einen Zuckersirup, der durch enzymatische Aufspaltung einer stärkehaltigen Lösung entsteht und aus Glukose und Fruktose (in veränderlichen Anteilen) besteht. Er kann besonders billig aus Mais, aber auch aus Kartoffeln und Weizen gewonnen werden. Diese Zuckersirup-Arten werden vor allem für Pralinen, Riegel oder Frühstücksflocken als Bindemittel eingesetzt, weil sie so klebrig sind. Kalorientechnisch steht der Sirup dem Haushaltszucker in nichts nach.
Er wird mit Säure oder einem Enzym (der sogenannten Invertase) aus Saccharose hergestellt, die dabei in ihre beiden Bausteine Glukose und Fruktose zerlegt wird. Dadurch schmeckt er etwas milder und fruchtähnlicher. Invertzuckersirup wurde früher auch "Kunsthonig" genannt. In der Lebensmittelindustrie wird er ähnlich wie Glukosesirup eingesetzt, weil er nicht so leicht kristallisiert.
Maltose, der Malzzucker, ist ein Abfallprodukt in der Stärkeherstellung aus zwei Glukosemolekülen. Er entsteht zum Beispiel beim Bierbrauen. Zucker verbirgt sich außerdem hinter allen Bezeichnungen, die mit "Malto" beginnen, etwa Maltodextrin oder Maltoextrakt.
Er gilt als Alternative zum Zucker, enthält aber fast so viele Kalorien wie normaler Zucker, da er zu etwa 80 Prozent aus Zucker besteht. Verbreitet sind zum Beispiel Agaven- oder Apfeldicksaft.
Addiert man die verschiedenen Zuckerarten, kommt oft ganz schön was zusammen. Fehlt auf dem Produkt eine Nährwertkennzeichnung, lässt sich der tatsächliche Zuckergehalt kaum einschätzen.
Ein Beispiel: Ein Obst-Riegel eines Discounters enthält laut Zutatenliste Rosinen, getrocknete Apfelstücke, Apfelsaftkonzentrat, Vollkorn-Haferflocken, Cornflakes, Oligofruktose, Heidelbeerfruchtpulver, Palmöl, Rote-Bete-Pulver, Oblaten, Zitrusfaser und natürliches Aroma.
Haben Sie es bemerkt? Der Begriff Zucker kommt in der Liste gar nicht vor. Dennoch besteht ein Riegel (30 Gramm) nahezu zur Hälfte (14 Gramm) aus Zucker.
Werbesprüche verwirren Verbraucher
Bei der Bewertung von Lebensmitteln darf man nicht vergessen, dass Obst und Obstsaft von Natur aus viel Zucker enthalten. Ein Liter Orangensaft hat etwa genauso viel Zucker wie ein Liter Limonade. Ein vermeintlich gesundheitsfördernder Smoothie oder ein Obstriegel sind Zuckerbomben, obwohl die meisten Menschen sie nicht als Süßigkeit wahrnehmen würden. "Hier herrscht viel Unsicherheit", sagt Müssig. Dazu trägt auch bei, dass etwa die WHO die Zucker aus natürlichen Lebensmitteln aus der Empfehlung ausklammert. Denn Nektarinen, Melonen und Co. liefern natürlich auch Vitamine, Mineralstoffe und andere gesundheitsfördernde Substanzen. Ist man auf Hüftspeck und Zahngesundheit bedacht, muss der natürlich enthaltene Zucker aber dennoch in der Ernährung berücksichtigt werden.
Die widersprüchlich erscheinenden Empfehlungen rund um die vermeintlich beste Ernährung führen gern dazu, dass Patienten den Durchblick verlieren. So erzählt Müssig etwa von einer Patientin, die nach einer Diabetes-Diagnose die Empfehlung erhielt, viel frisches Obst und Gemüse zu essen. Gesagt - getan, doch ihre Blutzuckerwerte schossen weiter in die Höhe. Auf genaue Nachfrage nach dem Ernährungsverhalten stellte sich dann heraus, dass die Patientin anstelle von Äpfeln jeden Tag einen Liter Apfelsaft trank - im Glauben, sich etwas Gutes zu tun.
Auch die Werbung führt viele Verbraucher in die Irre. Wird mit Aussagen wie "ohne Zuckerzusatz", "ohne Zusatz von Kristallzucker" oder "ungesüßt" geworben, vermuten viele, das Produkt enthalte kaum oder sogar gar keinen Zucker. Wie das Beispiel des Obst-Riegels zeigt, enthalten aber auch süßende Zutaten wie etwa Trockenfrüchte von Natur aus reichlich Zucker.
Die Angaben besagen aber nur, dass kein Haushaltszucker oder Zuckersirup zugesetzt wurde. Auch die Angabe "mit Fruchtzucker" oder "mit der Süße aus Früchten" heißt nicht, dass gesundes Obst erwartet werden kann - es wird hingegen Fruchtzucker (Fruktose) oder -sirup zum Süßen eingesetzt.
Aber warum greifen wir eigentlich so gern zu Keks und Co., obwohl wir wissen, dass es ungesund ist? Und warum fällt es so schwer, nach einem Stück Schokolade aufzuhören?