Zukunft im Blick Die Nominierten für den Deutschen Innovationspreis

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Smart Reporting: Gegen den Wildwuchs

Schon heute ist der Medizin- und Gesundheitssektor einer der wichtigsten Einsatzbereiche von künstlicher Intelligenz (KI). Selbstlernende Algorithmen helfen, weltweite Medizindatenbanken nach Präzedenzfällen, Therapien oder Medikamentierungen zu durchforsten. Um eine der zentralen medizinischen Disziplinen aber hat die Digitalisierung bis heute einen großen Bogen gemacht: die Radiologie.

Zwar hat diese in den vergangenen 50 Jahren geradezu revolutionäre Sprünge bei Bildgebung und Scannern gemacht, im klassischen Röntgen ebenso wie bei neueren Verfahren wie MRT. „Aber am Ende schauen sich Ärzte wieder nur Bilder an und diktieren ihre Befunde“, sagt Wiegand Sommer. Sommer ist selber Radiologe – und will mit seinem Ende 2014 gegründeten Start-up Smart Reporting aus München die unstrukturierte Befunderstellung in der Radiologie ablösen und standardisieren. Mehr noch: Einheitliche und eindeutige Daten sollen die Grundlage dafür legen, dass KI künftig auch in der radiologischen Diagnostik arbeiten und so einen höheren Automatisierungsgrad ermöglichen kann.

Dazu hat Smart-Reporting-Chef Sommer mit seinem Team eine Software programmiert, mit deren Hilfe Radiologen ihre Befunde in einem standardisierten Verfahren erfassen können. „Dazu haben wir eine Art intelligenten Entscheidungsbaum konzipiert, der einem Arzt mit einer geführten Anleitung hilft, einen einheitlich strukturierten Befund zu generieren“, sagt Sommer. Diese Befunde sind dann maschinenlesbar und werden in einer eigenen Datenbank gespeichert.

Plattformkonzept für alle medizinischen Disziplinen

Damit nicht genug: Jeder Arzt kann als Kunde mithelfen, die Entscheidungsbäume zu verbessern, etwa wenn neue diagnostische Kriterien berücksichtigt werden müssen. „Je mehr Nutzer wir haben, desto besser wird das Produkt“, sagt Sommer. „Das ist der klassische Plattformgedanke.“ Der erste Prototyp der Software war 2015 fertig, seit 2016 vermarkten Sommer und sein Team die Lösung an Ärzte. Inzwischen hat Smart Reporting mehr als 10 000 Radiologen in über 90 Ländern als Nutzer gewonnen; zudem adressieren die Münchner bereits Pathologen sowie in einem nächsten Schritt Hals-Nasen-Ohrenärzte. „Im Prinzip lässt sich diese Technologie in allen medizinischen Disziplinen nutzen“, sagt Sommer.

Als Vermarktungspartner hat er bereits mehrere große Medizintechnikhersteller gewonnen, darunter Siemens Healthineers und GE Healthcare. Sie haben die Software von Smart Reporting direkt in ihre Radiologiegeräte eingebaut. „Ein Arzt generiert seinen Befund direkt aus der Messung, also aus dem Bild heraus, daher ist die nahtlose Integration so wichtig“, sagt Sommer. Die Jury des Deutschen Innovationspreises sieht insbesondere die Vertriebspartnerschaften und das eigene starke Radiologie-Netzwerk positiv. „Die Partner decken gut ein Drittel des Marktes ab“, heißt es in der Vorabbewertung. „Dadurch ergibt sich die Chance, mit der Smart-Reporting-Lösung einen industrieweiten Standard zu etablieren.“

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