4 Autoren im Interview Was Schriftsteller von E-Books halten

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Bekommt Amazon zu viel Macht?

Verlage und Buchhändler fürchten, dass Amazon mit seinem Kindle zu viel Macht über den Buchmarkt bekommt.

Amazons Kindle hat sich seinen Erfolg verdient. Einfach weil es einwandfrei funktioniert. Erst wenn sich der Kunde aus der warmen Umarmung lösen will, sieht er das Problem (proprietäres Format; Quasi-Monopol samt damit einhergehendem Verhalten; verlagsabhängig: DRM-Knebel). Aber eben erst dann. Und welcher Kunde will schon von Amazon weg?

Wo ist denn der Konkurrent mit besserer Infrastruktur, zu dem ich als Leser (oder als Autor) gerne wechseln möchte, statt nur aus Trotz? Wenn der käme, würden viele wechseln, denn die Leser interessieren sich für Bücher, nicht für Machtverhältnisse im Buchmarkt. Doch Amazon hat immer wieder neue Ideen, kommerzialisiert Fan-Fiction, holt Comic-Zeichner ins Boot, bietet einen Reader für 50 Euro an. Als Autor wäre ich dumm, würde ich Amazon als Verkaufskanal auslassen; ich kann kaum mehr tun als im Web auf alternative Händler hinzuweisen.

Verändern E-Books das Leseverhalten?
Ich glaube, es ist zu früh für eine fundierte Antwort. E-Books beeinflussen aber sicher das Schreibverhalten: Weil praktisch keine Produktionsmittel außer Zeit, Verstand und Notebook nötig sind, können technisch halbwegs affine Autoren und Autorinnen mit neuen Ideen experimentieren.E-Books verändern aber auch, wie Autoren ihre Verlage erleben. Die vielen Schriftsteller, die über kleine oder mittelgroße Verlage nicht die großen Verkaufstische des Filialhandels erreichen, befinden sich ja in einer Nische. In dieser sehen sie ihre Verlage nicht nur als Mittler, sondern auch als Hindernis zwischen sich und dem Leser.
Wer je Instrumente des Self-Publishing ausprobiert hat, muss Verlage ganz zwangsläufig als teure und behäbige Dienstleister wahrnehmen. Wenn heute der Mond verschwindet und ich schreibe ein Buch darüber, kann es morgen früh verfügbar sein. Bei Verlagen würden Wochen vergehen, ehe man mir überhaupt die Idee abnimmt; bis zum Druck vergehen weitere Monate. Und dazwischen würden so viele Personen mitreden, dass es am Ende ein Buch über die Sonne wäre.
Ich finde, E-Books verdeutlichen mehr denn je, dass Bücher zu schreiben auch ein Glückspiel ist. Wie beim Lotto machen viele mit, doch die meisten zahlen bloß ein, nur ganz wenige gehen als Gewinner daraus hervor. Die einzigen, die immer ihren Schnitt machen, sind die Dienstleister drum herum. Das Casino, das sind bei Print die Verlage, jetzt kommen eben Digitaldistributoren verschiedenster Couleur hinzu. Die Lotterie ist dieselbe.

Die "Haptik" von Büchern wird oft als Argument gegen E-Books angeführt.
Ob Buchliebhaber wirklich das neue Dan-Brown-Taschenbuch beschnuppern und den Geruch von Leder und Leim suchen? Ich bezweifle es. Es will sich nur niemand umgewöhnen. Außerdem gewinnen die meisten Menschen ihren ersten Eindruck von E-Books am PC oder Tablet. Die viel besseren E-Ink-Reader, obwohl günstig und leicht, sind noch nicht die Regel.
Als reale Objekte sind Bücher einfach schöner als Dateien. Auch entwickeln drei E-Reader im leeren Regalfach nicht ganz die intellektuelle Wucht eines Regalmeters schlauer Schinken – auch das ist ja Haptik. Man wird einen Zwischenweg gehen: Den „Faust“ stellt man sich ins Regal, obwohl es den bei Gutenberg kostenlos gibt. Die Schweden-Krimis zieht man sich auf den Reader – das Zeug würde eh nur die Regale verstopfen.
Dieser Aufteilung folgend sollte man sich keinen digitalen Illusionen hingeben: Verlage und Buchhandel sind wichtig, denn gegenüber dem Leser zeichnet man sich nach wie vor schon dadurch aus, dass man verlegt wird und beim stationären Buchhändler zu kaufen ist. Bis auf weiteres werden daher E-Books Bücher zweiter Klasse sein, selbst dann, wenn sie inhaltlich mehr bieten als das gedruckte Buch. Doch die Zahl der Leser und Autoren, die sich daran stören, wird gewiss sinken.
Mehr Informationen zu Andreas Winterer finden Sie hier.

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