4 Autoren im Interview Was Schriftsteller von E-Books halten

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Der Web-2.0-Guru: "Digitalisierung ist auch eine Demokratisierung"

Ossi Urchs gehört als IT-Berater, Internet-Guru und Social-Media-Experte zu den Stimmen, die gehört werden, wenn es um die Digitale Gesellschaft geht. Gerade hat er gemeinsam mit Co-Autor Tim Cole das Buch

WirtschaftsWoche: Hat das klassische Buch auf Dauer noch eine Existenzberechtigung?
Ossi Urchs: Natürlich hat es die, allein schon wenn mal der Strom ausfallen sollte. Aber Scherz beiseite: Ich glaube wir müssen uns alle mit einander von der allzu simplen, materialistischen Vorstellung verabschieden, dass ein Buch durch seine Trägermedien definiert wird. Ob schriftlich codiertes Wissen auf Papier mittels Druckerschwärze oder durch die Pixel eines Bildschirms übermittelt wird, ist weit weniger entscheidend als der Inhalt, Erfahrungen und Informationen, mit denen wir uns auseinandersetzen können oder sogar müssen.

Wenn es nur ein Medium gäbe, für welches würden Sie sich entscheiden, E-Book oder Buch?
Für mich persönlich ist das alles andere als eine Glaubensfrage. Eher eine Frage der Verfügbarkeit und der Bequemlichkeit. Ich lese Texte digital codiert ebenso gern wie analog. Ich kann mich allerdings an einem schön und kunstvoll gemachten Druckwerk erfreuen. Da haben wir digital leider kaum entsprechendes zu Stande gebracht.

Ist es schwierig, ein E-Book selbst zu produzieren?
Einen Text und auch die dazu gehörenden Illustrationen und Abbildungen digital zu codieren ist heute für jeden einigermaßen digital gebildeten Menschen ein Kinderspiel. Die entsprechende Software steht auf allen Betriebssystemen zur Verfügung. Von dort aus lässt sich das Produkt auf andere Plattformen, stationäre wie mobile, exportieren. Wie in allen anderen medialen Bereichen bedeutet Digitalisierung auch immer eine Demokratisierung der Medien-Produktion. Man braucht dazu heute kaum noch Fachwissen, jeder einigermaßen engagierte und gebildete Nutzer kann das heute - abgesehen von den eben erwähnten Spitzenleistungen, versteht sich.

Jeder kann ein Buch veröffentlichen. Führt das nicht zu einer Abwertung des Mediums Buch?
Wie gesagt: Das gilt meines Erachtens für alle Medien. Ich kann darin keine Abwertung der Medien erkennen. Im Gegenteil: Sie werden immer universaler nutzbar, weil sie immer leichter und müheloser für jeden, noch so abseitigen, Nutzungsfall zur Verfügung stehen oder gestellt werden können. Demokratisierung hat Politik und Gesellschaft nicht geschadet. Warum sollte das bei den Medien anders sein?
Verlage und Buchhändler fürchten, dass Amazon mit seinem Kindle zu viel Macht über den Buchmarkt bekommt.
Die Tendenz zur Monopolisierung ist gesellschaftlich, nicht technologisch begründet. Allerdings lässt sie sich in digitalen und vernetzten "Umgebungen" sehr viel leichter durchsetzen und realisieren als in den herkömmlichen, analogen. Diese verlegerische und vertriebliche Macht gilt es zu kontrollieren. Ich glaube nicht, dass "die Märkte" das allein wirklich tun. Dazu braucht es, nicht viele, aber wirksame Regeln und Strukturen. Aber ich kann nicht sehen, dass die Macht von Amazon in irgend einer Weise "gefährlicher" sein soll als die eines marktbeherrschenden Medienunternehmens.

Verändern E-Books das Leseverhalten?
Von mir selbst ausgehend, denke ich das schon. Digitale Medien(-Inhalte) stehen immer sofort und unmittelbar zur Verfügung. "Lesezeichen" und Kommentarfunktionen sind integraler Bestandteil des digitalen "Toolsets", normalerweise in der Software enthalten. Das fördert die digitale "Häppchenkultur", das bedeutet Lesen und jede andere Aneignung von medialen Inhalten wird immer mehr von einer seriellen und linearen zu einer interaktiven und hypermedialen Tätigkeit.

Die "Haptik" von Büchern wird oft als Argument gegen E-Books angeführt. Was ist von diesem Argument zu halten?

Nun ja: Die Haptik beeinflusst das mediale Verhalten ganz bestimmt, aber nicht nur einfach positiv oder negativ. Sondern das kommt vielmehr auf die Art der Produktion an: Während eine billig hergestelltes Taschenbuch sich unangenehm anfasst und schwarze Flecken auf meinen Fingern hinterlässt, fasse ich selbst ein hochwertig produziertes Buch sehr gern und immer wieder an. Aber natürlich sind Print und auch Digital vor allem optische und visuelle Medien, bei denen es darauf ankommt sie gern und im Idealfall immer wieder anzuschauen. So gibt es Bücher, die ich gern immer wieder zur Hand nehme, nicht um etwas nachzuschlagen oder etwas Neues zu erfahren, sondern einfach wegen des visuellen Genusses.

Mehr Informationen zu Ossi Urchs finden Sie auf seiner Website.

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