100 Jahre IBM Wie IBM zum globalen IT-Riesen wurde

Seit der ersten CeBIT im Jahr 1986 ist auch IBM auf der Messe vertreten. Diesmal feiert das Unternehmen seinen 100. Geburtstag. Der Rückblick auf hundert Jahre Technikgeschichte zeigt, was den einstigen Büromaschinen-Hersteller so stark gemacht hat – und welche Entscheidungen die IBM-Manager besser nicht getroffen hätten.

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IBM-Logo Quelle: dapd

Wenn am 1. März die weltweit größte Computermesse (1.-5. März) ihre Tore öffnet, dann ist auch IBM wieder dabei. Im Gegensatz zu vielen IT-Unternehmen, die der Messe in den letzten Jahren den Rücken gekehrt hatten, bleibt IBM der CeBIT (Centrum der Büro- und Informationstechnik) treu. Seit der ersten offiziellen CeBIT 1986 gehört das Unternehmen zu den Stammkunden. Schon beim CeBIT-Vorläufer, der Hannover Messe, war IBM zur Stelle. Für die Manager des IT-Riesen ist die Messe nicht nur eine Gelegenheit für die Präsentation seines Produktsortiments, sondern Plattform für das Gespräch mit den Kunden. Keine Veranstaltung habe eine "so hohe Kontaktdichte" wie die CeBIT, schwärmt IBMs Deutschland-Geschäftsführer Martin Jetter. Jedes Jahr sind rund tausend Mitarbeiter mit der Vorbereitung und Organisation des Messeauftritts beschäftigt. Das Unternehmen lässt sich die CeBIT jeweils einen einstelligen Millionenbetrag kosten.

Diesmal haben die "IBMer", wie sie sich selbst gerne nennen, Besonders vor. Denn genau am 16. Juni 2011 wird IBM 100 Jahre alt. An 16. Juni 2011 war die "Computing Tabulating Recording Company" (CTR) gegründet worden, die 1924 in IBM umfirmierte.

Die IBM-Stände in den Hallen 2 und 9 stehen unter dem Motto: "What´s happening on a Smarter Planet?" Das "Smarter Planet"-Konzept hatte IBM schon 2009 vorgestellt. "Smarter Planet" steht für das Ziel, die globalen Herausforderungen in Bereichen wie Energieversorgung, Verkehr, Gesundheitswesen oder Kommunikation mit intelligenter Technik anzupacken. IBM will sich dabei als Lieferant für Technologie und Infrastruktur-Lösungen positionieren. Mit anderen Worten: Der IT-Riese ist kein gewöhnlicher Computerbauer mehr, der Produkte oder Dienstleistungen verkauft, sondern IBM ist der technologische Mastermind hinter der Globalisierung. So zumindest will das Unternehmen selbst gesehen werden.

Ohne konkrete Lösungen und Produkte geht es aber dann doch nicht. Gemeinsam mit mehr als 25 Geschäftspartnern soll der Kundschaft gezeigt werden, was der Hightech-Gigant konkret zu bieten hat. Im Mittelpunkt stehen dabei das Hypethema Cloud Computing, sowie Lösungen aus den Bereichen Sicherheit, Business Intelligence, Mobilität, Energie oder Gesundheitswesen. Und natürlich wird es um "Watson" gehen, IBMs neuen Supercomputer, der natürliche Sprache versteht und in der US-Quizshow Jeopardy gerade zwei Champions besiegt hat. Geschicktes Timing für einen technologischen Coup, der zeigen soll, dass IBM auch im hohen Alter noch rüstig ist.

Die IBM-Geschichte

Timing und strategisches Vorgehen gehörten schon immer zum Erfolgsrezept des Computergiganten. Das Unternehmen ging 1924 aus der oben erwähnten "Computing Tabulating Recording Company" hervor, eine Firma, die die vom deutschen Ingenieur Herman Hollerith erfundenen Lochkartenmaschinen produzierte. Deren Präsident Thomas J. Watson sen., war denn auch der erste Chef von IBM.

