Zahn-Gesundheit Wie Forscher Karies den Garaus machen wollen

Zahnschmerzen können grausam sein, die Behandlung teuer: Forscher suchen nach neuen Therapien, die das Bohren zukünftig vermeiden. Zum Beispiel mit Zahncreme mit probiotischen Mikroorganismen.

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Zahnbehandlung ist teuer und oft schmerzhaft. Forscher suchen nach Alternativen im Kampf gegen Karies. Quelle: Getty Images

Schon allein der Gedanke an einen Zahnarztbesuch ist für viele Menschen kaum auszuhalten. So mancher drückt sich daher vor der jährlichen Kontrolluntersuchung – aus Furcht vor möglichen Schmerzen, wenn der Arzt mit dem Bohrer beschädigte Stellen an den Zähnen entfernt. Damit es erst gar nicht so weit kommt, wollen Forscher nun endlich Karies systematisch bekämpfen.

Was weltweit die höchsten Gesundheitskosten verursacht

Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Milliarden von Bakterien im Mund. Die winzigen Organismen wandeln Zucker aus der Nahrung in Säure um. Diese greift dann den Zahnschmelz an und zerstört ungehindert den ganzen Zahn: die gefürchtete Karies. Sie ist für einen großen Teil der jährlich weltweit 442 Milliarden Dollar Kosten durch Zahnerkrankungen verantwortlich. Die Behandlungskosten liegen jährlich bei 298 Milliarden Dollar, hinzu kommen Kosten in Höhe von 144 Milliarden Dollar aufgrund von Produktivitätsverlusten am Arbeitsplatz wie Fehltage.

Putzen hilft, den dichten Biofilm von Bakterien, die Plaque, zu bekämpfen. Weil die Zahnbürste aber nicht in jede Ecke kommt, suchen Wissenschaftler nach Alternativen – und arbeiten gerade an einer ganzen Reihe sehr vielversprechender Strategien.

Zehn Fakten über Zähne
Unsere Zähne sind nicht nur wichtig zur Zerkleinerung von Nahrung, wir brauchen sie auch für die Artikulation. Das merkt man spätestens, wenn die Dritten nötig werden und nicht richtig angepasst sind - dann kommt es oft zu unfreiwilligen Zischlauten. Außerdem ist ein intaktes Gebiss ein Signal von Gesundheit und Schönheit.Im Bild: Das israelische Model Bar Refaeli. Quelle: dapd
Warum klappern wir mit den Zähnen? Es handelt sich um eine Schutzfunktion des Körpers. Wenn wir frieren, aktiviert das vegetative Nervensystem unsere Muskeln, damit wir uns wieder aufwärmen. Die Muskeln ziehen sich schnell zusammen und entspannen sich wieder. Werden dabei auch die Kiefermuskeln aktiviert, wackelt der Unterkiefer und dann schlagen die Zähne hörbar aufeinander. Quelle: dpa
Zahnpflege setzte sich erst im 19. Jahrhundert durch. Die vermutlich älteste Zahnbürste Europas stammt aus der Zeit um 1750. Bis dahin wurden schlechte Zähne und Zahnschmerzen nicht als Zeichen mangelnder Hygiene, sondern als von Gott gegeben betrachtet. Quelle: AP
Der Zahnschmelz ist härter als Knochen. Damit er möglichst widerstandsfähig bleibt, empfehlen Zahnärzte Zahncremes mit Fluorid. Es härtet den Zahnschmelz und beugt so Karies vor. Die zunehmende Verbreitung von fluoridhaltigen Zahnpasten hat zu einem deutlichen Rückgang von Karies bei Kindern und Jugendlichen geführt.Foto: Johann Kierzkowski/proDente/dpa Quelle: dpa
Schon Gletschermann "Ötzi" litt unter schlechten Zähnen. Ähnlich wie heutige Menschen plagten ihn vor mehr als 5000 Jahren Karies und Parodontitis. Obendrein war einer seiner Frontzähne - vermutlich unfallbedingt - abgestorben, wie Forscher vom Zentrum für Evolutionäre Medizin (ZEM) der Universität Zürich nachweisen konnten.Foto: R. Seiler / Zentrum für Evolutionäre Medizin Quelle: dpa
Zähne können auch schuld an Rückenschmerzen sein. Denn die Nerven und Muskeln im Kiefer stehen in Verbindung mit der Wirbelsäule. Mediziner sprechen von einer Kraniomandibulären Dysfunktion, wenn durch Verlust eines Zahns oder Fehlstellungen der Zähne Auswirkungen auf den gesamten Körper haben. Mögliche Folgen sind auch Nacken-, Ohren- oder Gelenkschmerzen oder Schwindel und Tinitus. Quelle: obs
Elektrische Zahnbürsten können deutlich mehr Beläge und Bakterien entfernen als eine Handzahnbürste, denn sie arbeiten mit bis zu 40.000 Umdrehungen pro Minute. Allerdings kann man nicht generell sagen, dasss elektrische Zahnbürsten besser sind als Handzahnbürsten - es hängt von der individuellen Putztechnik ab. Wer mit einer normalen Bürste gründlich vorgeht und auch Zahnseide benutzt, kann gleich gute Putzergebnisse erzielen. Für Putzfaule kann eine elektrische Bürste die bessere Wahl sein, weil sie einen Großteil der Arbeit allein erledigt. Quelle: Fotolia