Schon 1925 hatte IBM erste Niederlassungen in Frankfurt/Main und Hamburg. IBM-Chef Watson verkörperte die Geschäftsprinzipien, die IBM über viele Jahrzehnte hinweg erfolgreich machten. Er hatte sein Handwerk als Verkäufer von Ladenkassen bei NCR gelernt. NCR verstand es geschickt, Konkurrenten mit Tricks auszuschalten und den Markt zu monopolisieren, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" 1986 in einer IBM gewidmeten Titelstory schrieb. Demnach machte NCRs Top-Verkäufer Watson aber schon bald Bekanntschaft mit der amerikanischen Anti-Trust-Behörde, die den NCR-Chef Patterson und Watson wegen wettbewerbswidriger Geschäftspraktiken anklagte, worauf Watson zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde.

Marktführer mit Hollerith

Sein Talent als Verkäufer und Manager setzte Watson später auch bei IBM ein. Die Hollerith-Lochkarten-Maschinen machten IBM zum unangefochtenen Marktführer in den USA. Das Stichwort "Hollerith" weckt bei Historikern aber auch ungute Erinnerungen. Sie berichten, dass IBM über das deutsche Tochterunternehmen Dehomag die Nazis mit Lochkarten und Hollerith-Maschinen versorgte, mit denen in Deutschland Juden, Roma und Sinti registriert, und für den Transport in die Konzentrationslager aussortiert wurden. Wie viel die IBM-Führung davon wusste, ist unklar. Auf einer IBM-Webseite, die die Geschichte des Computerkonzerns chronologisch nacherzählt, wird das Thema nicht erwähnt.

Der erste programmierbare Computer

Den Übergang ins elektronische Computerzeitalter meisterte das Unternehmen mit Bravour. Kunden, denen man bisher Lochkarten-Maschinen verkauft hatte, wurden nun Kunden für die ersten elektronischen Rechner. 1955 kam der IBM 650, ein mit Elektronenröhren ausgestatteter Magnettrommelrechner auf den Markt. Der 650 galt als erster programmierbarer Computer. Aus dieser Zeit datiert auch die Entwicklung der Programmiersprache Fortran, die IBM den Kunden zur Verfügung stellte.Zwei Jahre später wurde RAMAC 305 vorgestellt, der erste Computer mit einer Festplatte, damals noch Magnetplattenspeicher genannt. Die "350 Disk Storage Unit" war so groß wie zwei Kühlschränke und arbeitete mit insgesamt 24 rotierenden Platten. Diese rotierten mit 1200 Umdrehungen pro Minute und konnten etwa ein Megabyte speichern.

Auch mit den Computern war IBM sofort Marktführer und dominierte die Branche nach Belieben. Allerdings ruhte sich das Management nie auf den Lorbeeren aus. Das ist eines der Geheimnisse von IBMs andauerndem Erfolg hinweg. Selten haben sich Produktpolitik, Marketing, Verkaufstalent und technisches Know-how in einem Unternehmen so wirksam verbunden. Statt den Erfolg von Produkten möglichst lange auszuschlachten und dann zu sehen, was man als nächstes machen kann, dachten die IBM-Manager langfristig. Zugleich beobachteten sie die Konkurrenz misstrauisch und hielten Mitbewerber klein. Der Satz des ehemaligen Intel-Chefs Andy Grove "Nur die Paranoiden überleben" galt für IBM von Anfang an. So blieb der Konzern reaktionsschnell und am Puls der Zeit.