So hat der Chemieriese BASF gemeinsam mit dem Berliner Biotech-Start-up Organobalance und Forschern der University of Connecticut eine Mischung spezieller Milchsäurebakterien entwickelt. Die sollen sich an die Karieserreger andocken und so deren Wachstum stören. Das Unternehmen Atlantic Grupa aus Kroatien hat bereits eine Zahncreme mit diesen probiotischen Mikroorganismen auf den Markt gebracht. Weitere Produkte sollen folgen.

Carolacton gegen Karieskeime

Andere Wissenschaftler haben jahrzehntelang auf Impfstoffe gegen Karies gesetzt. Sie wollten eine Waffe gegen eine Bakterienart, den Strepptoccus mutans, finden. „Dabei trägt eine Horde von 500 Arten zum Problem bei“, sagt Mikrobiologin Irene Wagner-Döbler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Sie will daher die Kommunikation zwischen den verschiedenen Keimen im Mund stören, um deren Wachstum zu behindern.

Die Wissenschaftlerin nutzt dazu Carolacton, einen Naturstoff, den im Boden lebende Myxobakterien bilden, um sich gegen lästige Konkurrenz durch andere Mikroorganismen zu wehren. Im Labor macht das Carolacton den Karieskeimen bereits erfolgreich das Leben schwer.

Tipps zum Zähneputzen

Wagner-Döblers Team plant nun einen klinischen Test, um herauszufinden, ob das auch beim Menschen klappt: Die Forscher wollen den Wirkstoff in Keramikmaterial, mit dem Ärzte Löcher in Zähnen reparieren, mischen. Denn gerade an den Lücken zwischen Füllung und Zahn bildet sich gerne neue Karies. Rund 40 Patienten sollen an der Studie teilnehmen. Erste Ergebnisse könnten voraussichtlich im nächsten Jahr vorliegen. Hat sich doch ein Kariesloch gebildet, bohren Zahnärzte die beschädigte Stelle heute meist großzügig aus, wertvolle Zahnsubstanz geht verloren.

Doch das ist vielleicht gar nicht nötig, meint Rainer Haak, der die Leipziger Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie leitet. Er untersucht im Rahmen einer klinischen Studie, ob es nicht genügt, die Bakterien einfach unter der Füllung zu begraben und sie so zu schwächen. Denn eine Richtlinie für Zahnärzte, wie viel Zahnsubstanz bei Karies entfernt werden sollte, gibt es bisher nicht.

Die hartnäckigsten Gesundheitsmythen
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Mann mit Rückenschmerzen sitzt im Büro Quelle: obs
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Ein Mann zieht an seinem Finger und erzeugt ein Knackgeräusch. Quelle: dpa
Angela Merkel hält ein Schnapsglas in der hand Quelle: AP
Ein Junge steht unter einer Dusche Quelle: dpa

Ganz ohne Bohrer und Schmerzen wollen Wissenschaftler des King’s College London auskommen. Ihre Idee: Mithilfe von kleinen elektrischen Impulsen sollen Mineralien wie Calcium und Phosphate zurück in den angegriffenen Zahn geführt werden, um so den Zahnschmelz zu regenerieren. Schmerzen, etwa durch die elektrischen Impulse, soll es laut den Forschern nicht geben. 2014 haben sie eine eigene Firma, Reminova, gegründet.

Wann und ob eine Markteinführung überhaupt kommt, ist allerdings noch völlig offen. Bislang wurde die Methode noch in keiner klinischen Studie getestet.

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