Nobelpreisträger und Forschungslabors

Dass der Büromaschinen-Konzern auch technisch vorne dran blieb, ist auch der Tatsache zu verdanken, dass das Unternehmen gewaltige Summen in die Forschung steckte. Entwicklungen wie die Festplatte, die Magnetkarte, der Barcode oder später die Floppy-Disk kommen aus den IBM-Labors und haben den Alltag der Menschen geprägt. So ist es kein Zufall, dass der Technikriese allein sechs Nobelpreisträger hervorgebracht hat, darunter den Deutschen Gerd Binnig und den Schweizer Heinrich Rohrer, die 1981 das Rastertunnel-Mikroskop im IBM-Forschungslabor in der Schweiz entwickelt hatten. Seit 18 Jahren in Folge ist IBM Weltmeister bei der Zahl der Patente. Im vergangenen Jahr waren es allein 5896 Patente, mehr als Microsoft, Hewlett-Packard, Oracle, EMC und Google zusammen. Nicht schlecht für eine Firma, die seit nahezu 100 Jahren im Geschäft ist. Und vor allem gut fürs Image als innovative und zukunftsorientierte Firma.

Heute investiert das Unternehmen aus Armonk im US-Bundesstaat New York nach eigenen Angaben mehr als sechs Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung – pro Jahr, wohlgemerkt.

Erster Computer mit Transistoren

Viel Forschungsarbeit steckte auch in IBMs nächstem Projekt, dem System 1401, das 1961 ausgeliefert wurde. Das Data Processing System war der erste Computer, der mit Transistoren – statt Vakuumröhren - und gedruckten Schaltungen ausgerüstet war. Die Maschine wurde 10 00 mal verkauft und trug wesentlich dazu bei, den Computer als individuell konfigurierbares Arbeitsgerät in Unternehmen zu etablieren. Zudem gab es auch einen Highspeed-Drucker, den 1403. Die Maschinen der 1400er-Serie waren bis in die 70er Jahre im Einsatz.

Neben den Hightech-Boliden fürs Back Office vergaßen die "IBMer" aber auch den Schreibtisch im Büro nicht. Dort stand seit 1961 immer häufiger die Kugelkopfschreibmaschine Selectric. Davon wurden in den folgenden 20 Jahren schätzungsweise 8 Millionen Stück verkauft. Diese von Eliot Noyes gestaltete Schreibmaschine gilt heute noch als Design-Klassiker.

Voll kompatibel: System 360

Der 1964 angekündigte Großrechner System 360 war ein weiterer Meilenstein der Computertechnik und ein kommerzieller Erfolg für IBM, dessen Einnahmen in der Folge auf das Fünffache anstiegen. Es galt als das erste kommerziell erfolgreiche Datenverarbeitungssystem auf Basis von miniaturisieren Schaltkreisen. Der Clou war aber, dass alle Maschinen zueinander kompatibel waren, so dass die Anwender mit Daten und Software leicht auf ein anderes Modell umsteigen konnten. Ein geschickter Schachzug der Verkaufsprofis, denn so blieben die Kunden auch dann bei Big Blue, wenn sie einen leistungsstärkeren Rechner benötigten.

Personal Computer bringt Konkurrenz

Allerdings bekam IBM in dieser Zeit Ärger mit den Kartellbehörden. Das führte in der Folge dazu, dass die Firmenlenker vorsichtiger agieren mussten und nicht mehr so schnell auf neue Entwicklungen reagieren konnten, wie der "Spiegel" in seinem IBM-Porträt schrieb. Als 1983 der Personal Computer XT auf den Markt kam, leitete das zwar den Siegeszug des PCs ein, doch die Konkurrenz wurde langsam frech. Richtig schwer wurde es für den Computerriesen Anfang der 90er Jahre. Da ließ sich der Markt nicht mehr nach Belieben dominieren. Hersteller wie Compaq, Dell, NEC oder HP drängten mit IBM-kompatiblen Rechnern auf den Markt, Großrechner schienen plötzlich antiquiert und Microsoft machte mit Windows Kasse. IBM, der einst so unangreifbare Computerriese geriet schwer ins Wanken. Erst der 1993 berufene neue IBM-Chef Louis Gerstner konnte den Abwärtstrend stoppen. Er baute das Unternehmen zu dem Technologie- und Serviceanbieter um, den wir heute kennen. Sein unmittelbarer Nachfolger Samuel J. Palmisano ist es, der zur CeBIT 2011 die Eröffnungsrede halten wird.

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